So ist das also, wenn man mal ein paar Tage verreist ... vorher monatelang kaum was über Nürnberg und jetzt dieser Strang!
Nun gut, ich bin zurzeit ohnehin überarbeitet und habe kaum Zeit, viel dazu zu schreiben. Doch ich lese jetzt mal alle Beiträge durch. Rein spekulativ gehe ich zurzeit davon aus, daß das Fachwerkhaus abgerissen, der Dacherker aber geborgen wird. Nächste Woche habe ich aber sicher einige Informationen aus 1. Hand.
Es ist tatsächlich so, daß der schnelle Abriß den kurzfristigen Start der archäologischen Arbeiten dient. Auf diese bin ich ehrlich gesagt auch extrem gespannt, sind auf dem Areal doch Reste der vorletzten Stadtbefestigung (siehe http://www.baukunst-nuernberg.de/epoche.php?epo…tadtbefestigung)zu vermuten. Außerdem standen dort wirklich interessante und große Anwesen.
Das wertvollste war ohne Zweifel Winklerstraße 5. Dieses Anwesen zog sich bogenförmig von der Winklerstraße bis zur Pegnitz hinunter. Der hintere Teil liegt heute auf dem betroffenen Augustinerhof-Areal. Berühmt war er für die für Nürnberg typische, nachgotisch-renaissancehafte Hofarchitektur Hans Beheim d. Ä.:
Quelle: Bildarchiv Foto Marburg
Aber auch der Hof von Winklerstr. 1 war vor dem Krieg als historisch besonders wertvoll eingestuft worden:
Quelle: Bildarchiv Foto Marburg
Zur Information bezüglich Nürnbergs Altstadt kann ich nur wärmstens den Stadtatlas Nürnberg empfehlen. Enthalten ist (leider nicht digital) der Denkmal-Wertstufenplan von 1942. Dieser ist als Vorschau hier (auch als pdf) einzusehen:
http://www.stadtatlas-muenchen.de/stadtatlas-nue…tadtarchiv.html
Darin gab es die Stufen:
"historische Gebäude": blau
"historisch wertvolle Gebäude": rot
"historisch wertvollste Gebäude": schwarz
Interessant ist, daß etliche Gebäude, die heute unter Denkmalschutz stehen, damals gar nicht eingestuft waren. Wie relativ ist doch der Denkmalwert ...
Einen Ausschnitt aus dem Plan habe ich bearbeitet zur zitatweisen Auseinandersetzung mit dem Inhalt dieses Strangs:
Die vorletzte Stadtbefestigung zieht sich mutmaßlich quer von Ost nach West durch das Augustinerhofgelände, auf dem Hauptmarkt und an der Ecke Winklerstraße/Fleischhaus/Zwischen den Fleischbänken wurden auch mal bei Kanalarbeiten auch Reste gefunden.
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Was die künftige Bebauung betrifft, so sind meine Erwartungen gedämpft. Zwar dürfte kein erschlagendes Monstrum à la aufgeplatzte Bratwurst mehr drohen, aber eher ein spießig-banaler Provinzinvestoren kompromiß statt progressiv-metropolistischer Vollrekonstruktionsavantgarde der befreit historisierenden Bildungseleganz.
Alles andere würde mich überraschen.
Damit will ich nicht Herrn Schmelzer zu nahe treten. Er hat sicher auch eine feinsinnige Ader. Auch ist es kein Geheimnis, daß die Nürnberger Kulturreferentin Julia Lehner seine Lebensgefährtin ist. Zumindest hat er - zum Beispiel - das Milchhof-Verwaltungsgebäude sehr schön saniert und erkennt den hohen Wert schöner und denkmalwerter Gebäude. Auch ist zu berücksichtigen, daß die (Not-) Grabungen in der Rechnung einer Investition zunächst mal eine Belastung darstellen, die bei Projekten an anderen Stellen nicht auftreten.
Schmelzer ist in erster Linie Kaufmann, und aus seiner Sicht ist auch die historische Baukunst nicht der Abwägung gegen wirtschaftliche Belange von vorneherein entzogen, so wie es in unseren Kreisen gerne gesehen würde.
Dies zeigt sich an den Sebalder Höfen (siehe anderer Strang), auch ein Projekt der Alpha-Gruppe. Was dort geschehen ist, finde ich sehr bedauerlich. Denn dort wurde in die Altstadt Investorenarchitektur ("Schuhschachteln") der billigsten Sorte hineingesetzt. Das Engagement von Volker Staab für die Randfassaden zum Rathenauplatz und zur Äußeren Laufer Gasse wirkt hier wie ein Feigenblatt (wobei ich hier auch nicht diskutieren möchte, ob diese gelungen sind). Volker Staabs großer Wurf in Nürnberg, das Neue Museum, hat diesem jedenfalls einen Vertrauensvorschuß eingebracht, der dazu führte, daß seine Beauftragung ein geschickter Schachzug war, um nach außen hin ein "Volker-Staab-Projekt" (Hurra, noch so Großartiges von dem einzigen, der Neues UND Gutes in der Nürnberger Altstadt bauen kann) zu präsentieren, obgleich der Großteil des Projektes aus Trivialitäten besteht und an Bauträger untervergeben wurde. Dieses Projekt konnte damit ohne nennenswerte gesellschaftliche Kritik verwirklicht werden, nein, die Lobeshymnen von Politik und Entscheidungsträgern haben sich fast überschlagen. Die leise Kritik in der (auf ein Hoch auf Staabs Konzeption auch nicht verzichten könnenden) Stellungnahme der Altstadtfreunde war dagegen nicht wirklich wahrgenommen worden. Ich meine, daß sich die Nürnberger über den Tisch haben ziehen lassen. Der Teil der Altstadt ist jedenfalls verschandelt.
Ich halte fest: Schmelzer ist ganz und gar kein blauäugiger Mensch, um es mal vornehm auszudrücken. Er hat, das ist kaum anzuzweifeln, einen politisch und gesellschaftlich sehr guten Stand in Nürnberg. Außerdem kennt er die Nürnberger Verhältnisse äußerst gut, und wird nichts dem Zufall überlassen. Wir können sicher sein, daß er zu erwartende Kritik an seinen Plänen mit vorgeplanten Maßnahmen begegnen wird. Die Öffentlichkeit bekommt sicher wieder einen Brocken hingeworfen, wie z. B. die Beauftragung eines namhaften Architekten, oder vielleicht sogar die Unterstützung denkmalpflegerischer Arbeiten. Dies sieht man schon jetzt an den Grabungen (vielleicht unterstützt er diese finanziell), oder er bezahlt die weitere Translokation des Erkers von der Adlerstr. 8. Damit sollten die, die nicht ohnehin Schmelzer vorauseilenden Gehorsam leisten, endlich einsehen, daß man dem Retter des jahrzehntelangen Schandflecks gegenüber, der viele Millionen investiert, doch die Klappe halten sollte, egal was kommt.
Ich kann bloß hoffen, daß die Altstadtfreunde sich diesmal wesentlich profilierter aufstellen und laut ins Horn stoßen, schon aus Prinzip. Es gibt sonst keinen Interessenvertreter für historische Architektur in Nürnberg.
Vom Denkmalschutz kann man aufgrund mangelnden Macht und personeller Ausstattung ohnehin nichts erwarten, auch wenn man den dort Beschäftigten mit allzu harscher Kritik ihrer Arbeit oft Unrecht tut.