Berlin - Breitscheidplatz & Umgebung Bahnhof Zoo

  • Immer, wenn ich diese Kirche mit der fehlenden Turmspitze sehe, frage ich mich, ob sie nun an Kaiser Wilhelm oder an den Zweiten Weltkrieg erinnern soll.
    Dann wirft der Turm auch noch wortwörtlich einen Schatten auf die Ruine.
    Und ich finde, man hätte diesen Turm nicht, bzw. etwas ferner der Kirche bauen können.
    Aber wenn man die Frauenkirche wieder aufbaut, dann hätte man auch diese reparieren können.
    Ein Wunder überhaupt, dass in Berlin mal ein großes Projekt fertig gebaut wurde!

  • Ist doch nur ein Glockenturm, das wäre auch eingeschränkt im Ruinenstumpf realisierbar gewesen.
    Und überhaupt ist das Läuten im Hinblick auf die Anfeuerung zu einem Gottesdienstbesuch maßlos überschätzt.


    Nee, das ist eben nicht nur ein Glockenturm. Ich weiß, dass ein großer Teil der Gesellschaft (zumal in Berlin) und wohl auch in diesem Forum, Kirche mehr als eine rückwärtsgewandte Institution "von gestern" ansieht, die man bestenfalls noch im Rahmen der Traditionspflege toleriert. Entsprechend fehlt wohl die Empathie bzw. das Verständnis für eine Kirchengemeinde, die ihr Augenmerk mehr auf Gegenwart und Zukunft richten möchte und nicht nur (!) auf Erinnerung und Mahnung.
    Ein Kirchturm hat durchaus auch die Funktion eines "Flaggezeigens", zumal in Berlin (quasi einer Diaspora) und da ist eine reine Ruine nunmal nicht geeignet.

    Vergleichbar hätte man das Reichstagsgebäude außen als Ruine erhalten können - natürlich auch ohne Kuppel - und im Inneren dennoch den Bundestag platzieren. Dies wäre doch auch ein wunderbares Mahnmal geworden, nicht wahr?

    Für die Gedächtniskirche hätte es neben dieser Mischung aus Ruine und Eiermann-Bauten die Option einer vollständigen Rekonstruktion gegeben. Man kann/konnte jedoch nicht erwarten, dass sich die Gemeinde dauerhaft in einer (äußerlich) reinen Ruine einrichten will.

    I.Ü. ist der Breitscheidplatz und die gesamte Umgebung nun wirklich kein architektonisches Kleinod (und daran hätte auch eine Rekonstruktion der Kirche kaum etwas geändert).
    Es gibt wohl kaum ein Platz, zumal in Berlin, wo eine eine Collage aus alter Ruine und neuem Anbau so verkraftbar ist als hier.

    Ganz einfach, weil der Blick und die Gedanken dann nicht vom Eiermann-Turm blockiert/abgelenkt werden würden.


    Den Eiermann-Turm kann man mögen oder auch nicht, nur lenkt er doch nicht von einem Gedanken bzw. Gedenken an den Krieg und die damit verbundenen Zerstörungen und Opfer ab. Im Gegenteil verstärkt doch der moderne Anbau eher noch die Wirkung der Ruine.
    So sehr ich sonst auch für (vollständige) Rekonstruktionen bin, an dieser Stelle haben diese Bauten durchaus auch einen Sinn.

  • Meines Erachtens hätte man sich damals klar entscheiden müssen, ob man ein Mahnmal oder eine lebendige Kirchengemeinde haben will. Für ein reines Mahnmal hätte man tatsächlich nur die Ruine erhalten können und hätte keine Eiermann-Bauten daneben benötigt. Und wenn die Gemeindemitglieder wieder ihre Kirche für Gottesdienste haben wollte, dann hätte man die KWGK rekonstruieren müssen.
    So ist es nichts Ganzes und nichts Halbes.
    Darüber hinaus stellen sich mir hier aber noch weitere Fragen. Wieso hat man ausgerechnet dieses Bauwerk zu einem Mahnmal erklären wollen? Was hatte die Kirche mit dem Krieg zu tun, vor dem sie doch warnen soll? Wieso hat man nicht einen Künstler beauftragt, ein Mahnmal an einem ausgewählten Platz in Berlin zu bauen? Die Entscheidung, diese Kirche zum Mahnmal zu erheben, kommt mir doch recht willkürlich vor.
    In Coventry hat man übrigens dasselbe Konzept verfolgt. Auch dort wurde die moderne Kirche an die Ruine angefügt, wenn auch farblich und in der Gesamtkonzeption harmonischer:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Coventry_…s_cmglee_02.jpg

    Allerdings ist die Kirche in Coventry wohl eher so etwas wie eine Erinnerung, wie knapp man doch davongekommen war und auch als Versöhnung mit den Kriegsgegnern konzipiert. Es hält die Briten aber nicht davon ab, Kriege zu führen, die sie für richtig halten (Suez, Falkland, Irak etc...), wehrhaft zu sein (Atommacht, zweitgrößte Flotte der Welt) und auf ihre Souveränität zu pochen (Brexit, ständiger Sitz bei der UNO etc...).

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Darüber hinaus stellen sich mir hier aber noch weitere Fragen. Wieso hat man ausgerechnet dieses Bauwerk zu einem Mahnmal erklären wollen? Was hatte die Kirche mit dem Krieg zu tun, vor dem sie doch warnen soll?

    Ich denke es ist weniger das Bauwerk als solches, sondern dessen Standort in der City von West-Berlin.

  • Das dürfte richtig sein. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche war natürlich durch ihre Ku-Damm-Lage von Beginn an ein Gotteshaus an exponierter Stelle und der Einfluss von Kaiser Wilhelm und seiner Gemahlin während des Baus auf die Ausgestaltung war natürlich erheblich. Die Zusage des NS-Regimes an die Gemeinde nach dem Bombenangriff vom 23.November 1943, die Kirche nach dem Krieg genauso prachtvoll wieder aufbauen zu lassen, war natürlich durch das Kriegsergebnis null und nichtig und sowohl die Alliierten wie auch der Senat hatten kaum Interesse daran, in den ersten Jahren nach dem Krieg soviel Geld in die Hand zu nehmen, um ein Zeugnis wilhelminisch-deutschen Nationalstolzes wieder aufzubauen. Da gab es wichtigere Aufgaben. Übrigens hat der Bau der alten Kirche umgerechnet in heutiger Währung 45 Millionen Euro gekostet. Angesichts dessen, was mancher Schwachsinn, der heutzutage von öffentlicher Hand finanziert wird, eigentlich ein Klacks.
    Aber mittlerweile ist das Ensemble aus alt und (nicht mehr ganz) neu zu einem solchen Wahrzeichen (West-)Berlins geworden, dass selbst bei einer vollständigen Finanzierung ein Wiederaufbau der alten Kirche nicht mehr durchsetzbar wäre.

  • Vielleicht bin ich da nicht mit Euch konform, aber für die meisten Berlin Besucher ist die Gedächtniskirche eine Touristenattraktion und gerade in dieser Konstellation sehr überzeugend als Denkmal für die Kriegszerstörung. Ich finde auch den Eiermann-Bau von innen sehr schön. Kaum einem Besucher ist bekannt, was nach dem Krieg von der Ruine abgeräumt wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine klassisch wiederaufgebaute Kirche nur annähernd die Wirkung entfalten könnte wie die heutige Lösung, die ich als Gewinn wahrnehme.

    Bei Neu-Rekos sind Brüche idiotisch. Beim Wiederaufbau zerstörter Gebäude sieht das anders aus. Wo es meiner Ansicht nach beim Wiederaufbau nicht gelungen ist mit dem teilneuen Konzept, das wäre die lange nach dem Krieg in Teilsektionen abgebrannte Kirche in Jever. In Berlin dagegen empfinde ich den heutigen Zustand wertiger als die historische Kirche.

  • Jeder von uns hat ja wohl schon mitbekommen, dass Karstadt am Kudamm von Investor Huth (Mall of Berlin) ebenfalls zu einer Mall umgebaut werden soll.

    Ob Berlin eine weitere Mall benötigt...noch dazu an diesem Standort...lasse ich einmal dahingestellt.

    Interessanterweise kam heute ein Bericht im Tagesspiegel, wonach die echte Befürchtung besteht, dass die knapp 200 Mitarbeiter von Karstadt ihren Arbeitsplatz verlieren werden.

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/umbau-z…s/14729820.html

    Ich denke mir, auch solche Nachrichten gehören in dieses Forum..gerade und vor allen Dingen deswegen, weil die Sache mit Karstadt jetzt seit bereits schon einigen Jahren erheblich stinkt...unter angeblichen Philantropen wie Bergengruen genauso wie unter knallharten "Investoren" wie Benko mit ihrer Signa-Holding.

  • Ein Artikel aus dem letzten Jahr zu den Plänen in der City-West. http://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke…n/14471268.html

    Das Landesdenkmalamt hat alle Hände voll zu tun, um die "Ikonen" der Nachkriegsmoderne vor dem Abriss zu schützen. Rund um den Ernst-Reuter-Platz ist einiges in Bewegung und selbst das bekannte "Hutmacher-Hochhaus" von 1957 würde wohl der Eigentümer gerne abreissen. Vielleicht kann uns ein Berlinkenner im Forum auf dem Laufenden halten...

    ...

  • Freudige Nachrichten, dass der Eigentümer das Hutmacher-Haus abreißen will zum Entsetzen der Senatsverwaltung. Was immer danach kommen mag, es wird schöner.

  • Fernblick vom Olof-Palme-Platz/Budapester Straße zum Breitscheidplatz.

    Ganz unbefangen kann zumindest ich an dieser Stelle nicht mehr vorbeifahren...

    Das "Turmtor" der Kantstraße.

    Der Eckbau zum Kurfürstendamm.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Der Berliner Westen hat historisch nie in die Höhe gestrebt sondern war überschaubar, und das war auch gut so. Diese kalten Türme wollen als Zeichen der neuen Zeit imponieren, aber hat die Stadt dies nötig? Vielleicht tatsächlich, die Kranzler-Idylle ist ja eh schon lange den Bach runter. Berliner Luft spüre ich an dieser Stelle jedenfalls nicht mehr.

    In dubio pro reko

    2 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (1. April 2017 um 21:54)

  • Freudige Nachrichten, dass der Eigentümer das Hutmacher-Haus abreißen will zum Entsetzen der Senatsverwaltung. Was immer danach kommen mag, es wird schöner.

    Schöner? Wovon träumst Du denn? Aber egal, das Areal zwischen Europa-Center und Bahnhof Zoo ist ohnehin verloren. Ein Sammelsurium von Geschmacklosigkeiten und nun soll also das letzte Zeugnis des Wiederaufbaus direkt am Hardenbergplatz auch noch weg...

  • Der Berliner Westen hat historisch nie in die Höhe gestrebt sondern war überschaubar, und das war auch gut so. Diese kalten Türme wollen als Zeichen der neuen Zeit imponieren, aber hat die Stadt dies nötig? Vielleicht tatsächlich, die Kranzler-Idylle ist ja eh schon lange den Bach runter. Berliner Luft spüre ich an dieser Stelle jedenfalls nicht mehr.

    Nunja...hat in Deutschland historisch überhaupt irgendwo irgendwas in die Höhe gestrebt? (außer dem Bankenviertel im Nachkriegs-Fankfurt und den Plattenbau-Hochhausbauten in Außenbezirken?)

    Der Breitscheid-Platz, solange ich ihn kenne, war doch noch nie ein architektonisches Kleinod (mit oder ohne Berliner Luft). Von mir aus können dort die Anfhänger einer "modernen Weltmetropole" ihre Skyline-Phantasien ausleben - wenn Sie dafür andere Stellen (etwa die historische Mitte) verschonen und dort Rekonstruktionen zulassen.

  • wenn Sie dafür andere Stellen (etwa die historische Mitte) verschonen und dort Rekonstruktionen zulassen.

    Und das wird mit Sicherheit nicht passieren.
    Sie werden vielmehr den kleinen Finger, den Du ihnen anbietest, gerne nehmen und danach nach dem zweiten Finger greifen...

  • Ich bin der Ansicht, dass am Breitscheidplatz mit der Hochhausbebauung und der Sanierung des Bikinihauses vieles richtig gemacht wurde. Die Aufenthaltsqualität ist für mich dort definitiv gestiegen. Die Kantstrasse beginnt mit den Hochäusern als Toreingang nach Charlottenburg, der alte Riegel quer über die Straße ist Geschhichte. Die U-Bahneingänge am Zoo haben ihre alte , in Form der neuen Sachlichkeit, Beschilderung zurück.
    Was ich jedoch kritisch sehe ist der beginnende Abriss des Gloria-Palasts, dem Görtz Nachbargebäude sowie die zukünftige Shopping-Mall im Karstadt. Hier wird wohl der Anfang des Kurfürstendamms mit ganzem Riegeln neu bebaut werden.
    Was ich mir wünschen würde wäre der Ausstausch dieser 80er Jahre Straßenlaternen am Tauentzien und der Budapester Straße und den Einsatz weiterer Charlottenburger Kandelaber. Auch kann ich mit dem Wasserklops nichts anfangen. Der darf auch gern das Zeitliche segnen.

  • Wir hatten das Thema ja schon einmal sehr ausführlich besprochen, aber ich wiederhole mich, wenn ich darf, einfach noch einmal:
    Der Berliner Westen ist heute ein unansehnliches und dröges Sammelsurium an Nackriegskästen, dem einfach nicht mehr zu helfen ist. (Außer Komplettabriss! ;)) Es ist also egal, was vor 100 Jahren einmal war und welche Bautradition hier einst vorgeherrscht hat. Moderne Türme lockern den hässlichen Einheitsbrei immerhin etwas auf und ziehen den Blick auf sich und weg von den hässlichen Nachriegskästen, die bis zum Horizont die Straßen rahmen. Wenn es einen Ort in Berlin gibt, wo ein paar Höhendominanten wirklich Linderung anstatt Verschlechterung verschaffen, dann ist das der Berliner Westen und auch der Alexanderplatz.
    Auf mich wirkt die Ecke durch Upper West und Zoofenster nun um einiges ansprechender, abwechslungsreicher und auch weltstädtischer.

  • Zwar ein wenig off-Topic und Zeitgeschichte aber dennoch sehr sehenswert:

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