Sehschule - Banalität des Alltags

  • Das Böse ist immer und überall :boese: . Im Ernst, vielleicht sollte man dieses Thema nur noch unter theologischen Gesichtspunkten angehen, weil sonst kein Erklärungsmuster mehr hilft.

  • Apropos Plattenbau...

    Die Modernisten und Anhänger der Moderne verwenden gegen die
    Rekonstruktion und traditionelle Neubauten gerne das Scheinargument,
    dass die Architektur und mit ihr die Gestaltung sich eben weiterentwickelt
    hätten...angesichts folgenden Bildes darf man sich schon fragen, wo und
    welche Entwicklung moderne Architektur widerspiegel. Sicher, es handelt
    sich nur um einen Parkhausneubau, aber offensichtlich scheint es hierbei
    keine andere Gestaltungsmöglichkeit zu geben als den modernistische
    Betonbrutalismus der60er Jahre nachzuäffen...wenns denn noch ne Aus-
    zeichnung für "gutes funktionales" Bauen im Jahre 2008 dafür geben sollte
    von einer "unabhängigen" Jury...wundern tät es mich nicht! :augenrollen:


    Quelle: http://www.rwbilder.de">http://www.rwbilder.de

  • Zitat von "Stefan"


    Die Modernisten und Anhänger der Moderne verwenden gegen die
    Rekonstruktion und traditionelle Neubauten gerne das Scheinargument,
    dass die Architektur und mit ihr die Gestaltung sich eben weiterentwickelt
    hätten...angesichts folgenden Bildes darf man sich schon fragen, wo und
    welche Entwicklung moderne Architektur widerspiegel.

    Doch, es hat eine Entwicklung stattgefunden: Anstelle der wünderhübschen Waschbetonplatten der 60/70er Jahre nimmt man jetzt feingeäderte Sichtbetonplatten! :zwinkern:
    Man möge mir den Sarkasmus verzeihen...

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Um diesem Strang mal wieder neues Futter zu geben, stelle ich mal ein Objekt ein, welches mir jetzt am Wochenende in Weimar auf dem Teichplatz aufgefallen ist.
    Eigentlich ist dieses nördliche Viertel der Weimarer Altstadt auf einem guten Weg: geprägt durch etliche Kriegslücken, DDR-Abrisse und Verfall durch Leerstand pssiert wieder was und langsam kehrt sich das Schattendasein von einst in ein belebteres Viertel um. Wie man bei der Sanierung nicht vorgehen sollte zeigt sich hier bei dem Haus aus dem 18.Jh.

  • Wirklich kurioses Bild. Die ganze Erdgeschoßzone ist ein Garagentor...anscheinend hat der Hauseigentümer jedoch keine Einfahrtgenehmigung erhalten (Keine Rampe und die frische Parkmarkierung weisen darauf hin).

    Andrerseits kann ich den Eigentümer gut verstehen. Was hätte er sonst aus dem EG machen sollen. Geschäfte braucht dort wahrscheinlich niemand mehr, die gibt s ja alle im EKZ vor der Stadt und im EG wohnen will ja auch niemand.

  • Zitat von "Stefan"

    angesichts folgenden Bildes darf man sich schon fragen, wo und
    welche Entwicklung moderne Architektur widerspiegel.
    Quelle: http://www.rwbilder.de">http://www.rwbilder.de

    Also mir sieht das alles nach temporärer Parkpalette aus. Gab es in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] auch schon. Sicherlich nicht besonders ästhetisch, aber eben auch nur temporär.

    Grüße,
    *D

  • Dase:
    Ich mag mir nicht vorstellen, wie lange das Konstrukt die Umgebung versudelt, wenn man vergleichsweise bedenkt, wie es um die Lebensdauer von Provisorien bestellt ist! :augenrollen:

    Exilwiener:
    Was sich tatsächlich hinter dem industriell-standardisierten Garagentor verbirgt, ich weiß es nicht und doch zeigt Kindvon2dresdnern hier ein typisch banales Beispiel WIE eine solche Situation NICHT zu lösen ist. Ich denke, da gibt es durchaus Möglichkeiten, die den Charakter des Hauses bewahrt hätten..

  • Zitat von "Stefan"

    Ich denke, da gibt es durchaus Möglichkeiten, die den Charakter des Hauses bewahrt hätten..


    Zum Beispiel einfach ein zweiflügeliges Tor, zum aufklappen.

  • Ich glaube ich habe mich geirrt :peinlich:
    Wenn man dieses Luftbild (Blickrichtung Westen)
    http://maps.live.de/LiveSearch.LocalLive?cp=50.98141574894569~11.327982978502007&scene=10768691&style=b&lvl=2&dir=0&tilt=-90&alt=-1000\r
    maps.live.de/LiveSearch.LocalLiv ... &alt=-1000

    mit dem etwas älteren Google Satelitenbild
    http://maps.google.de/maps?near=Weimar&q=Routenplaner&f=p&btnG=Maps-Suche&rl=1\r
    maps.google.de/maps?near=Weimar& ... Suche&rl=1

    vergleicht, lässt sich beim genauen Betrachten feststellen, dass es doch ein Neubau ist.
    Komisch und unästhetisch ist diese Torlösung allemal. Wahrscheinlich fährt der Beitzer permanent Auto...

  • Bis auf die etwas mißratene EG-Situation doch nicht übel, das Häusel (in dem miesen Schlammloch tut sich in letzter Zeit viel positives an Profanneubau, hab ich so den Eindruck). Und selbst der Wagenschlucker kann mit ein paar Kunstgriffen leicht verbessert/umgenutzt werden. Falls erforderlich.
    Die Laden- und Eingangszonen sind immer vom Zeitgeschmack oder besonderen Nutzungen abhängig gewesen, ebenso wie Sanitär oder Energiezufuhr. Schaut so fies aus wie Solaranlagen vor wenigen Jahren oder hölzerne Strommasten entlang der Straßen vor einigen Jahrzehnten. Wer weiß schon, was Hausbesitzer in einer Generation ihren Augen antun müssen, um die Funktionen ingang zu halten...

    Nein, die werden gedünstet

  • Umgang mit historischer Bausubstanz... :schockiert:


    ...bis Ende 2007


    Am Ende 2008

    Angesichts der Vergleichsbilder wundert sich vielleicht der ein oder andere nicht, warum es um das Gestaltungsvermögen in der Do-It-Yourself-Gesellschaft so schlecht bestellt ist...
    Bei diesem Beispiel reißen auch die Sprossen nichts mehr heraus. Das Gebäude wirkt mit seiner Thermohülle nach dem Umbau wie ein beliebiger Neubau mit traditionellen (Rest-)Elementen. Der Altbau ist nach dem Umbau in vielen Details seiner einstigen Wirkung beraubt, auch wenn die rote Farbe und die Wintersonne samt Schnee darüber hinwegtäuschen können. :boese:

    Quelle: http://www.rwbilder.de" onclick="window.open(this.href);return false;\r
    http://www.rwbilder.de

  • Tja, mal wieder ein Beispiel dafür, was passiert wenn man so ein schönes Haus ohne Rücksicht auf seine Formensprache mit Isolierzeugs verkleistert und mit Baumarktputz in modischem Rot verputzt. Hat so´n bisschen was von Gesichtslifting, Falten oder Charakterzüge sind halt unerwünscht.
    Wahrscheinlich wird dieses Haus auch noch als gelungenes Beispiel dafür herhalten, wie man aus einem alten unansehnlichen "klimaschädlichen" Haus, einen modernen "klimabewussten" Wohnraum gestaltet. Wird dann oft in so seltsamen "Lifestyle"-Magazinen im Fersehen gezeigt.

    Das arme Haus.....

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Von diesen Häusern...

    ...findest Du in Freiburg ein ganzes Stadtviertel (Waldsee), viele davon auch wesentlich behutsamer saniert.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Bleibt zu hoffen, daß diese abscheuliche Dämmplattenwelle so bald wie möglich wieder im Orkus verschwindet, weil effektivere und attraktivere neue Techniken zum Energiesparen entwickelt werden. Hier ist die Forschung gefragt.

    Zu dem gezeigten Haus: Ganz schlimm ist die Veränderung bzw. der Abriss der Dachgauben mit den charakteristischen Dreiecksgiebeln. Und natürlich der unnötige Verzicht auf die Fensterläden.

  • ...darfs noch ein bisschen modernischer sein?

    Fern von Neumarkt und [lexicon='Römerberg'][/lexicon] ist DAS der Alltag :boese: In keiner Architekturzeitschrift las ich jemals einen Artikel, der diese Tatsachen angeprangert hätte! ^^ Insofern sind Kritiken an Rekonstruktionen und die Haltung der Denkmalpflege für mich leere Phrase und Heuchelei angesichts solch schleichender Entwicklungen, die offenbar völlig ausgeblendet werden. Wie soll das Gros der Bevölkerung ein Gespür /Augenmaß für Gestaltung haben, wenn es im Kleinen schon nicht (mehr) funktioniert? Inzwischen sehen, so mein Eindruck, alle traditionell gestalteten Gebäude nach einer Generalsanierung so oder ähnlich modernistisch überfrachtet aus. DAS bereitet mir große Sorgen in Bezug auf das zukünftige Erscheinungsbild der bisher verschonten Städte und Dörfer... :augenrollen:

    vorher, bereits modernisiert...

    ...zeigt nachher: schlimmer geht immer!

  • Zitat von "Stefan"

    Fern von Neumarkt und [lexicon='Römerberg'][/lexicon] ist DAS der Alltag :boese: In keiner Architekturzeitschrift las ich jemals einen Artikel, der diese Tatsachen angeprangert hätte!

    Jaja, unsere lieben systematisch verhäßlichten Dörfer... Allein aus meinem Heimatort könnte ich dutzende solcher Vergleiche zeigen (und etliche sind ja auch in der Galerie unter "Bermuthshain - Gestern und heute") zu sehen.
    Leider ist "Ottonormaldenkmalbesitzer" meistens finanziell aber vor allem auch intellektuell mit der "schonenden" Modernisierung alter Häuser überfordert.
    Übrigens: darf man fragen, wo das abgebildete Haus steht?
    Erinnert an die "Vogelsberger Einhäuser" meiner Heimat, nur ist es kein Fachwerk- sondern ein Massivbau.
    Ansonsten ist unschwer zu erkennen, das es sich um ein ehemaliges Bauernhaus handelt, von links Stall, Scheune, Ern (Flur), Wohnstube unter einem Dach.

  • Das wasrder Modernisierungswahn der 60er in den ländlichen Regionen und Dörfern übrig gelassen hat, wird spätestens von Energiepassrenovierungen und sonstigen modernen Zutaten weggefegt werden. Sehe das fast täglich, jedes Haus, was seinen Besitzer gewechselt hat oder an eine jüngere Generation weitergegeben wird, wird erst einmal total umgebaut. Was dabei als erstes rausfliegt sind Fenster und Türen, selbst schön kassettierte Innentüren mit alten Beschlägen wandern vielerorts in den Bauschuttcontainer.
    Was dann von einem alten Gehöft übrigbleibt sieht man ja in den Bildern von Stefan.

    Totaler Verlust von Ortsgeschichte und Ortsbildern! :weinen:

    P.S. Wetten, dass im Innern dieses Hauses Baumarkttüren zu finden sind?

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Letztlich würden hier wahrscheinlich nur Gesetze helfen, die genau festlegen, was beim Umbau und der Sanierung eines alten Gebäudes gemacht werden darf und was eben nicht.

    Energetische Modernisierungen/Renovierungen betrachte ich auch als großes Gefahrenpotential für die Zukunft. Denkmalschutz wird in diesem Zusammenhang scheinbar kaum diskutiert.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Nicht wieder zu erkennen - mit aller Gründlichkeit aufgestockt und kaputtsaniert - bravo! :boese:

    Ich frage mich erneut: Wo bleibt der Aufschrei der Architekten, welche die Baukultur durch Rekonstruktionen am Ende sehen, angesichts solch allgegenwärtiger Tatsachen. Das große Schweigen erstickt ihre Rekokritik im Kern.

  • Aufschrei?
    Bei so einem Haus wohl nicht wirklich. Die meisten Leute sehen in einem Haus des Zustandes vorher, eh nur eine alte Bruchbude. Für diese ist dann die Modernisierung und Aufstockung ein wahrer Gewinn. Ich hör die Anwohner schon sagen: "Endlich ist der olle Kasten wieder schön".
    Es gibt in NRW zig solcher Arbeiterhäuser, die ihr Dasein enstellt und "modernisiert" an vielbefahrenen Straßenrand fristen müssen. Vergleicht man dann alte Aufnahmen solcher Straßenzüge, fällt man meist um, wie schön die Gebäude einst mal waren.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)