Heidelberg - Rekonstruktion des Hortus Palatinus

  • In Heidelberg soll von 2008 bis 2018 der Hortus Palatinus wiederhergestellt werden, der dann wieder der schönste Renaissance-Schlosspark nördlich der Alpen sein wird. Am Mittwoch hat der Heidelberger Unternehmer Hans-Joachim Wessendorf die Öffentlichkeit über die Pläne informiert. Eine Stiftung ist gegründet, Heidelberger Bürger und Unternehmen der Region haben bereits mehrere Millionen an Spenden für die Stiftung aufgebracht, die Finanzierung ist damit bereits weitgehend gesichert. Das baden-württembergische Finanziministerium begrüßt den Vorstoß, eine Entscheidung der Landesregierung steht aber noch aus. Die Denkmalschutzbehörden haben sich noch nicht geäußert. Betreut werden soll der Garten nach streng denkmalpflegerischen Gesichtspunkten durch eine gemeinnützige Betriebsgesellschaft, die von der Stiftung und dem Land Baden-Württemberg getragen werden soll. Die Unterhaltung des Gartens soll später aus Eintrittsgeldern finanziert werden.

    Die Rekonstruktion kann sich auf die hervorragende und detaillierte Dokumentation durch den Entwerfer des Gartens, Salomon de Caus stützen. Heute besteht der Garten aus teilrekonstruierten Terrassen der Entstehungszeit und einem Landschaftspark, der durch zahlreiche Baumfällungen stark ausgedünnt ist und im östlichen Teil Waldcharakter hat. Wie der Garten einmal aussehen wird, kann man sich als guten Vergleich im Park von Villandry an der Loire ansehen. Dort wurde in den zwanziger Jahren von einem spanischen Arzt ein Renaissancepark rekonstruiert, der heute neben Versailles zu den schönsten und meistbesuchten Gärten Frankreichs zählt.

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    http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/1514251">http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page ... hp/1514251
    http://www.hortus-palatinus.de">http://www.hortus-palatinus.de
    http://www.chateauvillandry.com">http://www.chateauvillandry.com

  • Zitat

    eine Entscheidung der Landesregierung steht aber noch aus. Die Denkmalschutzbehörden haben sich noch nicht geäußert.

    Uiuiui... Mal sehen, ob die jetzt weiter sind als Dehio vor 100 Jahren!

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Sehr schön ! Wenn man bei google earth schaut, ist da wohl jetzt nur eine grüne Wiese mit ein paar Bäumen. Eine Rekonstruktion wäre sicherlich ein neues Highlight für Heidelberg ! :D

  • Zitat von "Oliver"

    Mal an die Gartenexperten: Wie sahen denn die Gärten in der Romanik und Gotik aus ? Gab es da auch geometrische Strukturen ?

    Mit Sicherheit gab es da auch geometrische Strukturen. Sei es der St. Gallener Klosterplan von 825, allegorische Gartenbeschreibungen etwa im Rosenroman (um 1230) oder in Albert des Großen gartentheoretischem Werk "De Vegetabilibus" (um 1260).

    Aus letzterem ein kleines Zitat: "Zu beachten ist aber, dass außen um das Rasenquadrat herum Duftkräuter aller Art gepflanzt werden können (...) Zwischen diesen Kräutern und dem Rasen, am Rande des Rasenquadrats entlang, soll ein etwas erhöhtes Rasenstück sein, das blühend und anmutig ist, und gleichsam zur zur Hälfte als Sitzgelegenheit eingerichtet, damit dort die Sinne Erquickung fänden und die Menschen sich niederlassen könnten zu vergnüglicher Ruhe."

    Quelle: Wimmer: Geschichte der Gartentheorie

  • Charakteristisch für den mittelalterlichen Garten, sofern er nicht als reiner Nutzgarten für Ernährung oder Medizin diente, war der "Hortus conclusus", der von der Umwelt abgeschirmte, am liebsten durch schützende Mauern eingefriedete Rückzugsort. Ein großer Reichtum an Kräutern, Blumen, Obstbäumen galt als erstrebenswert.
    Seit der Antike, sogar seit altägyptischen Darstellungen sind detaillierte geometrische Gartenpläne mit symmetrischen Wasserbassins, Dattelpalmen-Alleen und Pflanzungen überliefert. Römische Villen hatten ebenfalls geometrische aufwändige Gartenanlagen mit Kolonnadengängen, Statuenschmuck und üppigen Pflanzungen. Die geometrischen mittelalterlichen Gärten knüpfen daran ebeso an wie die geometrischen Gärten der islamischen Kunst (Alhambra!). Das schönste Bild eines mittelalterlichen Hortus conclusus als idealer Ort zum Lesen, Musizieren, Obstpflücken und Blumenbetrachten ist das Paradiesgärtlein von 1410, das in Frankfurt im Städel hängt. Man erkennt darauf eine Menge verschiedener Kräuter, Blumen und Singvögel und kann sich gut vorstellen, wie die Gärten genutzt wurden (z.B. bei wikipedia unter Paradiesgärtlein).

    Die Renaissancegärten, die in Italien ab dem 15. Jahhundert entstanden, beendeten die Tradition des umschlossenen Gartens und brachten eine Öffnung zur Landschaft. Terrassen auf einer Anhöhe sollten dazu dienen, weite Blicke zu ermöglichen, prächtige Freitreppen machten das Auf- und Absteigen zum sinnlichen Erlebnis. Diesem Renaissanceideal der Befreiung aus mittealterlichen Begrenzungen folgt auch der Heidelberger Garten.

  • Ich finde dies auch ein wunderschönes Projekt, dass man unbedingt machen sollte. Wenn die Finanzierung gesichert ist steht dem doch eigentlich nichts mehr im Wege.
    Das Heidelberger Schloss muss wohl die schönste Renaissance-Residenz im dt. Raum gewesen sein, und stand den Schlössern an der Loire in nichts nach.
    Leider war König Ludwig XIV. von Frankreich kein guter Nachbar, er betrieb Wandalismus in den Häusern und Gärten seiner Nachbarn. Manchmal bezog er sie auch einfach und fügte sie zu seinen eigenen, das nannte er "Wiedervereinigung" (frz. réunion) Ein speziel dafür gebildetes frz. Gericht legalisierte das dann im Nachhinein (frz. chambres de réunion) In der frz. Geschichtsschreibung heissen solche annexionen bis Heute "réunions"
    Die Pfalz wurde im Pfälzischen Erbfolgekrieg nicht mit Frankreich wiedervereinigt, sondern nur abgebrannt. Vom Heidelberger Schloss blieb die ausgebrannte Ruine, der ma. Bergfried wurde extra gesprengt und steht noch zur Hälfte.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Wer das Projekt unterstützen möchte, kann dies mit einer E-Mail an die Initiatoren tun. Die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit ist gerade in Gange und wird auch Einfluss haben auf die Entscheidung des Landes Baden-Württemberg als Eigentümer des Heidelberger Schlosses und Schlossgartens. Einen Blog zum Wiedererstehen des "Pfälzer Gartens" gibt es in der Regionalzeitung, der RNZ (dort unter den Topblogs unten rechts auf der Seite).

    mailto:info@freunde-hortus-palatinus.de">info@freunde-hortus-palatinus.de
    http://www.rnz-blog.de">http://www.rnz-blog.de

    Deutliche Zustimmung kam bereits vom Oberbürgermeister und der leitenden Tourismusmanagerin. Kritische Reaktionen von Heidelberger Bürgern werden durch die Presse zwar veröffentlicht, spielen sich aber bis jetzt teilweise auf einem eher provinziellen und kleinlichen Niveau ab: So gab es eine Leserbefragung gegen ein geplantes Eintrittsgeld für den rekonstruierten Garten (15 Euro Jahresgebühr für Heidelberger Bürger bzw. 3 Euro Aufpreis für den Garten zusätzlich zum Schlosseintritt, der bei 5 Euro liegt).
    Eine Anwohnerin will in ihrem ruhigen Villenviertel nebenan nicht durch irgendwelche Veränderungen gestört werden und plant deshalb, eine Bürgerinitiative gegen die Rekonstruktion zu gründen.

    Ernster zu nehmen sind dagegen Stimmen, die den derzeitigen Baumbestand des Parks erhalten wissen möchten, weil bereits in der Zeit der Romantik ein naturnaher Baumgarten prägend war für das Ensemble aus Schlossruine und Schlossgarten. Heidelberg war bekanntlich eines der Zentren der deutschen Romantik. Goethe hat im Schlosspark mit Marianne von Willemer eines seiner Hauptwerke, den Westöstlichen Divan gedichtet. Allerdings ist der heutige Zustand des Gartens nur noch wenig vergleichbar mit demjenigen zur Zeit der Romantik. Damals gab es dort einen forstbotanischen Nutzgarten, der später teilweise zu einen Landschaftspark umgestaltet wurde. Im 20. Jarhundert folgten jedoch vielfache Veränderungen, die den Park wieder dem Renaissancecharakter angenähert haben. Geschlängelte Wege wurden begradigt, ein natürlich aussehender Teich durch rechteckige Wasserbassins ersetzt, die Renaissance-Terrassen mit ihren Balustraden wiederhergestellt und mehrere Bauwerke des 19. Jahrhunderts aus dem Garten entfernt. Zwischenterrasse und Hauptterrasse Süd bestehen nach wiederholten Baumfällungen heute vor allem aus Rasenflächen; verwilderten Waldcharakter hat dagegen zur Zeit die Hauptterrasse Ost, wo sich mit dem Irrgarten einer der Höhepunkte des Renaissanceparks befand.

    Es ist sicher richtig, dass prägende Landschaftselemente aus der Zeit der Romantik als wichtige Zeitdokumente bewahrt werden sollten. Allerdings gibt es diese heute reichlich außerhalb der Renaissanceanlagen: die Berghänge oberhalb und unterhalb des Gartens mit prachtvollem Baumbestand, der Schlossgraben sowie der "Stückgarten" am Hauptzugang zum Schloss, der nie Teil des Renaissanceparks war, heute jedoch als naturnaher Park gestaltet ist. Gerade der Stückgarten ist heute mit einer Goethegedenktafel ein wichtiger Erinnerungsort an die Zeit um 1800. Das kann auch genauso bleiben. Einzelne wertvolle Bäume könnte man bei der Neuanlage des historischen Parks in die Gartengestaltung integrieren. Der Renaissancegarten war jedoch künstlerisch weitaus bedeutender als alle späteren Umgestaltungen und sollte deshalb im Zweifel Vorrang haben bei der Neugestaltung.

  • Besten Dank Vitruv und Mathias, für die Ausführungen zum mittelalterlichen Garten. Besonders interessant finde ich, daß Albertus Magnus auch ein Buch zum Garten geschrieben hat. Hat Hildegard von Bingen nicht auch ein Buch zum Garten geschrieben ? :keine ahnung:

  • Über das Rekonstruktionsprojekt kann man sich jetzt auch in einem Infozentrum ein Bild machen. Wer Heidelberg besucht, findet es unmittelbar am zentral gelegenem Bismarckplatz, im Darmstädter-Hof-Centrum, Sofienstraße 7. Von 13 bis 18 Uhr stehen täglich außer am Sonntag kompetente Ansprechpartner, vor allem Schlossführer, bereit für Erläuterungen und die Beantwortung von Fragen zur Rekonstruktion. Es gibt ein Modell des Renaissancegartens, zahlreiche Abbildungen und Pläne, ein Gästebuch für Anregungen und Kritik sowie Informationsmaterial zum Mitnehmen. Vorbild war für den Initiator Hans-Joachim Wessendorf übrigens das Infozentrum zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses.

    Seit die Öffentlichkeit über das Projekt informiert wurde, gab es eine Welle der Zustimmung, aber auch der Kritik, bis hin zu persönlich verletzenden Äußerungen gegenüber dem Initiator.
    Immer wieder werden Bedenken gegenüber möglichen Baumfällungen im Schlosspark geäußert. Allerdings sollen alle wertvollen Bäume erhalten bleiben und in den wieder entstehenden Renaissancegarten integriert werden. Erst wenn es aus Sicherheitsgründen oder wegen Baumkrankheiten erforderlich ist, sollen sie weichen.
    Manche Kritiker meinen, zur Schlossruine passe nur ein Landschaftsgarten. Wenn man den Renaissancegarten wiederherstelle, dann könne man ja gleich das Schloss wiederaufbauen! - Wer sich so äußert, hält natürlich Rekonstruktionen grundsätzlich für Teufelszeug und hat noch nicht mitbekommen, dass seit der Frauenkirche einiges in Deutschland in Bewegung gekommen ist.
    Davon abgesehen war der Renaissancegarten mit seinem Achsensystem relativ unabhängig vom Schloss angelegt.
    Von der ursprünglichen Gartenanlage soll übrigens weniger als die Hälfte wiederhergestellt werden. Die anderen Teile des Parks sollen Züge eines Landschaftsparks als Hinweis auf die Epoche der Romantik behalten.

    Es wäre schön, wenn auch von außerhalb Leserbriefe an die Heidelberger Lokalzeitung RNZ kämen, um das Projekt zu unterstützen. Die E-Mails müssen nicht lang sein. Das Stichwort ist "Hortus Palatinus". Unter "Ansprechpartner" muss "Leserbriefe Lokal Heidelberg" stehen.

    http://rnz.info/RNZ_Kontakt/Leserkontakt/rnz_lesrbriefe.php\r
    rnz.info/RNZ_Kontakt/Leserkontak ... briefe.php


    Oliver

    Den Namen Hildegards von Bingen findet man tatsächlich auch, wenn es Gartenliteratur geht. Ihr Buch Naturkunde (Physica) gibt mit seinen Informationen über Heilpflanzen indirekt Hinweise über die Pflanzenauswahl mittelalterlicher Heilkräutergärten.

  • Danke, Mathias. Der hortus palatinus ist ein schoenes Projekt wo uns hoffentlich der Denkmalschutz zur Abwechlung mal nicht reinspucken kann! :gg:

    Die RNZ hat mir soeben fuer meinen Beitrag (nur 2 Saetze) gedankt. Aber immerhin war es ein Schreiben aus dem Ausland. ;)

  • Pilaster, vielen Dank für Deine Unterstützung aus dem - ziemlich fernen :zwinkern: - Ausland! Allen anderen, die geschrieben haben, gilt gleichfalls Dank!

    Um die Wiederherstellung des Hortus Palatinus und die Ziele der gleichnamigen Stiftung zu unterstützen, haben ein Heidelberger Softwareunternehmer und weitere Bürger jetzt einen Verein gegründet, die "Gesellschaft der Freunde des Hortus Palatinus". Laut Satzung sollen möglichst viele Bürgerinnen und Bürger für das Projekt gewonnen und begeistert werden. Eintragung und Anerkennung als gemeinnützig werden angestrebt. Auf einer Internetpräsenz wurden bereits erste wichtige Informationen zum neuen Verein veröffentlicht. Dort findet man auch schon Mitgliedsanträge, die ausgedruckt und ausgefüllt werden können.

    http://www.hortuspalatinus.org">http://www.hortuspalatinus.org

    Das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg hat in einer Stellungnahme zu einem Antrag von Landtagsabgeordneten weitere Einzelheiten veröffentlicht. An der grundsätzlichen Unterstützung der Initiative zur Rekonstruktion hält die Landesregierung darin ausdrücklich fest: "Die Landesregierung begrüßt privates Engagement."
    Laut Finanzministerium sehen die Ziele der Stiftung vor, bei einem Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro in der Umbauphase 8 Millionen Euro Anschubfinanzierung aus von der Stiftung eingeworbenen Spendengeldern zur Verfügung zu stellen. Das Land soll 2,4 Millionen Euro für ein Informationszentrum investieren. Die weiteren Kosten sollen aus den laufenden Einnahmen gedeckt werden. (Anmerkung: Das Heidelberger Schloss ist mit seinem Garten das meistbesuchte Schloss in Baden-Württemberg und kann bei derzeit über einer Million zahlenden Besuchern pro Jahr in Zukunft ausreichende Einnahmen erzielen, wobei die Gartenrekonstruktion die Attraktivität des Ensembles noch deutlich steigern wird.)

    http://www.landtag-bw.de/WP14/Drucksachen/1000/14_1720_d.pdf">http://www.landtag-bw.de/WP14/Drucksachen/1000/14_1720_d.pdf

  • Bei den Heidelberger Bürgern zeichnet sich immer mehr Zustimmung für den wiedererstehenden Hortus Palatinus ab. Während Gegner immer noch glauben, mit dem wenig originellen Schlagwort "Disneyland" die Rekonstruktion kippen zu können, zieht das Infozentrum täglich 40 bis 50 Besucher an, von denen knapp 75% den neuen Schlossgarten befürworten. Mit dem Ministerium sind nur noch wenige Details zu klären, dann können konkrete Planung und Umsetzung beginnen.

    http://www.rnz.de/RNZ_HDKreis/00…_existiert.html">http://www.rnz.de/RNZ_HDKreis/00_2007102309210 ... tiert.html

  • Die mit ihrem Disneyland. Ist dann der Pavillion von Barcelona oder das Bauhaus in Dessau auch Disneyland. Einfach peinlich diese Sprüche von unterduchschnittlichen Architekten !

  • Ich finde es auch nur noch peinlich, dass die Rekonstruktionsgegner und Modernisten letztendlich immer auf dieses eine Schlagwort zurückgreifen, wenn ihnen sonst nichts mehr einfällt. :blah: :peinlich: