Krakau (Galerie)

  • Zurück zum Platz bei der Kreuzung in der Stadtmitte, dessen Name nicht nur unaussprechlich sondern auch unschreibbar ist. Seht ihn euch einfach auf der Karte an, aber das sind mir zu viele Konsonanten auf einem Haufen.

    Jedenfalls steht hier das angeblich einzige moderne Gebäude in der Innenstadt, das im Forum auch bereits schon diskutiert worden ist. Mir gefällt´s recht gut, allerdings werden sich die meisten über diese Aussage jetzt aufregen.

    Von hier nach Süden führt die Grodzka mit beeindruckenden mittelalterlichen Bürgerhäusern, die leider oder nicht leider fast zur Gänze frühhistoristische Fassaden haben. Besonders im Ensemble mag ich diese strengen, schlichten, aber oftmals kleinteiligen Gliederungen, wenn mir auch ältere Fassaden lieber wären.

    An der Ecke zur Poselska befindet sich eines der wenigen Krakauer Barockpalais.

  • Im weiteren Verlauf der Grodzka treffen wir auf den kleinen Plac Sw. Marii Magdaleny, an dem zwei der großartigsten Krakauer Kirche stehen.

    Die Peters- und Paulskirche, oder wie man den Namen auch immer ins Deutsche übertragen mag, ist mit einer Länge von 70 Metern nicht nur einer der größten Sakralbauten der Stadt, sondern als erster Barockbau der Region auch einer der bedeutendsten. Der Architekt Giovanni Maria Bernadoni (und das ist jetzt wirklich erzitalienisch, lieber ursus!) errichtete sie 1597 - 1619. Ganz klar, welches römische Initialwerk des Barock als Vorbild diente.

    Rund ein Jahrhundert nach Vollendung der Kirche stellte man am Vorplatz Statuen der zwölf Apostel auf.

    Ein Bild des nüchternen, aber monumentalen Innenraums.

  • Direkt südlich des im vorigen Beitrag gezeigten Sakralbaus steht die kleine, aber nicht minder bemerkenswerte St. Andreaskirche. Sie wurde tatsächlich noch im späten 11. Jahrhundert (angebl. 1079-98) erbaut und erfüllte nebenbei auch lange Zeit eine Wehrfunktion. Sie überlebte Kriegswirren, Katastrophen, sogar die Neuanlage Krakaus im 13. Jahrhundert (sie befindet sich ja innerhalb des fast 200 Jahre nach ihrer Errichtung angelegten Mauerrings) und hat ihr romanisches Erscheinungsbild ganz gut wahren können (der heutige Zustand geht offensichtlich auf Entfernungen jüngerer Fassaden zurück).

    Der eigentlich winzige Innenraum wurde in der Barockzeit vollkommen umgestaltet, man würde gar nicht glaube, dass das Gebäude älter als 300 Jahre ist, hätte man nicht die Fassade gesehen. Den kleinen Dimensionen entsprechend ist die Ausstattung wunderbar überreich ausgefallen, ein ganz sonderbarer, aber sehr reizvoller Raumeindruck ist die Folge.

    Sogar eine Fischerkanzel gibt es!

  • Gegenüber der beiden Kirchen befindet sich jener kleine Maria-Magdalena-Platz.

    Wir folgen der parallel zur Grodzka verlaufenden Kanonicza (die zum Wawel führt), an der sich einige der schönsten Krakauer Häuser befinden.

    Wir befinden sich jetzt am südlichen Ende der Altstadt, direkt vor dem Wawel (großer Fleck links unten). Die vergangene und weitere Route könnt ihr also auf der Karte nachvollziehen.

  • Nun kommen wir zu einem der Höhepunkte Krakaus, dem Wawel. Der Berg, der an seiner Spitze die atemberaubende Höhe von 228 Meter über dem Meer erreicht, ist ein Ausläufer des sog. Krakau-Tschenstochauer Juras, einem Karstgebirge - unter dem Wawel gibt es sogar eine beachtlich große Höhle.

    G e s c h i c h t e: Wahrscheinlich befanden sich auf dem Berg schon heidnische Kultstätten, im Frühmittelalter erlangte er schon eine gewisse Bedeutung. 1000 wurde der Hügel zum Bischofssitz, 1038 zum Residenzberg. Eine Kathedrale von beachtlichen Ausmaßen (ca. Jahrtausendwende) wurde schon 1080 neu errichtet, 1321 folgte ein weiterer Neubau, der schon 1364 abgeschlossen werden konnte - diese für das 14. Jahrhundert in Rekordzeit aufgezogene Kirche steht heute noch. Auch das Schloss wurde zur Zeit der Gotik groß ausgebaut, allerdings brannte es im späten 15. Jahrhundert nieder. Die Renaissance zog in Krakau bemerkenswert früh ein - 1507 wurde mit der Neuerrichtung des Palastes im neuen Stil begonnen, 1536 wurden die Bauarbeiten im wesentlichen abgeschlossen, während des gesamten 16. Jahrhunderts folgten allerdings weitere Baumaßnahmen. 1595 brannte das Schloss allerdings ab, im nächsten Jahr wurde in Folge die Residenz nach Warschau verlegt. Trotzdem stellte sich am Wawel keineswegs Stillstand ein - das Schloss wurde wieder aufgebaut und erhielt außerdem eine neue, äußerst wehrhafte Befestigungsanlage. Auch die Kathedrale wurde munter erweitert und verändert, und das auch im 18. Jahrhundert, in dem die Schlossbauten allerdings kaum verändert wurden. Als Krakau 1795 österreichisch wurden, machte man der Berg zur Kaserne und vergewaltigte ihn in schlimmster Weise - zahlreiche Gebäude, u. a. auch Kirchen, wurden niedergerissen, die schlimmsten Schäden machte man im frühen 20. Jahrhundert wieder rückgängig. Heute dienen die Gebäude zu großen Teilen als Museum. Der ehemalige Renaissancegarten des 16. Jahrhunderts wir derzeit rekonstruiert.

    Nach einer Menge an trockenem Text zu den Bildern:

    Blick von einer der Basteien auf die Straszewskiego (Teil der Ringstraße):

  • Nach dem Betreten des befestigten Wawel-Areals treffen wir sofort auf die Kathedrale, ein äußerst beeindruckendes Konglomerat aus den unterschiedlichsten Bauteilen aus den unterschiedlichsten Zeiten, die sich lebendig um den gotischen Kern aus dem 14. Jahrhundert (dreischiffige Basilika mit Querschiff und geradem Abschluss) scharen.

    Aufgrund des Zeitmangels war ich - Schande über mich! - nicht im Inneren des vollkommen touristenüberströmten Sakralbaus, deswegen müsst ich euch mit Bilder aus dem Internet begnügen: Chor; Blick nach Westen mit Querschiff; und noch einmal der Chor.

  • Neben der Kathedrale steht das prächtige Schloss mit dem berühmten Renaissance-Laubenhof.

    Nordwestecke: (Zu beachten das geradezu expressiv verstäbte spät/nachgotische Portal links unten! :anbeten: )

  • Südwestlich von Schloss und Kirche liegt der große, einst verbaute Hof (Er wurde nch 1795 zum Exerzierplatz, weshalb man sämtliche Verbauung dem Erdboden gleich machte); einst nur untertägig erhaltene Reste von Gebäuden hat man frei gelegt. Rechts im Bild übrigens ein angepasster Zubau aus der NS-Zeit.

    Wir verlassen nun den Wawel über die Zufahrt im Westen, die zurück zur uns ja schon bekannten Grodzka führt (siehe Schild am zweiten Bild).

    Noch ein letzter Blick auf das Schloss, das nach außen hin seine mittelalterliche Gestalt weit besser hat bewahren können.

    Im Bereich der ehemaligen Befestigung ist hier ein großer, unregelmäßiger Platz entstanden; gerade noch innerhalb der ehem. Mauern befindet sich die kleine Anlage der gotischen Sv.-Idziego-Kirche mit einem Barockgebäude unbekannten Zwecks.

    Ab hier heißt nun jene altstadtdurchquerende Hauptachse Grodzka. Nicht einmal 150 Meter vom derzeitigen Standpunkt befindet sich uns schon bekanntes.

    Zurück aber in Richtung Süden, ins ehemalige Judenviertel jenseits der "Insel".

  • Am Rande der einstigen Glacis steht die Kirche St. Bernhard, die zu einem Kloster mit Mönchen eines reformierten Zweiges der Franziskaner gehörte. Ungünstig gelegen wurde der Bau des 15. Jahrhunderts 1655 von den Schweden zerstört. 1659-1680 erfolgte der Neubau - es entstand eine Frühbarockkirche, die mir persönlich außerordentlich gut gefällt.

    Das Äußere wirkt ja eher gedrungen und unspektakulär...

    ...aber der Innenraum ist sehr beeindruckend: Die Steigerung von Westen nach Osten (Blödsinn, die Kirche steht falsch herum: Von Osten nach Westen also!) und zum Hochaltar hin ist perfekt inszeniert. Die folgenden drei Bilder veranschaulichen das hoffentlich ganz gut.

    Kuppel:

  • In Fortsetzung der Grodzka führt der Rundgang auf der Stradomska in Richtung Süden bzw. Kazimierz. Die Bebauung ist größtenteils gründerzeitlich.

    Hier steht auch die Kirche St. Pauli Bekehrung, die laut Internet 1719-28 errichtet wurde - das zu glauben, fällt mir schwer. Der ganze Bau wirkt doch sehr Spätbarock/klassizistisch. Aber gut, mit polnischem Barock kenne ich mich nicht recht aus.

    Oder geht die heutige Erscheinung des Gebäudes auf einen Umbau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück? Was für ein eigenartiges Gebäude.

    In meiner Erinnerung war die Verbauung außerhalb der Altstadt durchwegs gründerzeitlich - ich habe mich damals stark gewundert, was mit den ganzen vorindustriellen Häusern passiert ist. Wenn ich mir jetzt die Fotos ansehe, wird mir erst klar, dass sich Kazimierz sehr wohl mittelalterliche und frühneuzeitliche Verbauung erhalten hat - sogar eine ganze Menge. Es sind halt wirklich alle Häuser im 19. Jahrhundert umgestaltet und übergangen worden. Aber wieso ist mir damals nicht aufgefallen, dass die Mauern dick und schief und die Durchfahrten gewölbt sind? Muss wohl an Reizüberflutung liegen...

    Vielleicht liegt es auch daran, dass ich wirklich erschrocken vom schlechten Zustand der Bauten war - ist innerhalb der ehem. Mauern alles perfekt renoviert und herausgeputzt, plattet in den einstigen Vorstädten von so gut wie jedem Haus der Putz ab. Dabei hat man gar nicht das Gefühl, sich in einem verarmten, heruntergekommenen Stadtteil zu befinden. Es liegt kein Müll auf der Straße, es sitzen keine Bettler herum und die Menschen, die man sieht, sind keineswegs arm und wirken nicht so, als könnten sie sich eine Hausrenovierung nicht leisten! Ich habe gehört, die Leute lassen die Häuser absichtlich in diesem Zustand, um keine Einbrecher anzulocken. Weiß nicht, ob das stimmt...

    Gleichzeitig macht Kazimierz den Eindruck, ein junges, auch ein bisschen alternatives Viertel zu sein. Abseits der Touristenpfade sieht man hier viele Bars und Lokale, offensichtlich leben viele Studenten hier.

  • Von den vielen Synagogen bin ich nur an einer vorbeigekommen, der Kupa-Synagoge (Straße Jonatana Warszauera), im Kern aus dem 17. Jahrhundert, umgestaltet ca. 1830. Der Mauerrest auf dem zweiten Bild gehörte scheinbar zu einer ehemaligen Ummauerung von Kazimierz, wobei ich nicht weiß, wie groß und wehrhaft diese Befestigung einst war und welche Stadtteile sie einschloss. Die Informationslage im Internet ist schlecht, vielleicht weiß ja einer von euch mehr?

    Mit dem Anpreisen der Verkaufsgüter geht man hier sehr offen um ^^

    In der Miodowa steht ein wirklich eigenartiger Neubau...

    In Kazimierz war ich leider nur kurz, dabei hätte es so viel zu sehen gegeben! Zahlreiche Kirchen, Synagogen, Bürgerhäuser - leider blieb keine Zeit. Sollte jemand nach Krakau kommen, solle er sich nicht nur in der Innenstadt sondern auch südlich davon umsehen! Die weniger bekannten bzw. touristenüberfluteten Sehenswürdigkeiten sind ja bekanntlich meistens die schöneren.

  • In Richtung Osten schließt ein Viertel an, das im 19. Jahrhundert wirklich vollständig neu angelegt worden war. Abfassadierte Häuser findet man praktisch nicht (!), gleich verhält es sich mit Gebäuden, die nicht so aussehen, als ob sie seit Jahren leer stünden. Was für eine interessante Stadt.

    Nun, das wäre es aus Krakau.

  • Tolle Bilder! "Abfassadiert", noch nie gehört - du meinst entstuckt?

    Interessante Entwicklung an Krakaus Hauptpfarrkirche:

    Krakaus Peter-und-Pauls-Kirche:
    Polens Pantheon

    Katholizismus pur? Wer im polnischen Krakau vorbeischaut, soll nicht nur auf den Spuren Johannes Paul II. wandeln. Die Peter-und-Pauls-Kirche dort wird zur Gedenk- und Grabstätte großer bedeutender Polen umgestaltet.

    http://www.faz.net/aktuell/feuill…n-13477324.html

  • Danke! Ja, ich kenne "entstuckt" auch oder sogar in erster Linie als abfassadiert. Keine Ahnung, ob das nur umgangssprachlich ist. Die Autokorrektur unterstreicht beide rot ^^

  • Da hier im ersten Beitrag der Krakauer Hauptbahnhof erwähnt wird: Das gezeigte Hauptgebäude ist dichtgemacht, der Bahnhof in den Erdboden hinein verlegt, Eingang über Einkaufszentrum. GRUSELIG

    Herzliche Grüße

    Bilder von mir finden sich auch bei Wikimedia.

    Einmal editiert, zuletzt von Wangener (1. Mai 2017 um 01:30)

  • Es ist wirklich jammerschade, wenn ein Gebäude, daß fast 170 Jahre lang seinen Dienst getan hat, nun offenbar nicht mehr dafür geeignet gehalten wird. Dieses Auflösen von Kontinuitäten, auch von räumlichen, das ist das, was oft entwurzelt und entfremdet.
    In den Schalter- und Warthallen des Bahnhofs habe ich als Kind mal gefühlt drei Tage und Nächte gewartet (bestimmt war es nur eine Stunde ;) ) und sie waren noch voller Leben und Betriebsamkeit und es hat sich bei mir ein herrliches Bild von Bahnhof eingeprägt, wie man es in Deutschland kaum noch kennt. Auch im Jahre 2004 oder wann das war, gab es dort keinerlei Automaten sondern jeder Schalter war noch besetzt.
    https://photos.smugmug.com/Architecture/K…/_PK11924-S.jpg
    https://photos.smugmug.com/Architecture/K…/_PK11919-S.jpg

    Noch ein Link zu einer Galerie zum verwaisten Innenleben des Bahnhofs, nicht alles stilecht aber dafür doch von einer recht schönen und schlichten Eleganz (die üppig eingesetzen Kronleuchter an der 90er-Jahre-Deckenabhängung haben freilich auch ihren skurillen Reiz, sowieso es könnte gut und gerne der Bahnhof mit den meisten Kronleuchtern überhaupt sein ;) )

    http://www.bryla.pl/bryla/51,85301,17249688.html?i=4

    Es ist einfach nur traurig, den Bahnhof als einen ehemaligen Dreh- und Angelpunkt der Stadt so leer und tot zu sehen. Damit hat die Stadt ein wirklich einen Ort verloren, der einen Teil ihrer Identität ausmacht. Vielleicht nicht ihre kunshistorische oder touristische Identität aber eben ein Teil echtes Krakauer Leben, daß damit für immer eingebüßt wurde.

    Der Eisenbahnverkehr ist in Polen schon lange ein Stiefkind (der meiste Fernverkehr läuft schon seit Sozialismuszeiten über Busse) und so wie es aussieht ist der neue Bahnhof strukturell kleiner (zB nur 10 statt 11 Gleise). Wäre es umgekehrt gewesen so wäre der alte Bahnhof wie in Warschau schon in den 30ern oder 60er Jahren gefallen und vergrößert oder ganz neu angelegt geworden als die Bahn als Verkehrsmittel die letzten großen Spitzen erreichte.

    2 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (18. Juli 2017 um 00:57)