• Gut, die österreichische Geschichtspolitik ist sowieso ein Fall für sich.

    Nach manchen österreichischen Verlautbarungen beherrschte offenbar nicht Österreich die Völker in seinem Reich, sondern genau umgekehrt. Wien muß demzufolge schon lange vor 1806 der kulturelle Brennpunkt der west- und südslawischen Nationen gewesen sein - das einzig "Deutsche" vielleicht der Kaiser und selbstverständlich die negativen Seiten der langen Geschichte. Inzwischenzeitlich galts sogar, den tiefprägenden tschechischen Einfluß nördlich der Donau zu beweisen...oder dem Land selbst zu einem slawischsprachigen Namensursprung zu verhelfen.

    Erinnert beinahe an DDR-"Geschichtsbücher", nach der die deutsche Kultur in der DDR mehr oder weniger ein furchtbarer Irrtum der Geschichte zuungunsten des slawischen Frühgeschichtsparadieses gewesen ist - Thüringen und den Harz eingeschlossen.

    Nein, die werden gedünstet

  • Das Wissen über beispielsweise Schlesien ist doch bei den heutigen Bundesbürgern praktisch Null - kein Interesse und an der Schule auch kein Thema. Und wenn es doch jemand mal anspricht, wird er sofort in eine rechte Ecke abgeschoben, nur weil er es vielleicht nicht widerspruchslos akzeptiert, trotz individueller Schuldlosigkeit allein aufgrund des Wohnorts alles entschädigungslos verloren zu haben (siehe Zentrum gegen Vertreibung, was ja so politisch korrekt konzipiert wurde wie nur irgend möglich*).

    Ich kann mich erinnern, daß wir in der Kollegstufe wieder mit dem Kaiserreich anfingen und dann den Zeitraum von 1933 bis 1945 so endlos lange behandelt haben, daß für die nachfolgende Zeit vielleicht noch 90 Minuten übrig waren.

    Aha, es gab also 12 Millionen Vertriebene. In 10 Sekunden schnell mitgeschrieben, dann gleich Währungsreform und Grundgesetz. Oh, Stunde schon vorbei - macht nichts, im Abitur kommt eh nur die Zeit bis 1945 dran.

    Gipfel des Nicht-Wissens die Aussage von Herrn Beck von den Grünen, es "sei möglich, daß Deutsche aus Polen vertrieben wurden". LOL Egal, ob Zypern, Palästina oder namentlich nicht mehr bekannte Ethnien aus Darfur - stets ist man "betroffen" und tritt für die Rückkehr der Vertriebenen ein. Nur für die eigenen Bürger gilt dies natürlich nicht.

    Daß Niederschlesien mit 96 % deutscher Bevölkerung genauso ein deutsches Land war wie Hessen oder Baden (wo ja heute der deutsche Bevölkerungsanteil in den Großstädten bestenfalls noch bei 75 % liegt), weiß wohl keiner mehr.

    Mich würde mal interessieren, was passiert wäre, wenn sich die Franzosen Baden einverleibt hätten. Müßten wir dann alle politisch korrekt von Charlesrepos statt Karlsruhe sprechen?

    Lustigerweise haben ja die Leute, die heute so sehr für Multikulti eintreten, überhaupt keine Ahnung davon, daß eben viele Regionen früher tatsächlich gemischt besiedelt waren, speziell auch Böhmen.

    *wobei es ja geradezu absurd ist, die eigene Geschichte aus der Opferperspektive praktisch nur als Fußnote im Kontext praktisch weltweiter Geschehnisse aufarbeiten zu können, während ja umgekehrt die Täterrolle ganz konkret thematisiert werden kann - schließlich erinnert das Holocaust-Mahnmal ja nicht auch in Personalunion an die Ausrottung von Indianern, Inkas, Armeniern, Aramäern, Tutsi usw.

  • Bei der gegenwärtigen EU-politischen Entwicklung wird man östlich von Oder und Bayrischem Wald in fünfzehn Jahren der goldenen Zeit hinterhertrauern, als die EU ein bedeutsames und zukunftsreiches Unternehmen und man selbst Teil davon war.

    Schuld am Scheitern, an der schrittweisen Abwendung Westeuropas von der bisherigen EU und der Gründung der WWG (Westeuropäische Wirtschaftsgemeinschaft) werden selbstverständlich die Deutschen gehabt haben.


    Aber wen kümmert's; wir sind für die "Wahren Europäer" sowieso die Schuldigen, egal was wir tun. Unsere Chance - !

    Laßt es uns probieren und Europa dort enden lassen, wo es das vor 1000 Jahren ebenfalls tat.

    :lachen:

    Nein, die werden gedünstet

  • Zitat von "Karasek"

    Diese Formulierung findet sich mittlerweile in beinahe allen Beschreibungen Prags. Wobei das im Falle Prags ja noch einigermaßen verständlich ist. Leider einigt man sich auch im Falle der an Polen gefallenen ehemaligen deutschen Gebiete immer öfter auf die Formulierung "multikulturelles Erbe". Fragt man nach ergibt sich das Multikulturelle aus den häufigen Besitzerwechseln des Landes, nicht aus der kulturellen Unterschiedlichkeit der Bevölkerung. Der Wechsel von Habsburg zu Preussen war Multikulti, trotzdem die Menschen vorher und nachher Deutsche waren.

    Volle Zustimmung. Für Oberschlesien und Masuren mag es ja noch möglich sein, aber der Geschichte Hinterpommerns, der Neumark oder Niederschlesiens - also ehedem de facto rein deutscher Gebiete - im Sinne heutiger Politik eine Multi-Kulti-Perspektive aufzuzwingen, um das Deutsche im Europäischen aufzulösen, sozusagen wegzueuropäisieren ist grotesk.


    Zitat von "Exilwiener"

    Bezeichnend: Im ORF (Österreichisches Lokalfernsehen, vergleichbar mit dem MDR), gibt es um etwa 20:00 jeden Abend die Sendung „Seitenblicke“, in welcher die selbst ernannte Regionalprominenz aus Politkern und Selbstdarstellern, sich gerne im Hauptabendprogramm selber sehen:

    Vor ca. einer Woche habe ich zufällig einen Beitrag über den „Event: Tschechisch-österreichische Freundschaft“ gesehen, bei der die so genannten Prominenten vom Moderator gefragt wurde, welche Gemeinsamkeiten die beiden Länder vereint. Die Antworten waren, gelinde gesagt, so dämlich, ja dumm, dass ich mich scheue, jemanden aus diesen Parteien pro futuro meine Stimme zu geben.

    „In Prag schauen die Häuser teilweise aus wie in Wien…,…in Budweis habe ich die gleichen Speisen im Restaurant gegessen, wie bei uns…,…et cetera et cetera“. Diese Leute sind aber von Haus aus nicht wirklich dumm! Man hat ihnen diese Dummheit eben bloß indoktriniert! Was bedeutet, das, wenn man dem Volk auch hoffentlich einmal die effektiven Tatsachen erzählt – und das fängt in der Schule an – diesen auch ein Verständnis oder Wissen angeeignet werden kann.

    Ich habe schon öfters den Eindruck gehabt, dass viele Menschen in Österreich sich nicht darüber im Klaren sind, dass Südböhmen und Südmähren - also die unmittelbaren Nachbarn (von den übrigen Randgebieten ganz zu schweigen) - ehedem ganz überwiegend deutsche Regionen waren und dass dort heute andere Menschen leben. Den stattgefundenen Bruch an den Rändern Böhmens und Mährens nimmt man meines Erachtens in Österreich doch weniger zur Kenntnis als in Deutschland. Man geht viel eher davon aus, dass das Land seit jeher tschechisch gewesen ist und bildet sich eine ungebrochende Kontinuität ein.


    Zitat von "silesianospostato"

    Daß Niederschlesien mit 96 % deutscher Bevölkerung genauso ein deutsches Land war wie Hessen oder Baden (wo ja heute der deutsche Bevölkerungsanteil in den Großstädten bestenfalls noch bei 75 % liegt), weiß wohl keiner mehr.

    Naja, so schlimm ist es um das Wissen hoffentlich doch noch nicht bestellt.

    Gab es vor dem Ende des 2. Weltkrieges eine autochthone, nicht im 19. oder 20. Jahrhundert im Rahmen der Industrialisierung zugewanderte polnische oder tschechische Bevölkerung in Niederschlesien - abgesehen von tschechischen Glaubensflüchtlingen aus dem Zeitalter Maria Theresias und Friedrichs des Großen? Ein deutscher Bevölkerungsanteil von 96% scheint mir nämlich sogar zu niedrig für Niederschlesien. Selbst in der Großstadt Breslau, die seit der Industrialisierung verstärkt Menschen aus der weiteren Umgebung anzog, gaben in einer Volkszählung aus dem Jahr 1910 95,71% der Bewohner Deutsch, 2,95% Polnisch, 0,67% Deutsch und Polnisch und 0,68% Tschechisch als Muttersprache an (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Breslau#Unter_den_Hohenzollern).

    Zitat

    Lustigerweise haben ja die Leute, die heute so sehr für Multikulti eintreten, überhaupt keine Ahnung davon, daß eben viele Regionen früher tatsächlich gemischt besiedelt waren, speziell auch Böhmen.

    Wobei man in diesem Zusammenhang auch betonen sollte, dass die Sprachgrenze in Böhmen doch ziemlich scharf war und Deutsche und Tschechen mit Ausnahme von einigen großen Städten im Landesinneren in zwei getrennten Siedlungsgebieten lebten. Oft entsteht ja bei heutigen Publikationen und Dokumentationen der Eindruck, jeder Sudetendeutsche hätte einen tschechischen Nachbarn gehabt...


    Zitat von "Wissmut"

    Zum Glück ist die angelsächsische Geschichtswissenschaft auch nicht der Weisheit letzter Schluß, obwohl sie von allzu vielen noch dafür gehalten wird.

    Aber leider handelt es sich um die breitenwirksamste und am meisten rezipierte, die stark auf die internationale Meinungsbildung abfärbt.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat von "Georg Friedrich"


    Gab es vor dem Ende des 2. Weltkrieges eine autochthone, nicht im 19. oder 20. Jahrhundert im Rahmen der Industrialisierung zugewanderte polnische oder tschechische Bevölkerung in Niederschlesien - abgesehen von tschechischen Glaubensflüchtlingen aus dem Zeitalter Maria Theresias und Friedrichs des Großen?

    Ja, gabs. Entlang der Grenze zu Polen, speziell in Richtung Oberschlesien und nördlich davon an der Grenze entlang gab es Polen. Es gab auch eine polnische Minderheit in Breslau mit eigener Kirche (übrigens wird in Breslau scheinbar jedem halbwegs bekannten Polen der irgendwann mal in der Stadt war ein Denkmal gesetzt).
    Außerdem gabs im Südwesten der Grafschaft Glatz eine tschechische Minderheit, die wurden ironischerweise auch vertrieben.

  • Um hier mal die Politik ein bißchen rauszunehmen. habe ich noch 3 Bilder von Zakopane.



    Der Zakopane-Baustil ist eine regionale Spezialität,
    ein Landhausstil, der sich Ende des 19.Jh aus der Holzarchitektur der Goralen herausgebildet hat, als mit der touristischen Erschließung der Tatra wohlhabende Polen hier ihre Domizile errichteten.
    Heute werden. wie man sieht, Neubauten mit allem Komfort in diesem traditionellen Baustil gebaut, teils als Gasthäuser oder Pensionen, teils als private Landhäuser. Daneben sieht man Altbauten im gleichen Stil.
    Man beachte die Unterschiede in der Dacheindeckung.

    Uberhaupt sieht man im ländlichen Polen, im Gegensatz zu den Kataloghaussiedlungen der Deutschen, bei den Neubauten viel mehr Individualität.

  • >>Aber leider handelt es sich um die breitenwirksamste und am meisten rezipierte, die stark auf die internationale Meinungsbildung abfärbt.<<


    Zum Glück war das ethnographische Wissen über Mitteleuropa in den angelsächsischen Ländern so gering und deren Themenkarten so schlecht, daß auch in englischsprachigen Publikationen zum Thema auf kaiserliches Kartenmaterial von 1910 zurückgegriffen werden muß.
    Und dieses ist gegenüber den Minderheiten schon sehr tolerabel gewesen; bedenke man die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse in Teilen Oberschlesiens, Westpreußens und dem Sorbengebiet bereits um die Jahrhundertwende.

    Wenn man sich dagegen die Kartengrotesken anschaut, die noch heute von texanischen Universitäten benutzt werden, läßt sich die damalige (1918/20) westliche Leichtgläubigkeit gegenüber Pilsudski und Benesz' Verlautbarungen erklären. Oder die Tatsache, daß der britische Außenminister Galizien in Spanien vermutete.


    >>Den stattgefundenen Bruch an den Rändern Böhmens und Mährens nimmt man meines Erachtens in Österreich doch weniger zur Kenntnis als in Deutschland. Man geht viel eher davon aus, dass das Land seit jeher tschechisch gewesen ist und bildet sich eine ungebrochende Kontinuität ein.<<


    Aus meiner Sicht auch eine Architekturfrage. Sieht man die ganze Zeit nur billigen Bauernbarock, oft genug in erbärmlichen Erhaltungszustand und mit Blechdach, so greift die Assoziation zum "Deutschen" eben nicht. Teilc und Prag sind beeindruckend, aber nicht gerade "starke", hanseatische Architektur. Als "deutsch" wird aber nach wie vor eine Stadt wie Breslau oder Danzig empfunden, oder auch die Reste der Stadt Neisse.

    Böhmens Architektur dagegen ist größtenteils durch den "International Style" des 18. Jahrhunderts geprägt. Eine Unmenge auch an Pracht und Herrlichkeit; aber auf eine merkwürdige Art unbehaglich; unwillkürlich denkt man an Klaus Kinski, der mit zuckendem Auge übers Kopfsteinpflaster jagt.
    Zudem wird diese besondere Atmosphäre in der Tschechei sehr von der Tourismusindustrie bewußt gepflegt - mit altdeutschen Versatzstücken und viel kalorienreichen Sehenswürdigkeiten. Diese "Annahme" bzw. Neuformung von Kulturerbe gibt es z.B. in Niederschlesien nicht; das kommt atmosphärisch eher der DDR nahe.

    Nein, die werden gedünstet

  • Im September diesen Jahres weilte ich in Krakau und schoss dort eine beachtliche Menge an Fotos, obwohl für die Stadtbesichtigung nur wenige Stunden blieben. Im Nachhinein betrachtet übrigens eine Wahnsinnsleistung, wie viele Sehenswürdigkeiten ich in ungefähr 4 Stunden abklappern konnte. Also eine gute Gelegenheit diesen Strang nach sieben Jahren der Inaktivität wieder zu beleben.

    Kurz zur G e s c h i c h t e: Eine schon seit dem 9. Jahrhundert existierende Siedlung wurde 1038 unter König Kasimir dem Erneuerer Hauptstadt von Polen. Dementsprechend entwickelte sich Krakau schnell zu einer großen, bedeutenden Stadt. 1241 zerstörten die Tataren die Stadt, die 1257 planmäßig vollkommen neu angelegt wurde. Tatsächlich ging es Krakau im 14. Jahrhundert wirtschaftlich mittelmäßig, Auslöser waren u. a. zahlreiche Konkurrenzstädte, die Vertreibung der deutschen Bürger 1311... Im 16. Jahrhundert wurde Warschau Hauptstadt, in der Wawelkathedrale wurden aber weiter die Könige gekrönt. Um 1400 stieg die Bedeutung unter den Jagiellonen trotzdem wieder stark an, zahlreiche Künstler und Gelehrte zogen hier her. Ende des 15. Jahrhunderts hatte Krakau ca. 30000 Einwohner. Im 18. Jahrhundert durchlebte Krakau zahlreiche Krisen: Pest, Krieg, etc... ließen die Einwohnerzahl 1782 auf unter 10000 sinken. 1795 kam Krakau zu Österreich; ab der Mitte des 19. Jahrhunderts blühte es wieder auf. Es entstanden zahlreiche neue Stadtviertel, auch die überwiegenden historistischen Fassaden in der Altstadt zeugen vom Reichtum in dieser Zeit. Was nach 1900 passierte ist eh weitgehend bekannt... Heute hat Krakau 760 000 Einwohner.

    Ich beginne mitten im Zentrum, am Rynek Glowny, der mit etwa 200 mal 200 Meter wahrhaft gewaltige Abmessungen hat (wobei durch die Teilung der Fläche durch die Markthalle viel von der Monumentalität verloren geht).

    Zuerst zur größten Touristenattraktion der Stadt: Die Tuchhallen, erbaut im 3. Viertel des 16. Jahrhunderts vom italienischen Architekten und Modedesigner Santi Gucci zählen zu den bedeutendsten Renaissancebauten Polens und wurden im späten 19. Jahrhundert rerenaissanceisiert und interessanterweise zum Teil auch regotisiert.

  • Rund um den Hauptmarkt...

    Die Marienkirche

    Das bürgerliche Gegenstück zu Wawelkathedrale steht an der Ostecke des Rynek und beherrscht mit den über 80 Meter hohem Nordturm sie Stadt. Die Kirche wurde vom späten 13. bis zum beginn des 15. Jahrhunderts erbaut und ist rund 85 Meter lang (kürzer als die Tuchhalle - welche Symbolkraft).

    Das vollkommen touristenüberflutete Innere wurde im späten 19. Jahrhundert stark umgestaltet und äußerst bunt ausgemalt. Dass die polnischen Kirchen einst so überladen farbenprächtig waren, bezweifle ich allerdings.

    Natürlich behauptet Krakau wie auch ein Großteil anderer europäischer Städte, den höchsten Flügelaltar zu haben. Doch ursus klärt uns auf: Gotik, Granit, Grenzland - Streifzüge durchs Mühlviertel. Österreich hat ja auch drei älteste Städte.

    Ob das Meisterwerk des Veit Stoss nun Weltrekorde bricht oder nicht, schön ist es jedenfalls.

  • Rund um die Marienkirche: Am verwinkelten Marienplatz zwischen Kirche und Häusern stehen prächtige Baudenkmäler der 15. - 17. Jahrhunderts

    Sakristei an der Nordseite des Chores:

    Südlich der Marienkirche: Hier befindet sich ein weiterer Sakralbau, St. Barbara aus dem Spätmittelalter.

    Daneben ein Torhaus zum Kleinen Markt.

    Blick zurück:

    Nebengebäude der St.-Barbara-Kirche

    Östlich der Marienkirche

  • Durch den oben gezeigten Torturm gelangt man zum Maly Rynek, dem kleinen Markt. Dieser war trotz des zu dieser Zeit stattfindenden Standlmarktes wesentlich angenehmer, ruhiger und authentischer. Ich habe den Platz als eine der schönsten Ecken von Krakau empfunden.

    Die im Kern durchwegs mittelalterlichen Häuser weisen zum Teil eine beträchtliche Fassadenneigung auf. Böschpfeiler und weitere stabilisierende Baudetails finden sich bemerkenswert häufig.

    Die Platzwestseite mit der Barbarakirche (Chorschluss).

    An der Nordecke des Platzes steht ein Haus, das wohl auch in Niederösterreich stehen könnte.

  • Über den Plac Mariacki gelangen wir zurück zum Hauptrynek und biegen in die nach Nordosten führende Florianska, quasi die Krakauer Kärntnerstraße, ein. Auch hier lassen sich prachtvolle Bürgerhäuser bestaunen:

    Die Straße nach NO, ganz hinten das Brama (Tor) Florianska

    Wie man sieht sind die meisten Fassaden - ob nun leider oder nicht - historistisch. Die Erneuerungswelle zur Gründerzeit stuckierte und malte so ziemlich über alles drüber, was im damaligen Krakau existierte. Wie wir ja auch gesehen haben waren auch die Tuchhallen und die Marienkirche betroffen. Ob das Stadtbild schöner wurde oder nicht, darüber kann man streiten - ich bin kein großer Fan davon, manche aber mögen´s wohl schätzen... Gottseidank ist die Bausubstanz aber fast immer einwandfrei erhalten, historistische und auch jüngere Neubauten gibt es nur vereinzelt. Fast alle Häuser sind mittelalterlich.

    Wäre doch ein gutes Profilbild? :lachen:

    Hin und wieder hat die Nachkriegszeit doch ihre zuweilen etwas merkwürdigen Spuren hinterlassen:

  • War noch nie in Krakau aber habe mir die Stadt nach deinen Bildern mal aus der Luft angeschaut. Die mittelalterliche Planstadt erscheint mir angesichts der recht großen Bedeutung Krakaus etwas klein. Die Abgrenzung durch den wahrscheinlich in österreichischer Zeit angelegten Grünring ist relativ scharf und ausgeprägt. Hat man in der Altstadt das Gefühl sich auf einer Art kleinen Insel zu bewegen?

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (3. Januar 2015 um 12:24) aus folgendem Grund: R

  • Ich finde, daß man Krakau aus deutscher Sicht so schön unkompliziert als urpolnische Metropole geniessen kann. Es ist die wohl schönste und dabei auch noch am wenigsten umstrittene polnische Großstadt ausserhalb Warschaus (welches aber kriegsbedingt viel mehr Brüche aufzuweisen hat). Bei Stettin, Danzig und Breslau sucht man unwillkürlich immer die deutschen Spuren und verspürt so eine Art Phantomschmerz (so geht es mir jedenfalls immer).
    Bei Krakau kann ich die Bilder ohne Einschränkungen positiv auf mich wirken lassen.
    Die mittelalterlichen Hausfronten erinnern mich auch an ein schönes und ruhmreiches Kapitel der deutsch-polnischen Geschichte, nämlich dem Bündnis zwischen dem römisch-deutschen Kaiser Leopold I. und dem polnischen König Jan Sobieski aus dem Jahr 1683 zur Abwehr der osmanischen Gefahr in Europa.

    "Es wurde folgender Vertrag unterzeichnet:


    • Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches soll jährlich während des
      Türkenkrieges 60.000 Mann und die Krone Polens 40.000 Mann stellen.
    • Wenn der König von Polen selbst am Krieg teilnimmt, übernimmt er die Führung der Truppen.
    • Gegenseitiger Beistand bei der Belagerung von Krakau oder Wien.
    • Beide Seiten sollen christliche Verbündete suchen und diese in die Allianz einladen.
    • Der Kaiser zahlt an die polnische Krone 200.000 Reichstaler.
    • Alle Steuern (300.000 Reichstaler) der venetianischen Kirchen in der Lombardei werden für ein Jahr als Sold der polnischen Soldaten für den Türkenkrieg verwendet.
    • Der Kaiser übernimmt alle Schulden der Polen gegenüber Schweden aus
      dem letzten schwedischen Krieg und verzichtet auf alle Schulden
      gegenüber Österreich.
    • Kein Allianzpartner macht ohne Einverständnis des anderen Waffenstillstand oder Frieden mit den Türken.
    • Seine kaiserliche Majestät, die Krone Polens und die Kardinäle Pio und Barberini schwören einen heiligen Eid auf diesen Vertrag.
    • Von beiden Seiten sollen kriegskundige Ratgeber abgestellt werden,
      die der anderen Seite die Notwendigkeit zur Aufstellung eines Heeres
      übermitteln.
    • Eroberte Gebiete in Ungarn gehören seiner kaiserlichen Majestät, eroberte Gebiete in der Walachei und der Ukraine gehören Polen.
    • Diese Allianz geht auch an die Erben und Nachfolger des Römischen Kaisers über."

    Quelle:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Wi…_B.C3.BCndnisse

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Sehe ich auch so, obwohl es, wie Du sicherlich weißt, auch in Krakau eine Menge deutscher Spuren gibt - aus königlich polnischer Zeit als auch k.u.k. Zeit und natürlich auch aus der Zeit des 3. Reichs. In königl. polnischer Zeit war die Stadt ca zur Hälfte deutschsprachig, auf dem Friedhof oder in den Gründerzeitwohnhäusern findet man auch noch sehr viele Spuren aus der österreichischen Zeit und aus der Nazizeit sollte man das wirklich sehenswerte Museum in der ehemaligen "Deutschen Emailfabrik" des Herrn Oskar Schindler besuchen!

    Aber wehmütig, wie wenn man durch Breslau, Hirschberg et cetera geht, das passiert mir dort eher selten.

  • Ja, diese Tatsachen sind mir schon bewusst, doch sehe ich diese deutschen Spuren in Krakau bei aller Nichtvergleichbarkeit doch eher auf einer Ebene mit polnischen Spuren im Ruhrgebiet oder niederländischen Spuren in Potsdam.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Soweit ich weiss, fand in Krakau eine der ersten großen Verteibungen der Deutschen statt, um 1400 war die Stadt noch deutsch. Das sieht man an den Kunstwerken von Veit Stoß aber auch an der Ähnlichkeit der Marienkirche mit dem Dom in Breslau.

  • Was meinst du mit "war die Stadt noch deutsch"?
    Also zu der Zeit war Krakau gerade in die Hanse eingetreten und war wohl auch ein starker Anziehungspunkt für Künstler aus Deutschen Landen. Somit werden große Teile der Oberschicht Deutsch gewesen sein und so wurde wohl auch das Stadtbild mitgeprägt. Aber das Deutsche und ihre Kultur einmal mehr als nur eine Minderheit der Krakauer Bürgerschaft waren, wäre mir zumindest neu.
    Als Krakau aus der Hanse austrat, durften die Deutschen Kaufleute dort nicht mehr handeln und wurden vertrieben, aber das war ein normaler Vorgang zu der Zeit.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Krakau ist sehr schön, aber nicht weiß Gott wie überwältigend.
    Insbesondere hält es keinen Vergleich mit unzerstörten deutschen Großstädten wie Regensburg oder Erfurt, geschweige denn Wien, Prag oder italienischen Metropolen aus. Eigentlich ist die Substanz, gerade, was die Bürgerbauten und Palais betrifft, ziemlich durchschnittlich. Diesbezüglich ist es auch kleinen Städten wie Görlitz oder Olmütz bzw österr. Großstädten wie Linz, Innsbruck, Graz klar unterlegen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Lemberg nicht bevorzugen sollte.

    Für mich lebt es von seinem östlichen Flair. Vieles Schöne, das in Einschichtgegenden verpflanzt wurde, lebt dort ganz besonders auf und entfaltet eine einzigartige Wirkung. Keine Stadt des ostdt. Zentralmarktschemas ist besser erhalten geblieben. Eigentlich ist Krakau der Inbegriff der ostmitteleuropäischen Stadt.
    Zamosc etwa
    https://www.google.at/search?q=Zamos…G%3B2592%3B1944
    stelle ich mir genialer vor, wenngleich dieser Bilck sehr ernüchtert:
    https://www.google.at/search?q=Zamos…343%3B500%3B407

    Generell neigt man dazu, Polen zu über- und Tschechien zu unterschätzen. Was ist etwa zamosc anderes als eine höchst durchschnittliche böhmische Kleinstadt:
    https://www.google.at/search?q=Zamos…343%3B500%3B407

    Auch bei den wenigen Renaissance-Attiken Krakaus handelt es sich um Nachbildungen. Während Deutschland seine Städte nach Kräften verschandelt, versteht es Polen, sein weniges ideal in Szene zu setzen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (2. Januar 2015 um 10:54)