Groß Karben (Gde. Karben) - Auf den Spuren historischer Bausubstanz

  • Der werte Leser möge gewarnt sein: Groß Karben, zwar seit 1971 Teil der "Stadt" Karben und im Dunstkreis des Rhein-Main-Gebiets gelegen, ist in seinem Kern letztenendes doch nur ein Dorf geblieben. Prächtige Gründerzeitvillen und ornamentbeladene Sandsteinfassaden wird man in diesem Beitrag vergeblich suchen. Schwerpunkt dieser Dokumentation ist jedoch die alltägliche historische Architektur, die man mangels entsprechender Präparation und Präsentation im Vorbeigehen oder -fahren meist nicht wahrnimmt, die von den Schwerpunkten des dörflich-städtischen Lebens meist nicht zu sehen sind und die der Laie schlicht als altes Zeug abtut, das beseitigt werden sollte. In gewisser Weise ist dieser Rundgang durch ein unscheinbares Wetteraudorf auch eine Reise in die Vergangenheit. Nein, nicht in die Vorvorkriegszeit und die damit assoziierte "heile Welt" - eher in die 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, als das Auto noch Vorrang vor dem Menschen hatte und das gemeine Fachwerkhaus zuweilen hinter dickem Putz verborgen lag.

    Ich will aber nicht alles mies machen: Groß Karben hat auch seine schönen Ecken - zwei oder drei. Diese werde ich hier ebenfalls zeigen. Allen, die der obige Disclaimer noch nicht vergrault hat, wünsche ich nun viel Vergnügen bei der Reise in eine ziemlich unbedeutende Ecke der Welt... :gg:

    Zwecks besserer Orientierung zunächst eine Karte, in den Bildbeschreibungen werde ich mich auf die Nummern beziehen. Alle Rechte am Bild liegen bei Google Maps. Mein Rundgang entspricht in Etwa der Abfolge der Ziffern.

    Ausgangspunkt der Reise ist die Karbener Bahnhofsstraße, welche - wer hätte es gedacht - vom alten Ortskern zum Bahnhof führt. Jenseits von Haus Nr. 33 (Nr. 1 auf der Karte) beginnt der jüngere Teil des Ortes, welcher die gewohnt grauenhafte architektonische Qualität der 50er bis 80er beinhaltet. Das Haus selbst ist typisch für eine Bauphase, die um die vorletzte Jahrhundertwende begonnen haben dürfte - Fachwerk war aus der Mode, statt dessen kamen preußisch anmutende Backsteine zur Verwendung. Jenes Haus hier ist allerdings schon lange verputzt.

    Besagte Bahnhofsstraße, von Punkt 2 aus in nördlicher Richtung fotografiert. Die Bebauung setzt sich recht heterogen aus Nachkriegsbauten einerseits und Vorkriegsbauten verschiedener Epochen andererseits zusammen. In Anbetracht der Tatsache, dass Karben im letzten Krieg keinerlei Zerstörungen erfahren hat, muss hier die Abrissbirne am häufigsten gewütet haben. Die erhaltenen Vorkriegsbauten sind jedoch weitestgehend in den letzten Jahrzehnten massiv verändert worden. Die meisten als Fachwerkbauten zu erkennenden Gebäude sind nach wie vor verputzt, das gleiche gilt für die Bauten aus der oben genannten Backsteinära.

    Jüngstes Beispiel dafür, dass langsam der historische Wert des Viertels erkannt wurde, ist dieses Fachwerkhaus (Karte Nr. 3), dessen Balken bei einer vor kurzem durchgeführten Renovierung freigelegt wurden. Gleichzeitig wurde das Gefache neu ausgemauert. Die südliche Fassade folgt hoffentlich zeitnah der Straßenfront, auch wenn man über den Farbton streiten kann. Das überstehende Dach irritiert mich allerdings etwas...

    Auf Punkt 4 der Karte folgt einer der für Groß Karben typischen großen Dreiseiten-Bauernhöfe. Leider ist auch hier der Putz noch an den Wänden, während die Nebengebäude zunehmend verfallen. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht wie an anderer Stelle neuen Wohnhäusern weichen müssen.

    Das gleiche wie beim vorherigen Haus gilt auch bei diesem Gebäude (Nr. 5). Brunnen und Botanik sind erste zaghafte Versuche, den alten Ortskern angenehmer zu gestalten Ein nahegelegenes Eiscafe versucht, so etwas ähnliches wie Urbanität zu schaffen, scheitert aber am vorbeidonnernden Durchgangsverkehr. Der sogenannte Kreuzgass'-Platz (weil hier vier Straßen kreuzförmig aufeinander treffen. Originell, gelle? :zwinkern:) wird allerdings von einem wesentlich auffälligeren Gebäudekomplex dominiert, dieser darf allerdings noch ein wenig warten... :P

    Auf der anderen Straßenseite (Nr. 6) eine originelle Komposition aus kleinbäuerlichen Häusern mit Dach und großkapitalem Haus ohne Dach (der Klotz beherbergte einst eine nun wegrationalisierte Sparkasse). Immerhin ist der Briefkasten noch da...

    Nein, dieses von Punkt 7 aus aufgenommene Bild ist nicht aus der Zeit der Ölkrisen der 70er Jahre. Kein Autoverkehr ist an dieser Stelle allerdings noch eher die Ausnahme als die Regel. Der Blick richtet sich in die Heldenberger Straße, die in östliche Richtung vom Kreuzgassenplatz wegführt. Hinter dem 2. Haus auf der linken Seite stand einst die Karbener Synagoge, die 1938 niedergebrannt und bis heute nicht wieder aufgebaut wurde. Die Anwohner dürften sich vor allem über das hinzugekommene Stück Garten gefreut haben...

    Der oben zu erahnende Brückmann'sche Hof (Nr. 8 ) ist vermutlich das größte freigelegte Fachwerkhaus in Groß Karben. Der Denkmalschutz datiert es auf das späte 18. Jahrhundert, was es allerdings nicht vor einer dauerhaften und einer temporären Verhunzung bewahrt hat. Die Nebengebäude sind allesamt monotoner Reihenhausbebauung gewichen.

    In direkter Nachbarschaft befindet sich ein vollständig erhaltener und in ursprünglicher Nutzung befindlicher Dreieinhalbseithof (Nr. 9). In Ermangelung eines offiziellen Häusernamens wird es umgangssprachlich nach der dort befindlichen Kellerkneipe schlicht "Zum Bück Dich" genannt.... Das Wohnhaus stammt aus dem 18. Jahrhundert, die restlichen Gebäude dürften etwas jüngeren Datums sein.

    Gehen wir zurück zum Kreuzgassplatz. Nicht besonders dekorativ, aber durch mindestens sechs verschiedene Sorten Backstein doch eher außergewöhnlich ist dieses kleine Wohnhaus (Nr. 10):

    Nun endlich zum angekündigten architektonischen Höhepunkt Groß Karbens: Das Anwesen der Adelsfamilie Leonhardi, welches in seinen Ursprüngen aus dem frühen 17. Jahrhundert stammt. Die älteste bekannte Inschrift zeigt das Jahr 1614. Das Hauptgebäude stammt aus dem Jahr 1775 und wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts neugotisch umgebaut und erweitert (Nr. 11).

    Familienwappen am Fuß des Erkers mit Jahreszahl 1804:

    Südfassade:

    Die zum Hof hingewandte Nordfassade mit Haupteingang und großem Wappen von 1802:

    Das neogotische Kutscherhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem angeblich aus der Renaissancezeit stammenden Ziehbrunnen (Nr. 12).

    Weiter nördlich liegen die in teilweiser Fachwerkbauweise errichteten Wirtschaftsgebäude des Schlosskomplexes, eine Inschrift verkündet das Baujahr 1667 (Nr. 13). Der Gebäudekomplex rechts kommt später noch zu Ehren.

    Gegenüber (Nr. 15) liegt die evangelische Pfarrkirche Groß Karbens, im Kern wohl gotisch, aber im 18. Jahrhundert mehrfach umgebaut. Das katholische Equivalent enthalte ich der versammelten Gemeinde zur Vermeidung von Übelkeit und Ohnmacht besser.... :gg:

    Wir folgen weiter der Burg-Gräfenröder Straße in nördliche Richtung und kommen zunächst zum zur Kirche zugehörigen Pfarrhaus aus dem Jahr 1883 (Nr. 16).

    Der weitere Verlauf der Burg-Gräfenröder Straße ist durch niedrige Wohnhäuser geprägt, die mehrheitlich wohl älteren Datums sind. Eine genauere Datierung wird durch die äußerliche Angleichung an 50er-Jahre-Neubauten ziemlich erschwert.

    Im in besagter Straße finden sich jedoch noch zwei bemerkenswerte Bauten. Der erste ist dieses reichhaltig bemalte Wohnhaus (Nr. 17), das allerdings schon bessere Tage gesehen hat. Die Bemalung entstammt, so die Signatur des Künstlers, aus dem Jahr 1971. Vielleicht nicht gerade die Sixtinische Kapelle, aber immernoch besser als das omnipräsente Einheitsweiß...

    Das andere Gebäude ist dieses schräg gegenüber liegende und kürzlich renovierte Fachwerkhaus (Nr. 18 ). Über den Anbau und die Verkleidung des Erdgeschosses mag man geteilter Meinung sein, aber immernoch besser als völlig verputzt oder gar abgerissen. Immerhin hat es sogar für Kunst am Bau gereicht...

    Zurück vorbei an der Kirche zum oben angesprochenen Objekt Nr. 14. Es handelt sich hier, wie unschwer zu erkennen ist, um eine gekonnte Fusion von Tradition und Moderne. Unterschiedlichste Materialien fließen hier zu einem harmonischen Gesamtensemble ein, dessen durch die roh belassenen Materialien verstärkt Spannung erzeugenden Kontraste auf einmalige Weise mit der historischen Umgebung verschmelzen und den wahren Genius des Architekten in die Öffentlichkeit tragen. Unbestätigten Angaben zu Folge haben sich auch Coop Himmelb(l)au hier Anregungen für den Umbau der Frankfurter Großmarkthalle geholt!

    Kommen wir zu Punkt 19 der Tagesordnung, das Degenfeldsche Schloss. Erbaut 1728 durch Anna Maria von Hutten-Stolzenberg, wobei ein Vorgängerbau aus dem Jahr 1674 mit integriert wurde. Ab 1800 wurde das Ganze um ein Stockwerk erhöht, seit 1868 ist es in Gemeindebesitz und beherbergt heute das Dorfmuseum. Ein besseres Foto war wegen der ungünstig stehenden Sonne leider nicht möglich. Das Dach wurde vor kurzem grunderneuert, dann reichte das Geld aber nicht mehr für einen neuen Anstrich...

    Die andere Seite des Komplexes, links schließt sich der zum Leonhardi'schen Anwesen gehörende Schlosspark an.

    Gegenüber dem Degenfeldschen Schloss liegt dieses Wohngebäude (Nr. 20), wohl ein Ergebnis des späten 19. Jahrunderts:

    Zum Schlosspark gehört dieses reizende kleine Fachwerkhaus aus dem späten 18. Jahrhundert (Nr. 21), das einst den Gärtner beherbergte. Laut Denkmalschutz ist es denkbar, dass das Haus ursprünglich an anderer Stelle stand und irgendwann hierher transloziert wurde.

    Weiter südlich, an der Parkstraße, liegt dieses herrlich schräge, einer Renovierung noch harrende Fachwerkhaus (Nr. 22). Der Blick geht durch die Löwengasse zum Haus Nr. 4. Der Knick im Dach lässt auf eine spätere Ergänzung des rechten Gebäudeteils schließen.

    Unter Nr. 23 findet man dieses Gebäude. Das Fachwerk kommt mir verdächtig einfach vor - ist es am Ende nur Dekoration?

    Sehr überrascht hat mich dieses Haus (Nr. 24). Zum einen ist die Holzverkleidung für die Wetterau sehr unüblich. Zum anderen stellt sich die Frage nach dem Alter - das Krüppelwalmdach und das historisch wirkende Gebälk des Wintergartens lassen auf ein umgebautes und modernisiertes Fachwerkhaus schließen. Allerdings dürfte die Garage wohl kaum in bestehende Strukturen eingefügt worden sein. Vielleicht wurde es auch einfach demontiert und später auf die fertig betonierte Garage aufgesetzt. Wenn es tatsächlich ein altes Gebäude ist, dann ist dies zwar kein denkmalpflegerisch vertretbarer, aber ästhetisch sehr überzeugender Umbau.

    Kommen wir zum letzten Punkt des Rundganges, mit dem sich auch der Kreis zum Anfangs gezeigten Backsteinbau wieder schließt. Dieser representative Bau verwundert mich ein wenig durch seine Lage - das Haus war zur Bauzeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch allein auf weiter Flur, die umgebende Bebauung ist erst in den 50er und 60er Jahren entstanden. Auch die ursprüngliche Verwendung ist mir ein Rätsel - für ein Gehöft dieser Größe sind die noch erhaltenen Nebengebäude viel zu klein...

    Ich hoffe, mein kleiner Bilderbogen hat ein wenig gefallen - wenn Interesse besteht, bin ich gerne bereit, auch in anderen Dörfern der Region die noch vorhandene historische Bausubstanz zu dokumentieren.

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Würde man die Verputzung entfernen, könnte das Stadtbild nochmal enorm verschönert werden. Bisher wirkts zwar nett, aber noch ziemlich normal. :gaehn:

  • Diese Galerie weckt vertraute Erinnerungen und Gefühle :zwinkern: . Schließlich ist Karben auch nicht so weit entfernt von "meinem" heimatlichen Vogelsberg, welcher an die Wetterau angrenzt :D.

    Es gibt eigentlich viele Wetteraudörfer, die sehr ähnlich aussehen wie das hier gezeigte Groß-Karben - von den oftmals verputzten (und nicht selten auch vor sich hingammelnden) Fachwerkhäusern über Backsteinbauten der Kaiserzeit bis zu den unvermeidlichen Neubauten der 1950er und 1960er Jahre.

    Die Verputzung der meist älteren Fachwerkhäuser setzte sich in dieser Gegend als "Modeerscheinung" nach der Mitte des 19. Jahrhunderts durch. Würde man diese monotonen Putzfassaden in großem Maßstab freilegen , die Wetterau wäre um so manches "Fachwerkdorf" reicher.

    Hasu Nr. 23 zeigt m. E. definitiv kein echtes Fachwerkhaus, sondern ein EFH der berüchtigten modernen "Fachwerkmode" mit vorgehängter Fassade. Haus Nr. 3 und Nr. 18 sind typische Beispiele für oft gut gemeinte "Fachwerksünden", wie sie oft aus Unkenntnis oder aufgrund finanzieller Zwänge bzw. diverser Auflagen bei der Sabierung von solchen Gebäuden durch private Besitzer entstehen (wenngleich ein so saniertes Haus immer noch besser ist als ein abgerissenes).

    Die Bretterverkleidung beim Haus Nr. 24 sieht scheußlich aus! Sie passt nun gar nicht in die Wetterau. Historische "regionaltypische" Wandverkleidung war hier die Schindelung. Meistens wird bei Brettern aber der "natürliche Rohstoff Holz" anstelle geringerer Kosten im Vergleich zu Buchenholzschindeln vorgeschoben. Wenn es sich wirklich um einen Altbau handeln sollte, kann man nur von einer Verschandelung reden....

  • Ihr habt schon ganz richtig vermutet, es handelt sich hier nur um Holzverschalungen. Der laienhafte Charakter wird noch dadurch unterstrichen, dass man sie nicht einmal statisch sinnvoll, sondern wirklich so angeordnet hat, dass hier eigentlich nur der berüchtigte Begriff "Disneyland" passt.

    Ansonsten sehen wir hier, wie auch in meinem "Heimatdorf" im Hochtaunus ein noch weitestgehend historisches Ortsbild, wo sich wunderbar erkennen lässt, dass erst die Generation Baumarkt die wirklichen Bausünden verbrochen hat - sprich, die Tatsache, dass jeder Privatmann ohne handwerkliche oder gar architektonische Kenntnisse Baumaterialien kaufen und (abzüglich der Bauvorschriften, die aber gerade in kleineren Orten oft kaum vorhanden sind) damit frei Schnauze das Ortsbild verschandeln kann.

    Du hast es ja schon angesprochen, aber es sind wirklich überall die gleichen Sachen, Eternitplatten, diese gruseligen weißen Haustüren, Farbgebungen, die es so historisch eigentlich gar nicht geben dürfte, Verunstaltungen der Dachlandschaft bei deren Ausbau, billige Plastikfenster, Satellitenschüsseln und sonstige an der Fassade baumelnde Kabel und Entstuckungen, um nur mal das Wichtigste zu nenen.

    Zu den einzelnen Bildern:

    Der Anbau am Brückmann'schen Hof hat offenbar nicht in die Fachwerkstruktur eingegriffen, soweit man es auf deinem Bild erkennen kann. Deshalb dürfte der Denkmalschutz den Anbau genehmigt haben, obgleich er das Gebäude grausam entstellt, aber verstehe einer den Denkmalschutz. Immerhin sieht das Fachwerk des 18. Jahrhunderts ungestört aus und wurde nicht für größere Fenster im 19. Jahrhundert zersägt...

    Bei Haus Nr. 10, von denen auch fast jedes Dorf eines dieses Typs aufzuweisen hat, frage ich mich immer, wie die Leute im Rathaus solche Schandflecken durchgehen lassen können.

    Interessant wie schauderlich ist die Nr. 18. Auf der einen Seite hat man, wie deutlich zu sehen, fachmännisch nur Balkenteile ausgetauscht, um offenbar viel Originalsubstanz zu wahren, auf der anderen Seite hat man diesen abartigen Anbau hinzugefügt. In meinem Kopf spukt eine Ehefrau des Bauherren, die unbedingt ihre Veranda haben wollte... :gg:

    Sehr schön dagegen wieder die 21, abgesehen von den garantiert nicht originalen Fenstern, und auch die 22. So schiefe Bauten liebe ich auch und ich finde es auch immer sehr interessant, was da wohl drunter schlummern mag.

    Danke für die interessanten Einblicke, ich denke, ich werde bei nächster Gelegenheit auch mal von meinem Heimatkaff etwas einstellen. Die Parallelen sind (teils leider) unverkennbar.

  • Vielen Dank für die Anmerkungen! In der Tat ist es leider so, dass die Stadt Karben in der Vergangenheit schlicht verschlafen hat, sich um den historischen Ortskern Groß-Karbens zu kümmern. Vermutlich mag das auch an der dortigen Verkehrsproblematik liegen, denn in den wenigsten anderen Stadtteilen hat man noch einen dermaßen starken Durchgangsverkehr mitten durchs Zentrum. Nun will man, nachdem die "Nordumgehung" endlich bis 2008 gebaut sein soll, die Bahnhofsstraße attraktiver gestalten, dabei ist auch schon Büdingen als Vorbild genannt worden. Solange dieser Maßnahmenkatalog aber keine Sanierungen der angrenzenden Gebäude mit sich bringt, dürfte der Erfolg des ganzen zweifelhaft bleiben.

    Das Bewusstsein für historische Gebäude zu fördern, dürfte dabei aber die größte Herausforderung bleiben. Vielleicht würde es auch schon reichen, wenn einfach das Denkmalamt umbauwütigen Hausbesitzern öfter und härter auf die Finger klopft - schließlich steht der gesamte Ortskern unter kollektivem Denkmalschutz.

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Einfach erschreckend! Ich staune immer wieder, wie schlecht es um die Ästhetik vieler verstädteter Dörfer steht! Ich glaube nicht, dass es in erster Linie an der Verkehrsproblematik liegt, auch wenn die Strassen eine gewachsene Struktur förmlich zerschneiden, und die Häuser ihrer Vorgärten beraubt haben. Man stelle sich mal Philipp Groß' Bilder von Groß Karben mit verkehrsberuhigten Strassen (Einengungen, Begrünungen etc.) vor; das ganze würde am Bild praktisch nichts verändern. Mir ist beim erstmaligen Betrachten sofort die Parallele zu Carstens Heimat Vogelsberg in den Sinn gekommen; auch dort sieht es genau gleich schlimm aus (seine tolle Homepage http://www.chronik-bermuthshain.de">http://www.chronik-bermuthshain.de schaue ich mir immer wieder gerne mal an!).

    Vielmehr mangelt es am Geschmack und am Bewusstsein der Bewohner, welche oft gar nicht wissen, was für ein Potential in ihrem Anwesen schlummert. Aber wie sollen sie diese Gabe jemals erlangt haben, wenn sie in ihrer Kindheit schon in ein so verunstaltetes Schulhaus, wie es im erwähnten Link über Bermuthsrain gezeigt wird, geschickt werden? In diesem Sinne kann man den Bewohnern ihren abhanden gekommenen guten Geschmack gar nicht verargen! In der Tat tragen die Baumarkt-Produkte je länger desto mehr zum heutigen unbefriedigenden Dorfbild bei.

    Ein weiterer problematischer Punkt: ich begreife, dass nicht für jedes Bauvorhaben ein Fachmann (sprich Architekt) beigezogen wird. Der Architektenberuf etablierte sich ja erst im 19. Jahrhundert auch für einfache Bauaufgaben. Vorher waren es die Bau- und Zimmermeister, welche ein Feingefühl weiter vermittelten; heute sind sie nur noch Ausführende. Es wäre schon viel geholfen, wenn man auch im Baugewerbe wieder vermehrt in Ästhetik geschult würde. Die Architektenschaft hebt sich ja vom Otto-Normalbürger immer weiter ab, leider...

  • Eine kleine Anmerkung vorneweg: Leider reicht mein Trafficvolumen auf meinem kostenlosen Webspace nicht ganz aus, weshalb die Bilder vom Provider vorübergehend offline genommen wurden. Ich habe das ganze daher kurzfristig auf einen anderen Webspace umgeladen. Weil dieser das Direktverlinken von Dateien aber nicht gestattet, ist der komplette Beitrag nun hier zu finden: http://philippgross.ph.funpic.de/APH/Karben.html\r
    philippgross.ph.funpic.de/APH/Karben.html

    Riegel:
    Der Straßenverkehr wurde im konkreten Fall von der Stadt Karben als Entschuldigung für die bestehenden Versäumnisse vorgeschoben. Die dortige Logik ist offensichtlich "Viel Verkehr => Hässliche Straße => Hässliche Häuser"... Ansonsten stimme ich Dir allerdings zu. Es bedarf noch viel Aufklärung und auch finanzielle Anreize seitens der Stadt an die Bewohner historischer Gebäude, um dies auch der Bevölkerung klar zu machen. In einer Zeit, wo allerdings wegen akuter Finanznot Institutionen wie das städtische Schwimmbad zur Disposition stehen, dürfte eine finanzielle Unterstützung für Fachwerk-Freilegungen eher utopisch sein. Und was die architektonische Qualität der Karbener Schule(n) betrifft, darüber kann sich der Unerschrockene z. B. hier und hier informieren. Allerdings hat mindestens ein Absolvent dieser Schule einen halbwegs brauchbaren Architekturgeschmack entwickelt... :gg:

    @Restitutor: Au ja, ich würde gerne sehen, wie sich andere Dörfer der Ortsbildproblematik nicht angenommen haben.... :huepfentuerkis:

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Danke Philipp für die Bilddokumentation. Karben und die Wetterau liegen regelmäßgig auf meiner Rennradstrecke (wegen der flachen Landschaft, muss man keine Berge strampeln :zwinkern: ), und ich habe ein paar Freunde in Karben (wohnen in den 70er-Jahre-Reihenhäusern in der Nähe der Nidda), weshalb ich die Stadt auch einigermaßen gut kenne. Ich kann mich der Kritik nur anschließen. Hessen scheint ganz allgemein dem Baumarktismus zu frönen: hier ein Anbau, da ein Aufbau, oben ein Wintergarten, unten 'ne überdachte Terasse mit Fliesen wie im Schlachthof, Parabolantennen, Plastikfenster und Plastiktüren usw.

    Am Freitag haben wir uns ein verputztes Fachwerkhaus (Hofreite) in Butzbach-Ostheim angeschaut. Der Besitzer renoviert dort seit 1998 alles selbst, um es jetzt im Sommer vermieten zu können. Alle Grausamkeiten aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Nur so viel: Neben dem Wohnzimmer im EG hat der Besitzer ein Bad eingebaut, wo die Fliesen so hundsmiserabel geschnitten wurden, dass jedem Lehrling dafür gekündigt worden wäre. Zwischen dem Wohnzimmer und dem Bad existiert ein Durchgang, der mit einer losen, alten Falttür geschlossen wird. Auf meine Frage, ob die Tür noch zugemauert werden wird, sagte der Makler: Nein, was sie mit der Tür machen, ist ihr Problem. Sie können ja zum Beispiel einen Schrank davor stellen.

  • Zitat von "Riegel"

    (seine tolle Homepage http://www.chronik-bermuthshain.de">http://www.chronik-bermuthshain.de schaue ich mir immer wieder gerne mal an!)

    Vielen Dank für die "Schleichwerbung"! :D

    Ich werde mal sehen, ob ich in den nächsten Tagen einen Teil meines "Bermuthshain. Gestern und Heute" Vergleiches zur öffentlichen Ansicht hier ins Forum stellen kann...