Allgemeines zum Thema Fachwerk

  • Genau davon ging ich aus, deswegen hatte ich auch kein weiteres Bild verlinkt :D

    Das von mir zuerst genannte Haus (Link zu Fachwerkliebhabers Bild) halte ich übrigens für älter als das "älteste Haus" von 1484, nicht zuletzt aufgrund eines sehr ähnlichen Gebäudes, dem sogenannten Gotischen Haus im nahen Großostheim von 1421.

    PS: Für noch älter halte ich einen Bau in der Babenhausener Schloßgasse, auf diesem Bild links angeschnitten (kommt sehr wahrscheinlich auch noch in der Galerie vor, da die Schloßgasse mehr oder weniger die Fortsetzung der zuletzt gezeigten Straße "am Hexenturm" ist). Dieses Haus zeigt mit den angeblatteten Fußstreben im EG ein Merkmal, das durchaus noch ins 14. Jahrhundert verweisen könnte. Ähnlichkeiten weist es mit dem Haus Obergrombacher Straße 32 in Untergrombach, einem Stadtteil von Bruchsal, auf.

    2 Mal editiert, zuletzt von Mündener (13. November 2017 um 20:11)

  • Zum ersten von dir genannten Haus habe ich auch als spätmittelalterlich geschätzt, deshalb habe ich es auch fotografiert ;) Leider weiß ich nicht genau, wann genau es erbaut wurde (das Landesdenkmalamt hat keine Listen mit den Objekten zu Babenhausen veröffentlicht. Selbst im bekannten Kunstführer von Dehio ist das Haus nicht drin...

    Aber es erinert auch ein wenig an das wohl älteste Haus von Südhessen in Bensheim, der Walderdorffer Hof von 1395! Habe davon auch ein paar Fotos gemacht, werde ich noch später zeigen zu Bensheim.

  • Ich denke, der Walderdorffer Hof fällt schon in eine große Übergangszone vom Südhessischen zum Alemannischen Fachwerk, die sich von der Bergstraße und dem unteren Neckartal bis ins nördliche Elsass und Baden erstreckt und Beispiele beider Regionen vereint, etwa das typisch südhessische Strebenmuster aus überkreuzten Fuß- und Kopfstreben mit kurzen Fußbändern, die jedoch nicht geschwungen, sondern gerade sind. Beispiele finden sich etwa in Hirschhorn am Neckar oder in Weißenburg/Wissembourg.

  • Genau beim Walderdorffer Hof habe ich immer wieder den Eindruck von alemannischem Fachwerk, was aber täuscht. Konstruktiv hat er mit diesem nichts gemeinsam, aber das Fachwerkbild mit je zwei kurzen Fuss- und Kopfstreben an einem Ständer sieht sehr "alemannisch" aus, nur das beim alemannischen Fachwerk diese angeblattet sein müssten.

  • Zum Thema “alemannisches Fachwerk“ habe ich da auch eine Frage. Wenn man die Besiedlungsfläche des Stammes der Alemannen sich anschaut, haben sie ja früher (um 213 nach Christus) im heutigen Südhessen gelebt (hat aber woh nichts mit dem Walderdorffer Hof zu tun) und sind dann immer mehr nach Süden gezogen bis sie sich dann letztendlich im heutigen Gebiet der alemannischen Mundart am Ende des 6 Jh. niedergelassen haben. Nun habe ich bemerkt, dass auch in Franken (zb in der Stadt Nürnberg wo es die Alemannen als Stamm nie gab) dort “alemannisches“ Fachwerk gibt bei den älteren Bauten bis ins 16 Jh. Daher habe ich auch gelesen wird von den Forschern der Begriff “alemannisches Fachwerk“ nicht mehr so gerne verwendet und man sagt dann lieber “oberdeutsches“ Fachwerk. Jetzt zur Frage: dann hat der Begriff “alemannisches Fachwerk“ also nicht unbedingt was mit dem Stamm der Alemannen zu tun, weil man dieses ja auch in Nürnberg findet? Wie kamen dann diese ich sage jetzt lieber “süddeustchen“ Bautechnicken ins fränkisch besiedelte Nürnberg?

  • Begriffe wie "Alemannisches" oder "Fränkisches" Fachwerk sind allesamt veraltet und inkorrekt, bzw. die Realität stark verkürzend, da die Entwicklung des Fachwerks seit dem Hochmittelalter nichts mit den germanischen Stämmen zu tun hatte und es eine Vielzahl von teils sehr lokalen Mischstilen gibt, die sich überdies auch noch in diversen Fällen zeitlich und räumlich überschneiden.
    Beispiel: Miltenberg. Die Bauten des 14. Jahrhunderts dort (Beispiel) dort könnten problemlos als "alemannisches" Fachwerk durchgehen, ab dem 15. Jahrhundert gibt es dort jedoch ausschließlich Bauten des südhessischen Typs (Beispiel), wie auch in Babenhausen.

    PS: Noch ein Beispiel: Dieburg, Zuckerstraße 4, von 1383. "Alemannisches" Fachwerk? Wohl kaum. Südhessisches Fachwerk - auch eher nicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Mündener (13. November 2017 um 23:48)

  • Die Diskussion über die Benennung der Fachwerkgebiete haben wir vor fast zehn Jahren bereits in diesem Strang geführt. :) siehe hier und die Folgebeiträge. Ich bin und bleib halt Anhänger der seit über 100 Jahren gebräuchlichen Begriffe, bis es einmal eine detaillierte Karte des ganzen deutschsprachigen Fachwerkraumes gibt, in welche die einzelnen "Fachwerkstile" geographisch eingezeichnet sind. Ein grosses Werk, an dem sich über einen langen Zeitraum verschiedene Leute dran beteiligen müssten.


    @ Mündener:
    Dein Beispiel in Miltenberg (Hauptstr. 108) ist aber weit entfernt vom oberdeutschen/alemannischen Fachwerkbau. Die Pfostenstellung ist eng und auf die Deckenbalken bezogen; beim alemannischen Fachwerkbau beides nicht der Fall. Hier noch ein besseres Bild, auf dem man die Verstrebungstechnik genau sieht: die kurzen Fuss- und Kopfbänder sind angeblattet (wo nicht unsachgemäss geflickt). Eine ganz typische Verstrebungsart für die hessisch-fränkischen Fachwerkbauten des 14. Jahrhunderts.

    Dieburg, Zuckerstraße 4: wunderbares Fachwerk, in Teilen wohl aber gut rekonstruiert, das ich noch nicht kannte! Auch hier: ganz typisch hessisch-fränkisches Fachwerk des 14. Jahrhunderts, vor allem die Eck-Hängepfosten. So auch beim bekannten Haus Amthof 8 in Alsfeld von 1430 und auch bei Kuhgasse 5 in Gelnhausen von 1352, die auch kurze angeblattete Fuss- und Kopfbänder besitzen.

  • Aus dem Strang "Wer kennt's?"

    Ich hätte auch auf Thüringen oder Sachsen getippt, denn das Fachwerk ist weder oberdeutsch/alemannisch, noch mitteldeutsch/fränkisch, noch niederdeutsch/niedersächsisch. Ich frage mich, wehalb noch kein Fachwerkforscher die Fachwerke dort genauer untersucht und definiert hat. Thüringisches Leiterfachwerk inbefriffen. Die Überkreuzung der Streben an den Eckpfosten mit den Riegeln ist typisch für dort. Beim Rätselbild muss ich aber passen.

    Ein sehr interessantes Thema. Ich würde jedoch unbedingt das Fachwerk in Thüringen als mitteldeutsch bzw. fränkisch bezeichnen, da man hier vorallem in der fränkisch beeinflussten südlichen Region mit "Männern" im Gefüge baut und auch sehr viele der Mannfiguren findest du im Westen Thüringens, im Eichsfeld, aufgrund des Einflusses von Hessen, sowie vereinzelt nördlich vom Thüringer Wald. Über ganz Thüringen verbreitet findest Du aber die "K-Streben" welche ebenfalls eindeutig mitteldeutsch sind, aber eher nur fränkisch. Was das sächsiche Fachwerk angeht ist die Einordnung in der Tat schwierig, ich würde es aber auch eher als mitteldeutsch bezeichnen, nur eher das schlichte Gefüge mit nur Schrägstreben (mit wenigen K-Streben und keinen "Mann") wird hier angewandt. Aber einen (nieder)sächsichen Einfluss kann man schon spüren...
    Auf jeden Fall ein Nischenthema, welches wirklich wenig erforscht wurde!

  • Ich hätte mal eine Frage. Kennt sich hier jemand mit Freigespärren aus? Dort liegen die Sparren oft im Schwellenbereich auf einem Bock oder Dreieck auf bestehend aus einem waagrechten und einem senkrechten Holz. Gibt es für diese Hölzer bestimmte Bezeichnungen?

  • Ich kann jetzt nur ganz kurz aus sehr verlässlicher Quelle (befreundeter Bauforscher) antworten und werde mich später nochmals mit ihm darüber unterhalten.

    Die waagrechten Hölzer heissen Sattelbalken (ein 'Sattel' für den Sparren),

    die senkrechten Hölzer heissen Sparrenknecht (sie sind auf Zug und Druck belastbar, den Sattelbalken in Position zu halten. Sie sind deshalb angeblattet und nicht eingezapft.)

    Der zugehörige Wikipedia-Artikel ist grauenhaft und darf nicht zu Rate gezogen werden. Die Konstruktion kommt seit dem 13. Jh. vor.

    Einfach schön ist die Seite mit der Google-Suche mit dem Begriff Freigespärre. Hier gibt es Beispiele aus Frankreich aus dem 15. Jh., viele historistische Beispiele und auch rekonstruierte und originale Beispiele aus Deutschland und der Schweiz. Jedenfalls ein sehr themenfüllendes Architekturelement!

  • Vielen Dank Riegel für deine informative Antwort. Internet gibt nichts dazu her und die mir zu Verfügung stehende Literatur behandelt das Thema auch nur oberflächlich. Ist halt auch nur ein Randthema im Fachwerkbau.

  • Dieses ärmlichere Schusterhaus aus Schwaben wurde nicht nur in liebevoller Eigenleistung restauriert, sondern das ganze Ergebnis auch ganz wunderbar präsentiert:

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    Man gewinnt nicht nur Eindrücke davon, wie dieses Haus im Laufe der Geschichte sich weiterentwickeln durfte, sondern erfährt über die damalige Art des Bauens eines günstigeren Fachwerkhauses. Auch Fragen zur Farbgestaltung wurden vorbildlich behandelt (die Außensanierung wurde in einem anderen Teil besprochen).