Frankfurt a. M. in alten Ansichten

  • Zur Abwechslung mal keine Postkarte, sondern eine private Fotografie, die ich zusammen mit drei anderen in einem katastrophalen Zustand vor einiger Zeit auf eBay erworben habe. Die Fotopositive lagen laut Aussage des Verkäufers wohl seit Jahrzehnten auf dem Dachboden herum und haben so ungefähr alle Schäden, die ein Foto haben kann, von Wasserflecken über Risse bis Schimmel und allerübelste Vergilbung ist alles vertreten.

    Was die aufwändige digitale Restaurierung dennoch lohnenswert macht, ist, dass es sich a) um Amateuraufnahmen und b) um farbige Fotografien handelt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Farbe tatsächlich von einen frühen AGFA-Colorfilm, der vor dem Zweiten Weltkrieg nahezu unbezahlbar war, oder einer Handkolorierung herrührt - doch urteilt selbst.

    Einzigartig ist der "naive", ungeschönte Blick in nachfolgenden Bild allemal, den ich nicht einmal hundertprozentig zuordnen kann, doch ich bin mir zu 90 % sicher, dass wir hier am südlichen Ausgang der Langen Schirn / Ecke Saalgasse stehen, und in Richtung Weckmarkt blicken. Das links zu sehende Haus mit dem Straßenschild wäre demnach Saalgasse 18, das Haus gegenüber Saalgasse 17.


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  • Das nächste Bild - der Blick vom [lexicon='Römerberg'][/lexicon] über den Alten Markt zum Dom ist wohl die klassische Alt-Frankfurt-Ansicht schlechthin. In Farbe ist der Blick allerdings naturbedingt relativ selten, auch wenn zumindest Teile davon mehr oder minder originalgetreu wieder Realität werden:


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    Links sehen wir den Erker des um 1910 entstandenen Neorenaissance-Hauses "Zu den zwölf Himmelszeichen", dessen Schnitzwerk zum einen als Gegenpol zum nahen Salzhaus gedacht war, und auf der anderen Seite mit dem Erker des gegenüberliegenden, ebenfalls angeschnittenen und 1982 rekonstruierten Hauses Großer und Kleiner Engel sozusagen ein türmchenflankiertes Entrée zum Alten Markt bildete.

    Hinter dem Erker sehen wir ein weiteres totalzerstörtes und wiederaufgebautes Baudenkmal der Frankfurter Altstadt, das Steinerne Haus. Dahinter spaltet sich der Alte Markt am prominenten, mit dem Mansarddach fünfgeschossigen, quer zum übrigen Traufverlauf stehenden Haus "Zu den drei Römern" auf - links geht es in die Gasse "Hinter dem Lämmchen", rechts setzt sich der Alte Markt fort.

    Wegen der enormen Größe und unsachgemäßer Behandlung der Substanz insbesondere im 19. Jahrhundert hatte das Haus zu den drei Römern gemäß Fried Lübbecke übrigens große statische Probleme, so schreibt er 1924: "So stand das Haus zu den drei Römern auf dem Alten Markt dicht vor dem Einsturz, da die riesigen eichenen Tragpfosten (60 mal 80 cm im Quadrat) durch jahrelanges Nichtauftrocknen des an ihrem Fuße versickernden Regenwassers in Höhe von dreiviertel Metern abgefault waren, so dass das riesige Haus buchstäblich in der Luft hing. Ein Zusammensturz des Hauses, dem man glücklich noch zuvorkam, hätte bei dem Überbau der oberen Geschosse jedenfalls auch die gegenüberliegenden Häuser mitgerissen. [...]"

    Das Haus steht trotz seiner städtebaulich wichtigen Bedeutung - ohne es würde man vom [lexicon='Römerberg'][/lexicon] auf Brandwände gucken - leider nicht auf der städtischen Rekonstruktionsliste, wohl auch, weil heute im Norden der Kunstverein-Kubus im Weg ist.

    Im weiteren Verlauf des Alten Markts sehen wir die Häuser Kellertür und Dracheneck, die Riegel in seinem Fachwerkbauten in Frankfurt-Thread hier im Forum schon vorbildlich behandelt hat, dahinter springt (allerdings nur scheinbar) das Rote Haus, im Volksmund "Schirn" aus der Straßenflucht, die ebenfalls zur Rekonstruktion vorgesehen ist.

  • Vielen, vielen Dank für die beiden Farbpostkarten! Auch wenn sie nur nachkoloriert sein sollen, schaffen sie es doch auf sonderbare Weise, das Vergangene besser erlebbar zu machen - man hat quasi das Gefühl, selbst in der Altstadt zu stehen.... :schockiert:

    Aber gerade das letzte Bild zeigt dann doch um so deutlicher, dass der geplante Wiederaufbau nichts Halbes und nichts Ganzes werden wird. Gerade das Fehlen des Hauses zu den Drei Römern wird den ersten Eindruck leider gehörig verändern, sofern kein privater Bauherr eine verkleinerte Kopie auf die angepasste Parzelle setzt, was natürlich auch seine Vor- und Nachteile hätte... Letztenendes ist es wirklich schade, dass ausgerechnet der Kunstvereinkubus als Zweckbau und Provisorium sondersgleichen eine originalgetreue Wiederherstellung dieser Ansicht verhindert. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass es irgendwann eine zweite Bauphase gibt, in der die Kompromisse und Versäumnisse der ersten Bauphase korrigiert werden.....

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Die nachfolgende Fotografie ist die am Schlechtesten erhaltene, vor dem Hintergrund des TR-Abrisses aber zugleich die Interessanteste, nimmt sie doch einen Anblick vorweg, den wir in Kürze, mehr oder minder vollständig, hoffentlich aber letzteres, wieder geniessen dürfen - der Hühnermarkt:


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    Links ist das Haus zum Esslinger angeschnitten, dessen interessante Baugeschichte, ein bisschen Eigenwerbung muss sein, ihr in meinem neuesten Wikipedia-Artikel nachlesen könnt. ;)

    Es steht übrigens, dem Himmel sei dank, definitiv auf der städtischen Totalreko-Liste.

    Von der Neugasse getrennt geht es rechts davon mit dem Haus Flechte, und dem, höchst interessanten, um die Ecke geführten Haus Schildknecht weiter, dessen Fassadenmalerei des 18. Jahrhunderts man Mitte der 1920er Jahre anhand von Stichen der Zeit (wohl v. a. Salomon Kleiner) rekonstruiert hatte. Das Grünzeug im Bereich des Dachs wächst übrigens nicht à la Nachwende-[lexicon='Leipzig'][/lexicon] aus der Regenrinne, sondern zeigt ein Belvederchen, also einen typisch alt-frankfurterischen Dachgarten an, von dem der Blick wohl zauberhaft gewesen sein muss. Leider stehen z. Z. weder Haus Flechte noch Schildknecht auf der Reko-Liste, sind aber definitiv die wichtigsten Kandidaten für eine private Rekonstruktion.

    Im Vordergrund sehen wir noch das Stoltze-Denkmal, das heute auf einem unwürdigen wie schäbigen Platz hinter der Katharinenkirche vergammelt und nach der Altstadt-Reko wieder dorthin wandern soll, wo es ursprünglich stand.

  • Ob nachträglich koloriert oder nicht, die Fotos zeigen restauriert wieder viel von der eindrucksvollen Atmosphäre der Frankfurter Altstadt! Kein Haus ist gleich dem anderen, alles ist individuell, jede Gasse hat ihren ganz eigenen Charakter.
    Das erste Foto ist tatsächlich der Blick durch die Saalgasse zum Weckmarkt. Das letzte Haus links mit dem stark vorkragenden Stockwerk über dem Zwischengeschoss und den zwei ungleich hohen steilen Zwerchgiebeln erkennt man hier von der Gegenseite wieder:

    http://altfrankfurt.com/Altstadt/DomSud/Weckmarkt/Weckmarkt02.htm\r
    altfrankfurt.com/Altstadt/DomSud ... arkt02.htm

  • Dieses Mal stelle ich zwei Ansichtskarten der "etwas anderen Art" vor. Während die ersten Ansichtskarten ab den 1890er Jahren vorwiegend Lithographien waren, kamen kurz darauf diverse Drucktechniken auf. In den 1920er bis 40er Jahren waren dann Echtphoto-Ansichtskarten die Regel. Ihre Herstellung unterlag dann ab den 50er Jahren den billiger herstellbaren Ansichtskarten in den heute noch verwendeten Drucktechniken.

    Ab und zu wurden schon um 1900 Photos im Ansichtskartenformat (9 x 14 cm) hergestellt, und auf der Rückseite mit Adresslinien bedruckt, sodass diese auch als Ansichtskarten verschickt werden konnten. Dies war vor allem bei Privatansichtskarten üblich, welche nur in kleiner Anzahl hergestellt wurden.

    Eine solche Serie von Ansichtskarten aus meiner Sammlung hat auf der Rückseite jeweils einen Stempelaufdruck mit der Bezeichnung des Sujets und einer Jahrzahl (zwischen 1860 und 1902). Eine dieser Ansichten konnte ich C. F. Mylius zuordnen, und zeigt das Schlachthaus von der Mainseite her um 1860. Es wird sich also nicht um Unikate handeln. Zwei davon habe ich aber noch nirgends abgebildet gesehen, und möchte sie deshalb hier vorstellen:


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    Die Photographie zeigt die Aussicht vom Katharinen-Kirchturm nordwärts in die Eschenheimer Gasse. Die Häuser im Vordergrund grenzen an den Platz der Hauptwache (diese wäre links weiter unten) und dürften teilweise noch die Erstbebauung aus dem 17. Jahrhundert darstellen. Anstelle der beiden Häuser rechts steht heute der "Kaufhof"...

    Zur Datierung: Das Gebäude mit der grossen Kuppel links ist die Börse, welche 1874/79 erbaut wurde. Mindestens aussen scheint der Bau vollendet zu sein. Somit postuliere ich mal ca. 1877 als frühest mögliches Aufnahmejahr. Im Vordergrund sieht man ca. 10-15 Jahre alte Bäume, welche anlässlich der Aufstellung des Schillerdenkmals 1864 hier angepflanzt wurden (1864 gemäss Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M.); weshalb aber das Schillerdenkmal auf dem Ravensteinplan von 1861 bereits eingezeichnet ist, ist mir ein Rätsel...) Mindestens bestätigt die Grösse der Bäume das Aufnahmejahr um ca. 1877. Die Aufnahme hat insofern auch eine Bedeutung, weil sie das zaghafte Aufkommen der ersten Gründerzeitbauten dokumentiert.

    Weiss jemand, wann und weshalb (Verkehr?) das Schillerdenkmal in die Taunusanlage versetzt worden ist, und weshalb es die Metallspendenaktion im Weltkrieg überlebt hat?


    Folgt man der Häuserzeile im Vordergrund nach links (westlich) der Biebergasse entlang, kam man zum ehemaligen alten Theater am heutigen Rathenauplatz:

    Vergrösserung

    Das Theater (rechts angeschnitten) wurde um 1780/82 errichtet. Die Angaben dazu habe ich altfrankfurt.com entnommen, welche allerdings ein bisschen wirr sind. Es soll anstelle eines um 1754/57 errichteten Stadtpalastes getreten sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein damals erst 23 Jahre alter Palast dafür abgerissen worden war. Handelte es sich vielleicht um einen Umbau? Jedenfalls wurde das Theater nach dem Umzug ins neue Schauspielhaus 1902 durch das heute noch stehende Geschäftsgebäude ersetzt.

    Mein Augenmerk richtet sich aber auf das wunderschöne barocke Palais in der Bildmitte. Es ist doch eigenartig, dass seine Schaufront nicht ganz auf den Theaterplatz (heute Rathenauplatz) gerichtet war, sondern teilweise in die dunkle Kalbächergasse zu stehen kam! Spekulierte man damals, dass die engen Häuserreihen davor dereinst verschwinden würden? Jedenfalls überlebte das ältere Gebäude davor mit der Aufschrift "Zu den drei Hasen" dieses Stadtpalais, als hier ca. 1880 der Durchbruch der Börsestrasse erfolgte (damals ersetzte man den Brandmauergiebel des Theaters durch eine Walmdachfläche).

    Leider konnte ich bisher keinen Namen des Hauses ausfindig machen, geschweige denn ein Baujahr. Auf dem Ravensteinplan 1861 trägt es die Hausnummer 13 am Theaterplatz, und durch die engere Schraffur ist es als öffentlicher Bau vermerkt. Die schmale Gasse rechts hiess damals "Taubenhof Strasse", und links von ihm (auf dem Bild nicht sichtbar) mündete eine weitere Gasse mit dem Namen "Kastenhospital Gasse" ein. In unmittelbarer Nachbarschaft lagen die "Anstalt für Epileptische Irre", der "Hospitalhof (Armenklink)", der "Marstall", die "Provis. Kön. Preuss. Caserne" und eben das Theater. Aus dem Fehlen einer Bezeichnung für die Nr. 13 schliesse ich, dass es zueletzt einer dieser Institutionen in der Nachbarschaft angeschlossen war.

  • Höchst interessante Fotos! Die allerwichtigste Datierungshilfe beim ersten Bild hast du allerdings vergessen - die links verlaufende Schillerstraße ist ein Straßendurchbruch von 1890 (daher auch die Brandmauer eines daran angrenzenden Hauses), das Bild kann somit erst nach 1890 entstanden sein. Wirklich beschaulich sind allerdings die vielen kleinen Fachwerkbauten, die oft noch, wie schon von dir richtig erwähnt, bis mindestens ins 17. Jahrhundert zurückgegangen sind und dennoch zwischen den Neubauten nicht verloren wirken.

    Das Schillerdenkmal wurde meines Wissens wegen der verkehrstechnischen Erschließung der Börsenstraße nach dem Krieg (definitiv aber nach 1947, da gibt's noch ein Bild von an alter Stelle) in die Taunusanlage gestellt, eine der wenigen Nachkriegsentscheidungen, die meines Erachtens vom ästhetischen Verständnis auch mehr als in Ordnung geht.

    Bezüglich der Metallspende dürfte es mehr reines Glück denn echte Wertschätzung gewesen sein - anderswo wurden in den letzten Kriegsjahren ja sogar mittelalterliche Kirchenglocken eingeschmolzen, um sie in Form von Granaten für einen längst verlorenen Krieg zu verballern. Alle Denkmäler der Stadt aus Bronze oder Kupfer mussten ohnehin, soweit ich mich recht entsinne, 1940 für die "Metallspende des deutschen Volkes" nach Berlin gemeldet werden.

    Das alte Schauspielhaus wurde in der Tat 1780 - 1782 unter Stadtbaumeister Johann Andreas Liebhardt erbaut. Davor stand hier laut Battonn das Haus mit der alten Quartiernummer E 181, genannt Weißes Haus, das erstmals im 17. Jahrhundert unter diesem Namen urkundlich erwähnt wird. Woher die Geschichte mit dem Stadtpalast kommt, ist mir schleierhaft wie unbekannt, und wie du schon richtig gesagt hast, macht sie wenig Sinn. Und nicht zuletzt steht auf AltFrankfurt.com eine Menge durcheinandergewürfeltes Zeug - eigentlich sollte man dort nur die Bilder geniessen.

    Zu dem Barockpalais zwischen Kastenhospital- und Taubenhofstraße schreibt Battonn ebenfalls eine Menge: es trägt den Namen Drachenfelshof (man beachte die dahinterliegende Hofanlage im Ravenstein-Plan) und wird 1380, also kurz nach Bebauung der Neustadt das erste Mal erwähnt. Nun wörtlich zitiert: "Das Haus wurde zu Anfang des vorigen Jahrhunderts [also des 18. Jahrhunderts] von Johann Maximilian von Lersner [ja richtig, die Familie des berühmten Chronisten!] und seiner Ehefrau Anna Salome gebornen Kraft erkauft: er hat auch wohl das Hauptgebäude erbaut, da es über dem Eingang das Lersner'sche Wappen zeigte. Er starb 1732 und seine Wittwe prälegirte in ihrem Testamente diese Besitzung ihrer Tochter Johanna Rebecca, verheiratet mit dem Major Friedrich August von Grod. Deren Sohn war Carl Ludwig von Groote, wie nun der Name geschrieben wurde, und dessen Erben haben das Haus samt anstossenden Garten und Hofraum nebst weiteren Gebäudlichkeiten im Jahre 1860 an die Stadt verkauft. Seitdem ist auch das Lersner'sche Wappen beseitigt."

    Der Ravenstein-Plan von 1861 ist also "topaktuell", wenn er das Gebäude als in städtischem Besitz bezeichnet. In deinem Bild kann man sogar noch die Spuren erahnen, wo das Wappen aus dem Türbogen herausgeschlagen wurde. Auch wenn man Battonn kritisch lesen sollte, passt für das zu sehende Palais ein Erbauungsdatum zwischen 1700 - 1732, so dass man ihm hier wohl beipflichten kann. Das zweite Bild ist also nach 1860 und vor 1875 entstanden, da man damals die Börsenstraße durch die Kastenhospital- und die Taubenhofstraße brach, um einen Zugang zur im Bau befindlichen Neuen Börse zu schaffen.

    Ich hoffe, das hat für ein wenig Aufklärung gesorgt. ;)

    (Quellen: Architekten- & Ingenieur-Verein (Hrsg.): [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] und seine Bauten. Selbstverlag des Vereins, [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] 1886; Friedrich Gwinner: Kunst und Künstler in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] vom dreizehnten Jahrhundert bis zur Eröffnung des Städel'schen Kunstinstituts. Verlag von Joseph Baer, [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] 1862; Johann Georg Batton: Oertliche Beschreibung der Stadt [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] – Band VI. Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon], [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] 1861–1875)

  • Danke für den Bildbeitrag. Die Karten stammen aus einer mir gut bekannten und recht späten Serie (mindestens zweite Hälfte 30er Jahre). Leider ist die Bildqualität recht dürftig, aber sie vermitteln einen schönen Eindruck der Altstadt ganz kurz vor dem Ende.

  • Zitat von "RMA"

    Leider ist die Bildqualität recht dürftig,

    Nein die Karten sind absolut gestochen scharf, und für meinen Mist hab ich mich schon entschuldigt 8)
    Auf den Rückseiten steht die Jahreszahl 1942 mit Bleistift geschrieben.

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    Nein die Karten sind absolut gestochen scharf, und für meinen Mist hab ich mich schon entschuldigt 8)
    Auf den Rückseiten steht die Jahreszahl 1942 mit Bleistift geschrieben.

    Ich bezog mich auch auf die Karten selbst, nicht deine Fotografien. ;)

    Es gibt durchaus Karten, die kann man mit 1200 DPI scannen und noch Details herausholen, die man mit bloßem Auge nicht sieht, die obigen gehören (aus Erfahrung) leider nicht dazu. :(

  • So, nachfolgendes passt eigentlich nicht in diesen Thread, weil der Begriff Ansichtskarte für das Werk des Künstlers eine Beleidigung ist. Auf wundersam günstige Weise konnte ich die letzten Tage nämlich eines der meistgesuchten Ansichtenwerke Alt-Frankfurts geradezu sagenhaft günstig erwerben: "Bilder aus dem alten Frankfurt. Nach der Natur gezeichnet von Peter Becker." (40 Blatt Folio in einer wunderschönen neugotischen Mappe) aus den 1880er Jahren.


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    Schon Ferdinand Prestel sagte hierüber, den wirklich schon wunderbaren Werken Reiffensteins gegenübergestellt: "Diese sind Kunststücke, und jene Kunstwerke." Johann Friedrich Hoff, einer der wichtigsten Frankfurter Kunsthistoriker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts meinte gar: "Diese vortrefflichen Altfrankfurter Ansichten sind so vollendet in ihrer Art, daß es Beseres nicht gibt!"

    Doch wer war Peter Becker? Wikipedia gibt schändlicherweise nichts her, weswegen man zum "Weizsäcker" (von einem Vorfahren des späteren Bundespräsidenten geschriebenes Standardwerk über Frankfurter Künstler des 19. Jahrhunderts) greifen muss:

    Peter Becker wurde demnach 1828 in Frankfurt geboren und lernte 1844 - 1851 Maler, Radierer und Litograph am Städel unter Jakob Becker, damals einer der führenden Köpfe der berühmten Kronberger Malerkolonie. Sein Spezialgebiet war die Vedutenmalerei von Land und v. a. Stadtbildern, wobei er einen Großteil seines Lebens in Frankfurt verbrachte und von dort entsprechend viel mitnahm. Neben Öl und Aquarell waren reine Strichzeichnungen sein eigentliches Spitzengebiet, wo er eine unglaubliche Detailliebe, Akribie und Realismus zu wahren Meisterwerken verband. Sein Werk will ich hier jetzt nicht aufzählen, nur noch darauf hinweisen, dass der ursprüngliche Entwurf für die neugotische Römerfassade (einige Seiten zuvor hier im Thread zu sehen) mit seiner sehr reichen Bemalung ein Gemeinschaftswerk von Max Meckel und eben Peter Becker war. Er starb 1904 in Soest.

    Die Bilder sind allesamt als großformatige Heliographien (also Lichtdrucke) wiedergegeben, die ich hier nach und nach einstellen werde. Ich fange mal unkommentiert mit dem unbenannten Titelblatt mit einer Ansicht der Mainfront an, der Signatur nach zu urteilen aus dem Jahr 1874 (auch wenn das kein Sinn macht, wenn man sich den Dom mal anguckt):


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  • Ich bin kein echter Experte für diese Epoche, aber anhand der Kleidung der Passanten und der abgebildeten Schiffstypen würde ich den dargestellten Zeitraum allerspätestens im frühen 19. Jahrhundert einordnen, es handelt sich also kaum um eine zeitgenössische Ansicht. Möglicherweise hat sich der Künstler an früheren Gemälden oder Entwürfen orientiert.

    Auf jeden Fall freue ich mich schon wie ein kleines Kind an Weihnachten auf die Schätze, die Du uns da präsentieren wirst! :gg:

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Auch wenn die Tatsache, dass hier seit dem letzten Post wieder mehr als 1.000 Leute mitgelesen haben, aber außer Philipp sich keiner zu einem Kommentar hinreißen lassen konnte, gelinde gesagt etwas Unlust verbreitet, will ich mal fortfahren.


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    Das obige Bild aus dem Jahr 1858 trägt den Titel "Der Dom vom Dach eines Hauses am Krautmarkt" gesehen. Wir sehen hier den noch ganz gotischen, überkommenen Zustand der Domumgebung. Die Kirche ist geschlossen von Verkaufsläden und Häusern umgeben, die man nach dem Dombrand 1867 bzw. 1902 (die links zu sehende Westseite der Höllgasse) im Rahmen der "Freistellung", aus einem falschen Verständnis der Neugotiker heraus abbrach. Heute kann man dem im unteren Bereich so seltsam schmucklos und kahl wirkenden Domturm die Folgen dieses frühen städtebaulichen Fauxpas ansehen.

    Rechts im Bild sehen wir das 1399 erbaute und 1982 nach schwerer Kriegsbeschädigung rekonstruierte Leinwandhaus, dahinter die 1503 erbaute und bereits 1870 abgerissene Stadtwaage. Zwischen Stadtwaage und dem sich am Horizont emporreckenden Walmdach des 1362 erbauten Hauses Fürsteneck sehen wir den östlichsten Bau der pitoresken Häusergruppe "Roseneck".

  • Hey RMA, vielen Dank, dass du dir die Arbeit gemacht hast und uns diese schönen Werke mal vorstellst :)

    Ich kann deine Unlust nur zu gut nachvollziehen - das halbe Forum + Gäste schaut in deinen Strang/Beitrag, aber alle zu faul, das mal kurz zu kommentieren. Geht mir auch manchmal so (z.B. hiermit). Davon sollte man sich aber nicht zu sehr entmutigen lassen - desto entschlossener man fortfährt, desto eher wird jemand deine Mühen zu schätzen wissen. :zwinkern:

    Zu den Zeichnungen an sich kann ich leider nicht allzu viel sagen, außer: Wow! Schon beeindruckend, was man zu dieser Zeit für Fertigkeiten hatte (meist handelt es sich dabei ja um "schnell dahingekleckerte" Skizzen, sowas kann heute kaum noch jemand, und wenn, braucht er dafür ungleich mehr Zeit). Der Vergleich mit heute macht dann wiederum auch etwas traurig, wenn er auch auf die scheinbar rosige Zukunft (Stichwort TR-Areal) hoffen lässt.

    Eine Frage noch: Du hast hier schon öfter mal sehr hochwertige Scans eingestellt - hast du da ein professionelleres Gerät zur Verfügung oder ist das ein üblicher Scanner für den Hausgebrauch?

    Nochmal vielen Dank und mach bitte weiter so!

  • ja, vielen dank, super interessant!!

    PS
    ich denke, Du kannst den erfolg an der anzahl der besucher messen, nicht nur an den kommentaren. und das ist doch eher auch normal so...
    bin auch immer überrascht, wenn ich in die faz oder nzz schaue und pro artikel hat es keine bis max 15 kommentare... bei 5 millionen potentiellen lesern in D/A/CH

  • Zitat von "RMA"

    Auch wenn die Tatsache, dass hier seit dem letzten Post wieder mehr als 1.000 Leute mitgelesen haben, aber außer Philipp sich keiner zu einem Kommentar hinreißen lassen konnte, gelinde gesagt etwas Unlust verbreitet, will ich mal fortfahren.

    Mach d'sch ma logger - manche schauen eben und freuen sich still, dann muß man sich auch nicht extra einloggen, und nicht jeder hat die Zeit, alles zu kommentieren, auch wenn man's gern tun würde. Aber ich versteh's schon: Man freut sich eben über ein paar Kommentare, wenn man hier was eingestellt hat. Wenn der Beitrag allerdings kaum aufgerufen würde, wär's aber doch wesentlich unbefriedigender, als wenn er nur nicht oder von wenigen kommentiert wird, oder?

    Ehrlich gesagt finde ich Fotos spannender als Zeichnungen; vermutlich weil ich alte Fotos zu 100 %"trauen" kann, an denen ist in der Regel nichts geschönt, retuschiert oder manipuliert. (man hat früher ja höchstens mißliebige Zeitgenossen wegretuschiert). Außerdem interessiert mich die Altstadt im Zustand vor der Zerstörung mehr, ich weiß auch nicht warum. Aber das ist nur meine persönliche Meinung, daher laß Dich bitte nicht beirren oder gar frustrieren. Trotzdem vielen Dank für die Zeichnungen! :klapps:

  • Ich schätze gute Dokumentationen, die nicht aus der unmittelbaren Vorkriegszeit stammen, denn sie sind selbst für die bedeutendsten Städte des Reiches selten. Den letzten Weltkrieg als Grenze zu betrachten, empfinde ich immer wieder als "unnatürlich", wenn auch nicht als ganz willkürlich. Die (manchmal schleichende) Zerstörung der schönsten Stadtbilder aus Mittelalter und Früher Neuzeit begann lange vor diesem Kriege. Alte Pfarrkirchen und Klöster mit ihren überkommenen Anlagen fielen schon der Säkularisation, prächtige Torbauten den Mauerschleifungen, bürgerliche Straßenzüge gründerzeitlichen Durchbrüchen, tradierte Stadtbilder den als "konservatorisch" empfundenen Kirchenfreilegungen zum Opfer. Das Erbe der städtischen Glanzzeit fiel mit dem Aufsteigen der Territorialstaaten in einen Dornröschenschlaf und wurde schließlich im 19. Jahrhundert Stück für Stück zugrunde gerichtet. Es ist eine Entwicklung, die es auch ohne den Zweiten Weltkrieg gab, auch wenn es dieser war, der mit "totaler" Konsequenz jeden Rest auslöschte. Es hängt im Einzelfall von der Stadt ab, welche Zerstörung schlimmer war. Das alte Köln gab es bereits vor den Bomben nicht mehr.

    Manchmal ist es Zufall, daß ein Kriegsverlust überhaupt noch zerstört werden konnte. Ist es sinnvoll, sich mit dem Untergang eines Bauwerks allein deshalb zu beschäftigen, weil er durch Bomben herbeigeführt wurde - und nicht mit der Spitzhacke?

  • marc!,
    Die Zurückhaltung mag daran liegen, daß viele Leute nur dann einen Beitrag verfassen möchten, wenn sie damit etwas Inhaltliches beizutragen glauben. Wenn niemand auf meine Neuigkeiten aus Bonn antwortet, werte ich dies daher nicht als Desinteresse. Aber vielleicht bin ich ja zu optimistisch... :gg:

    RMA,
    wenn es so weitergeht, wie es die erste Zeichnung verspricht, kannst Du wirklich ein Schmuckstück Dein eigen nennen.

  • Ui, da hab' ich ja was angerichtet. Alleine die große Resonanz auf meine ja noch eher leise Kritik zeigt, dass es hier im Forum doch noch wesentlich humaner zugeht, als ich es von anderen Foren gewohnt bin. Danke für die aufmunternden Worte an alle. :peinlich:

    Zu den einzelnen Fragen:

    Zitat von "erbsenzaehler"

    [...] Eine Frage noch: Du hast hier schon öfter mal sehr hochwertige Scans eingestellt - hast du da ein professionelleres Gerät zur Verfügung oder ist das ein üblicher Scanner für den Hausgebrauch?

    Ich setze einen Epson Perfection V700 ein, das ist schon einer der besseren Scanner (~ 500 €). Einen großen Anteil macht aber auch eine zeitintensive Bildbearbeitung aus. Dazu kommt im konkreten Fall noch, dass es sich um Lichtdrucke handelt. Die sind im direkten Vergleich mit dem heutigen Offsetdruck von geradezu unfasslicher Qualität. Um nicht zu sagen, dass es wohl kein besseres Druckverfahren gibt.

    Zitat von "Gregor"

    Ich schätze gute Dokumentationen, die nicht aus der unmittelbaren Vorkriegszeit stammen, denn sie sind selbst für die bedeutendsten Städte des Reiches selten. Den letzten Weltkrieg als Grenze zu betrachten, empfinde ich immer wieder als "unnatürlich", wenn auch nicht als ganz willkürlich. Die (manchmal schleichende) Zerstörung der schönsten Stadtbilder aus Mittelalter und Früher Neuzeit begann lange vor diesem Kriege. Alte Pfarrkirchen und Klöster mit ihren überkommenen Anlagen fielen schon der Säkularisation, prächtige Torbauten den Mauerschleifungen, bürgerliche Straßenzüge gründerzeitlichen Durchbrüchen, tradierte Stadtbilder den als "konservatorisch" empfundenen Kirchenfreilegungen zum Opfer. Das Erbe der städtischen Glanzzeit fiel mit dem Aufsteigen der Territorialstaaten in einen Dornröschenschlaf und wurde schließlich im 19. Jahrhundert Stück für Stück zugrunde gerichtet. Es ist eine Entwicklung, die es auch ohne den Zweiten Weltkrieg gab, auch wenn es dieser war, der mit "totaler" Konsequenz jeden Rest auslöschte. Es hängt im Einzelfall von der Stadt ab, welche Zerstörung schlimmer war. Das alte Köln gab es bereits vor den Bomben nicht mehr.

    Manchmal ist es Zufall, daß ein Kriegsverlust überhaupt noch zerstört werden konnte. Ist es sinnvoll, sich mit dem Untergang eines Bauwerks allein deshalb zu beschäftigen, weil er durch Bomben herbeigeführt wurde - und nicht mit der Spitzhacke?

    Du hast vollkommen Recht! H. K. Zimmermann schreibt in "Das Kunstwerk einer Stadt" über den das Mittelalter verklärenden Klassizismus in Frankfurt, der seinerseits direktes Kind der Aufklärung war, auch so passend: "Soll man es nun als ein tragisches Schicksal bezeichnen, dass die gleiche Bewegung, welche die deutsche Philosophie, Dichtung und Musik zu bisher unerreichten Höhen führte, auf der anderen Seite einen Verfall aller guten Überlieferungen im Bereich der bildenden Künste - nicht sofort, nicht mit einem Male, aber doch mit unaufhaltsamer Zwangsläufigkeit - nach sich zog?" Der Satz hat im Prinzip bis heute nichts an Gültigkeit verloren, ganz im Gegenteil!

    Zum Abschluss dieser nachdenklichen Worte noch ein Frankfurter Baudenkmal, das Aufklärung, Gründerzeit, Bombenhagel und Nachkriegszeit überstanden hat und bis heute von mittelalterlicher Größe kündet, das Bild ist von 1872:


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