• Danke Bautzenfan für Deinen weiteren interessanten Beitrag (und das trotz Stress- also wegen mir musst Du Deine Gesundheit nicht aufs Spiel setzen :zwinkern: ) Das mit den Grundmauern hatte ich mich schon mal gefragt, als ich von meiner Omi private Fotos gesehen habe, die sie 1945 geschossen hat. Ich bin ein bisschen zwiegespalten, ob ich eine Kreisentwurfverwirklichung besser gefunden hätte... Also vom Stil hätte es auf jeden mehr gepasst als die zwei jetzigen Würfel, andererseits hätten Sie auch den Semperbau in der ganzen Dimension verhunzt. Ist so ein bisschen wie ein Trabbi, der zur Strechlimosine umgebaut wurde. Naja ist je nicht gekommen. Aber um das Fernheitzkraftwerk finde ich es wirklich sehr schade, zumal der Platz eigentlich noch frei ist. Das wäre genauso berühmt geworden wie die Yenitze v.A. Jugendstiel war selten in Dresden. Man hätte so ein geiles Restaurant mit flair daraus machen können...

  • Polierter Gips muss nicht schlechter sein als Marmor. Stuckmarmor z.B. (s. Alte NG Berlin) ist teurer als richtiger Marmor. Außerdem erlaubt solcher Marmor eine freie Farb- und Mustergebung.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Zitat von "Antiquitus"

    Polierter Gips muss nicht schlechter sein als Marmor. Stuckmarmor z.B. (s. Alte NG Berlin) ist teurer als richtiger Marmor. Außerdem erlaubt solcher Marmor eine freie Farb- und Mustergebung.

    Ja wirklich? Wusste ich gar nicht. :)
    Ich dachte immer das wären so Billiglösungen.

    Dann sehe ich die Innengestaltung der Semperoper ja plötzlich ganz anders.

  • Lass dich nicht zu schnell überzeugen. ;) Es gibt viele Varianten von simuliertem Marmor. Stuckmarmor ist oft teurer, aber es gibt freilich auch billigere Varianten.

    Stuckmarmor – Wikipedia

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Nur noch zur Ergänzung von Antiquitus:

    Die Verwendung von Stuckmarmor bei der innenarchitektonischen Rekonstruktion der Semperoper entspricht haargenau der Ursprungskonzeption von Semper. Das war definitiv keine der wirtschaftlichen Notlage der DDR geschuldete Vorgehensweise. Semper hatte hierbei auf eine alte Technik zurückgegriffen, die im Barock und Rokoko eine breite Anwendung besaß. Dieses Material, obwohl visuell gleichartig und von gleicher Härte wie „echter“ Marmor, hat nämlich viele Vorteile. So kann zum Beispiel jede Farbnuancierung und Maserung hergestellt werden. Stuckmarmor ist zudem wesentlicher leichter zu bearbeiten. Die Wiedererschaffung der Stuckmarmor-elemente gehörte übrigens zu den vielen denkmalpflegerischen Problemfeldern, die im Zuge des Opernaufbaus gelöst werden mussten:

    Zitat

    Rekonstruktion der Marmorierungsarbeiten in der Semperoper in Dresden
    Quelle: Das Maler- und Lackiererhandwerk, 1990

    Zu Beginn der Rekonstruktion der Stuckmarmorarbeiten gab es in Dresden nur einen Stukkateur, der diesen Marmor noch herstellen konnte. Er benötigte für die ersten drei Säulenmäntel sechs Wochen, ehe die Qualität den Anforderungen der Denkmalpflege entsprach. Aus den Arbeiten an der Semperoper hat sich eine "Dresdner Schule" entwickelt, die heute höchsten Anforderungen gerecht wird und schon in zahlreichen anderen Objekten gewirkt hat.

    Das folgende Foto zeigt beispielhaft Stuckmarmorsäulen im Foyerbereich der Semperoper:

    http://www.trivago.de/dresden-21467/…693/bild-i21857

  • Zitat von "Treverer"

    Ist es wahr, dass die ganze Innenaustattung eigentlich ein fake und minderwertig ist? Also das z.B. aller Marmor nur polierter Gibs ist?

    Habe erst dieses Jahr eine Führung in der Semperoper gemacht. Die Säulen, z.B. in den Treppenaufgängen, waren auch schon vor der Zerstörung aus Stuckmarmor. Einer der größten Probleme beim Wiederaufbau war die Neuanfertigung des Stuckmarmors. Es gab viele Fehlversuche bis man den "Dreh" raus hatte. Von "minderwertig" oder "billig" kann man bei Stuckmarmor allerdings nicht sprechen. Denn Stuckmarmor ist teurer als echter Marmor. Die Herstellung ist äußerst Zeitaufwendig und deshalb so teuer. Früher war dies anders: da war die Arbeitszeit billig und die Transportkosten (aus Italien) hoch. Heute ist die Arbeitszeit teuer und der Transport billig. Einen Vorteil hat Stuckmarmor noch: man kann Farbe und Maserung selbst bestimmen.
    Eine Besonderheit ist übrigens die Eingangshalle. Diese ist nicht wie auf dem ersten Blick mit Holz ausgekleidet, sondern es handelt sich ebenfalls um Stuck, der mit Holzdekor bemalt ist. Die Führerin meinte, dass es so was nur in der Semperoper gibt. Was mir neu war, ist, dass der Zuschauerraum um einige Meter verbreitert und verlängert wurde.
    Eine witzige Begebenheit, ist dass das sächsische Staatswappen auf dem Kronleuchter im Zuschauerraum spiegelverkehrt ist. Grund: es gab von dem Kronleuchter nur Fotoplatten (aus Glas); diese hatte man dann von der falschen Seite betrachtet :zwinkern: Sowas dürfte eigentlich nicht passieren!

  • Zitat von "BautzenFan"

    Dieses Material, obwohl visuell gleichartig und von gleicher Härte wie „echter“ Marmor, hat nämlich viele Vorteile.

    Bzgl. der Härte steht bei Wikipedia (s.o.) was anderes - was ja nichts heißen muss. Ich finde es allerdings plausibel, dass polierter Stuck weicher ist als Naturmarmor.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Zitat von "Antiquitus"

    Bzgl. der Härte steht bei Wikipedia (s.o.) was anderes - was ja nichts heißen muss. Ich finde es allerdings plausibel, dass polierter Stuck weicher ist als Naturmarmor.

    Prinzipiell ist wikipedia eine tolle Sache, nicht zuletzt wegen der freien Zugänglichkeit und der Breite der behandelten Sachgebiete. Aber im Fall des hier angesprochenen Widerspruchs vertraue ich dann doch der folgenden Quelle mehr:
    Im bereits genannten Fachbuch (Das Maler- und Lackiererhandwerk, 1990) wird der für die Restaurierungsarbeiten im Dresdner Zwinger zuständige Stukkateur-Meister Willi Jänschke aus Dresden zitiert, der als einen Vorteil von Stuckmarmor aufführt (wörtlich):
    Stuckmarmor wird so hart wie Naturmarmor.
    Die Erklärung liegt in der Herstellung und Zusammensetzung:
    Die Marmorierungsschicht (bezogen auf die Arbeiten in der Semperoper) bestand aus einer Mischung aus 90 % Gips, 5 % verschiedenen Leimen (unter anderem tierischer Hautleim) und ungefähr 5 % Farbzusatz.

  • Ich meine diese Panoramen von der Semperoper gibts schon länger.
    Lustig ist auf dem Foto mit Blick auf die Hofkirche der Schatten des Fotografen: würde einen guten Stoff für einen Thriller abgeben

    ("Und sie erblickte plötzlich den Schatten an der Säule. Das Herz schlug bis zum Halse. Langsam drehte sie sich um- doch da stand keiner. Sie wendete sich wieder zur Säule, der Schatten war jedoch nicht von der Stelle gewichen. Da packte sie die kalte Panik und sie stürzte sich vom Balkon." :zwinkern: )

  • ...also wenn ich mir diese Bilder anschaue, muss man doch sagen, dass es die DDR toll hinbekommen hat, diese Oper so toll zu rekonstruieren. Im Gegensatz zum reichen Frankfurt, die es nicht geschafft haben, ihre Oper von innen auch so schön zu errichten. Da sieht man es: Geld ist nicht alles...

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • Zitat von "memet"

    ...Da sieht man es: Geld ist nicht alles...


    Dazu müßte man die Kostenstruktur vergleichen.
    In der DDR waren die Arbeitskosten nicht das Problem, aufwendige Handarbeiten durch erfahrene Spezialisten waren bezahlbar.
    Engpaß war da eher das Material. Da kam entgegen, daß schon Semper mit Imitaten gearbeitet hat.

  • Das hat kaum etwas mit Geld zu tun, sondern vielmehr mit den politischen Weichenstellungen. In Frankfurt war die Rekonstruktion politisch nicht gewollt, in München oder Wien hingegen schon.

    Entsprechend wurden dort viele Gebäude sehr früh wieder rekonstruiert - und das, obwohl ja Wien genauso wie Berlin geteilt war und dem Viermächtestatus unterlag (man denke nur an die Wiedereröffnung des mit der Semperoper fast identischen Burgtheaters oder der Staatsoper bereits 1955).

    Umgekehrt ist ja nur dem mutigen Eintreten Dresdner Bürger und Denkmalpfleger zu verdanken, daß Schloß und Co. überhaupt erhalten blieben. Das Schloß wurde zwar auch zum Wiederaufbau bestimmt, allerdings waren die personellen Ressourcen knapp, zumal das für den Aufbau vorgesehene Personal noch andere Aufgaben nebenher zu erledigen hatte (ich kann mich an ein Interview erinnern, demzufolge die wenigen Bauarbeiter für das Schloß immer wieder abgezogen wurden, um an anderer Stelle Arbeiten zu erledigen).

  • Ausgehend von meinem Beitrag über eine Schlossbesichtigung im Jahre 1976 hier einmal zwei Fotos, welche am selben Tage - nach Teilen der Schlossruine wurde der Semperbau einer Besichtigung unterzogen - gefertigt wurden.

    http://www.starkes-dresden.de/foren/oper_1976_01

    Ein Blick auf die einst ausgeführte Probeachse. Interessant sind die Reste der in den Jahren 1909/1912 Übermalung und der Tapetenbespannung auf der rechten Seite des Fotos.

    http://www.starkes-dresden.de/foren/oper_1976_02

    Zustand des linken Vestibüls. Im Hintergrund sind ebenfalls Proberekonstruktionen der Kunstmarmorsäulen zu erkennen.

    Matthias

  • Aber auch Hänsch selbst ist eine sehr ambivalente Persönlichkeit. Auf der einen Seite ist er ein großer Verfechter "seines Kulturpalastes" und sorgt in der Gestaltungskommission sicher nicht für viel Freunde bei uns. Auf der anderen Seite hat er den weitgehend historischen Wiederaufbau der Semperoper geleitet und in den 90'er Jahren den Zuschauerraum des Schauspielhauses von einer interessanten und gelungenen Nachkriegsfassung auf seine Ursprünge zurückgeführt.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Moderationshinweis (bilderbuch): Nachfolgende Beiträge aus dem Strang "Dresden - marode!" hierher verschoben.

    Zufällig, wirklich zufällig, ich pflege meine Zeit am Samstagabend nämlich nicht mit Fernsehen zu verschwenden, musste ich mir (vor)gestern Ausschnitte vom diesjährigen Dresdner Opernball mitanschauen. Dieses Spektakel machte keinen günstigen Eindruck auf mich und stellt einen exorbitanten Abfall zum Wiener Pendant dar. Ich kann das sagen, da ich dem Wiener Ereignis eigentlich auch nur Verachtung entgegenbringe, es ist ein widerwärtiges Schauspiel der Reichen, was da abläuft, unsympahtisch bis zum Exzess, ein Stelldichein für den Abschaum aus Politik und Wirtschaft sowie einigen eher vertrottelten "Prominenten" (was ja auch ja im Grunde bei uns auch auf Abschaum hinausläuft).
    So weit, so schlecht. Aber was in Dresden da geboten wurde, ist geradezu haarsträubend. Bei uns können die höheren Töchter, schlecht gepudert, wie sie sind (das kann man in einem bundesdeutschen Forum so sagen, da es dort eh keiner versteht), immerhin Walzer tanzen. Nicht, dass ich dieser Fertigkeit so große Bedeutung zumessen würde und dass dies eine conditio sine qua non für meine etwaige präsumtive Ehefrau wäre, aber wenn man sich unbedingt bürgerlich gerieren will, sollte man die bürgerlichen Formen auch beherrschen. Genau darum geht es aber, und dies ist das Erschreckende: das war ein Bierzeltfest in Dresden, ein Musikantenstadel, und keine Opernball. Gibt es hier tatsächlich kein Bürgertum mehr? Keine sozial gehobene, wenngleich höchst durchschnittliche Intelligenz, die sich noch halbwegs stil- und kulturbewusst zu vergnügen versteht? Sind die homines americani schon bis zur östlichen Elbe vorgedrungen?
    Drittklassige Popstars (wobei schon erstklassige Popstars unangemessen wären), Moulin rouge- Darbietung, eine nach US-amerikanischen Vorbild ablaufende seichte Show ... irgendwie hätte ich mir die Herzeigeveranstaltung des sozial gehobenen, sprich bürgerlichen Dresdens anders vorgestellt.
    So läppisch der Wiener Opernball auch sein mag - diese Niveauunterschreitung tat einem Freund Dresdens geradezu weh.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Eine witzige Ableitung des Begriffs "Dresden - marode". :lachen: Also, was wird denn für ein Bürgertum erwartet, in einer Region, die über 40 Jahre kommunistisch gemäht wurde? Da reicht doch ein Blick ins übrige Osteuropa. Das dortige Großbürgertum ging ins Exil, der Rest ins Kombinat. Ein Bürgertum entwickelt sich dort erst wieder aus der sich frisch herausgebildeten Schicht an Neureichen, Ex-Bürokraten und Mafiaangehörigen. Um daraus wieder kulturellen Geschmack entstehen zu lassen bedarf es allerdings noch Zeit. Dies auch in Deutschland, dass ohnehin traditionell nicht mit Noblesse gesegnet ist. Gleichwohl besteht, was die Inszenierung solcher Bälle zeigt, die Sehnsucht nach solch aristokratisch-großbürgerlichen Lebensweisen.