• Hallo bin neu hier im Forum...btw tolles Forum !
    Ich kann die harsche Kritik an Würzburg hier auch nicht ganz nachvollziehen.
    Sicher gibt es einige Bausünden und lieblosen 50er Wiederaufbau, aber bedenkt mal wie viel "große Baudenkmäler" (Residenz, Festung, Dom, altes Rathaus) wieder hergestellt wurden. Mehr wird wahrscheinlich nicht drin gewesen sein an Wiederaufbau in den 50er, 60er Jahren, zumal ich gelesen habe das man Würzburg gar nicht wieder aufbauen wollte, sondern als Mahnmal so belassen wollte wie es der WW2 hinterlassen hatte,
    Ich finde man hat zumindest immer noch ein gewisses Flair im Zentrum, auch wenn leider manches in den Augen wehtut.
    Also ich komme aus Pforzheim und ich weiß wovon ich rede, denn dort ist nichts mehr historisch...wirklich nichts mehr. Wenn ich schon mit Freunden und Bekannten in Würzburg war und ich erwähne das die Stadt ähnlich kaputt war nach dem Krieg wie Pforzheim, höre ich immer nur, warum hat man das bei uns in Pforzheim nicht auch so gemacht. Du hast in Würzburg eigentlich trotz allem immer historische Bauten im Blick, egal wo du bist in der Innenstadt...und wenn es nur die Festung Marienberg ist:-).

  • Man musst nicht Pforzheim (oder Ludwigshafen, oder Kassel) erleben, um Wuerzburg positiv zu bewerten! Trotz einiger visuelen Stoerungen, ist ein Spaziergang von der Alten Mainbruecke, durch die Domstrasse, die Schusterstrasse, den Schmalzmarkt bis zum Neumuenster, und dann vom Marktplatz durch die Hafnergasse zum Juliusspital ein beeindruckende Erlebniss! Ich persoenlich finde das Wiederaufgebaute Wuerzburg in Summa bezaubernder als die fast unzerstoerte Bamberg...

  • Allerdings handelte es sich bei Würzburg, ähnlich wie bei Nürnberg, um eine kulturgeschichtlich herausragende Stadt. Sicherlich einst ein Leuchtturm in Europa nördlich der Alpen.

    Und hier kann ich mich Ursus nur anschliessen, es ist abwegig, ja geradezu grotesk, den Wiederaufbau Würzburgs - angesichts der flächendeckenden Misere, welcher der Wiederaufbau in den altbundesdeutschen Mittel- und Grossstädten hinterlassen hat - zu relativeren, bzw. sich selbigen gar schön zu reden. Selbstverständlich haben die verhunzten Abbilder Nürnbergs und Würzburgs allemal noch mehr Strahlkraft als wiederaufgebaute Städte der Sorte Oberhausen, Pforzheim, Hannover etc. Aber schon allein letztgenannte Städte als Vergleichsgrössen heranzuziehen, kann nur als herabwürdigend aufgefasst werden, gemessen an der einstigen Bedeutung und Strahlkraft der beiden fränkischen Grossstadtschwestern.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Nun, es soll auch schon Pferde vor Apotheken gegeben haben, welche von Dresden und [lexicon='Leipzig'][/lexicon] als sächsischen Schwesterstädten sprachen. Wü und N sind gewiss sehr verschieden, dies zu bestreiten, hätte keinen Zweck. Es sind aber dies die beiden einstigen herausragenden fränkischen Großstädte und Fürth har nun gar nichts verloren in dieser Aufzählung. Den Status einer "Großstadt" hat es auch erst 1990 erlangt.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Würzburg hat sich vor allem bis heute ein wunderschönes Weichbild bewahrt, was vor allem an den vielen Türmen und den roten und braunen Dächern liegt. Die Dachlandschaft und das Mainufer ist zumindest aus der Ferne weitestgehend von modernistischem Wildwuchs frei, was zu einer der eindrucksvollsten Stadtpanoramen in Deutschland beiträgt, auf einer Stufe z.B. mit Heidelberg. Und Würzburg ist trotz seiner Größe bis heute überschaubar und behaglich geblieben, wenn ich da zum Vergleich nur an die Möchtegern-Metropole Frankfurt denke.

    In dubio pro reko

    3 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (29. Dezember 2013 um 16:03)

  • Zunächst: Danke Valjean, genau das ist es.

    Ob wir in Österreich Besseres gewohnt sind, Zeno?
    Natürlich, denn wir hatten keine so schweren Zerstörungen. Und was die Qualität des Wiederaufbaus anbelangt - das haben wir schon woanders diskutiert.
    Feststeht, dass es so eine Stadt* wie Würzburg außerhalb Deutschlands nicht gibt.
    Aber eins schwör ich dir: gerade Wü hätten wir besser hingekriegt (wobei "schlechter" mE nicht denkbar ist, was meine aussage etwas relativiert).

    "So eine Stadt" (*) will meinen:
    1) derartige ausgesprochene Kulturstädte sind in aller Regel nicht zerstört worden. Die Deutschen haben das nicht gemacht, und die Angloamerikaner ebenfalls nicht außerhalb Deutschlands. Im Bereich der Russen hat es eine derartige Stadt nicht gegeben.
    2) Ist eine kulturell bedeutsame Altstadt aber dennoch ausnahmsweise zerstört worden, so hat man stets eine besondere Fürsorge beim Wiederaufbau walten lassen.
    Und zwar über die achso gelobte Wiederherstellung von Einzelbauwerken hinausgehend. Von Danzig bis Saint Malo kann man einige Beispiele anführen, auch in D.: Freundenstadt (nicht sehr schon , aber stimmig) und Donauwörth. Sogar in Braunschweig hat man sich bei den zentralen Plätzen bemüht.
    Und hier lässt es sich nicht leugnen, dass dieser Wille in Wü völlig, aber wirklich völlig fehlt.
    Und das ist schlimm, sehr schlimm. Eine Stadt ist mehr als ihre Kirchen, Burgen und Palais.
    Es ist absurd,
    die Peterskirche so schön wieder aufzubauen und daneben so einen geschmacklosen Kubus hinzustellen,
    Stift Haug zur Schauseite hin in derartige Nichtswürdigkeiten einzubetten (die Stadt war ja total zerstört, warum hat man hier nichts Neues schaffen wollen, einen kleinen Berninischen Petersplatz in schönem, zeitlosen Stil?),
    eine locker gefügte Barockstraße wie die Theaterstraße mit vielen erhaltenen wichtigen Bauwerken so zu verunstalten,
    die einigermaßen erhaltenen Petrini-Fassaden am Markt abzureißen und durch Schrott zu ersetzen, der sogar in Nürnberg Seinesgleichen sucht,
    ditto an der Stirnseite (O-Seite) des Oberen Marktes, nur damit um Kapelle und Falkenhaus nur ja keine Ensemblewirkung entsteht,
    vis-à-vis vom Grafeneckhart so eine besondere Belanglosigkeit hinzustellen, die man unlängst sogar bewusst nicht zum Besseren korrigiert hat,
    den weitgehend erhaltenen Bereich um Domschulstraße und östliche Neubaustraße nicht mit guten Füllbauten zu ergänzen, sondern mit (bis in die jüngste Zeit!) besonderen Geschmacklosigkeiten zuzuscheißen, als ob letztgenannter Infinitiv nicht auf diese gesamte "flächendeckenden Misere" (danke Valjean!) anzuwenden wäre!
    Sicher gibt es schreckliche Wiederaufbauleistungen en gros, aber gerade is Wü gibt es keinen noch so kleinen Funken eines gestalterischen Willens oder guten Geschmacks. Ja, ein solcher Wille und Geschmack wurden vorsätzlich mit Füßen getreten. Als ich in Wü war (mehrmals) habe ich mich augrund meines damaligen Alters nicht mit philosophisch-politischen Fragen auseinandergesetzt, aber ich konnte es nicht verstehen, wie man solche an sich höchst leicht vermeidbare Dinge tun konnte. Heute schließe ich nicht aus, dass es Absichtlichkeit war.
    Diese Menschen waren Barbaren, die - günstigstenfalls - nur die Klingelkassa im Kopf hatten und nicht einen Funken von Anerkennung verdienen.
    Und was dir an dem Terminus "Großstadtschwersten" nicht passt, Zeno ist nicht einzusehen. Natürlich sind sie das, Wü und Nü. Vollständig zerstört und abscheulich wiederaufbebaut, nur noch leere Hüllen, die man am besten von außerhalb oder von Weitem betrachtet und im Inneren nicht ertragen kann. Willst du zwischen würzburgischem und nürnberigschem Schrott differenzeren? Tut mir leid, das prägt eben diese Städte und die schönen alten Bauten, zugegebenermaßen an sich gar nicht so wenig, ertrinken darin.
    Ja Volker, von außen ist Wü ganz schön. Und? Kann das für einen Stadtbildfreund ausreichen, noch dazu in Kenntnis des inneren Zustandes? Wo man nämlich ja auch den Zerstörungsgrad sehr wohl von oben erkennt, nicht drüber hinwegsehen kann.
    Den Vergleich mit Salzburg, Zeno, lass lieber bleiben. Was das Panorama betrifft, so konnte Würzburg schon vor der Zerstörung nicht mithalten, wie auch kaum eine andere Stadt. Die alpine Lage bringt einfach eine einzigartige Kulissenhaftigkeit mit sich, die architektonisch ideal ausgenützt wurde. So etwas gibt es nicht einmal in Italien. In Mitteleuropa erst recht nicht - Rothenburg, Tangermünde, Nürnberg, Dresden, Budapest, Brünn, Znaim, Krumau - im Vergleich zu Salzburg fehlt ihnen die dritte Dimension. Nicht einmal Prag kann da mit.
    Ob das Bahnhofsviertel in Salzburg jetzt hässlicher als anderswo ist oder nicht, erscheint wirklich zweitrangig. Das Stadtpanorama braucht man nicht vom Bahnhof aus genießen zu können, da gibt es unzählige andere Punkte (dies ist mE der Hauptvorzug von Salzburg: der Blick von "außen" oder von "oben" ist hier quasi omnipräsent, und nicht nur von außen erlebbar).

    Sicher ist die Kaiserstraße ein besonders böse gewähltes Beispiel. Ich wußte nicht, wo sie liegt und dass sie keinerlei historische Tiefe aufweist. Aber, wie du selbst einräumst, Zeno - woanders ist es nicht besser! Und das ist das Schlimme, nämlich, dass ich vermeinte, derlei in Würzburg häufig, quais als Normalfall gesehenzu haben. Der unerträgliche Marktplatz mit Waschbetonfassaden ist nur der Gipfelpunkt.

    Und zum Schluss, da dies schon lang genug war nur noch Eines:
    Ihr könnt euch sicher sein, dass sich in Wü sehr, sehr lange nichts ändern wird. Dem allerersten Schritt müsste ein allgemeiner Meinungsumschwung vorausgehen, und ein solcher erscheint solange ausgeschlossen, als eine Horrorstadt wie Wü in einem Forum wie diesem so unerträglich schöngeredet wird.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (30. Dezember 2013 um 11:14)

  • Hier hätte ich noch einige Aufnahmen aus dem Jahr 2003 zu bieten, leider mit meiner allerersten Digitalkamera aufgenommen und daher technisch gesehen nicht wirklich gut.

    Man kann sehen, daß Würzburg immerhin kleinteilig aufgebaut wurde und zum Glück eben überwiegend nicht aus Kuben und Glaskästen besteht... da finde ich persönlich Städte wie Ludwigsburg schlimmer, die völlig unzerstört blieben, aber auch ein reichlich durchwachsenes Stadtbild aufweisen.


    Nachtrag: Ich habe noch einige der alten Fotos zu Flickr hochgeladen.

  • Ursus, ich muss dich leider enttäuschen: Würzburg hat mir gefallen :wink:

    Ich habe mich ja schon recht gefürchtet, aufgrund deiner fürchterlichen Stadtbildbeschreibungen...Aber so schlimm war es wirklich nicht. Natürlich ist Würzburg eine zerbombte, zerstörte Stadt mit nur mehr wenig historischer Substanz, aber trotzdem hat sie doch einen ganz eigenen Charme. Die so scharf kritisierte Kaiserstraße ist wirklich ein Extrembeispiel. In Einkaufsstraßen stehen natürlich solche Betonklötze, das war ja kaum anders zu erwarten. Aber in fast allen Nebenstraßen befindet sich eine ganz angenehme nachkriegszeitliche Wohn- und Geschäftsverbauung, die natürlich den alten, zerstörten Gebäuden in nichts nachkommt, aber doch irgendwie ganz schön ist und eine gute, "altstadtartige" Atmosphäre schafft. Besonders da die Häuser sich ungefähr auf die alten Grundstücksumfänge beschränken und dadurch die Häuserfronten ein bisschen unregelmäßig wirken, ja auch der alte Straßengrundriss bewahrt wurde, hat die Würzburger Altstadt an den meisten Stellen einen gemütlichen, historischen Charakter. Und dazwischen stehen immer wieder einige ältere historistische oder barocke Gebäude, über die man sich dann doppelt freut...

    Einzigartig ist m. E. vor allem die Dachlandschaft. Von der Festung aus lässt sich wirklich ein großartiges Panorama genießen: Keine grauen und weißen, langen Flachdächer oder Ähnliches... Im Gegenteil: Man kann fast nur schöne, rote Satteldächer sehen. Und die Turmkulisse: Stift Haug, Dom, etc... sieht einfach genial aus. Man kann ja fast meinen, Würzburg wäre im Krieg kein bisschen zerstört worden, wenn man dort auf einer Bastion steht und über das Häusermeer blickt... Auf den Fotos von slesiano (danke ;D) kommt das sehr gut zur Geltung. Da ja auch die Auflösung nicht so gut ist, könnte man wohl wirklich meinen, auf den Bilder eine erhaltene Altstadt zu sehen.

    Von den Straßen aus ist das, was man sieht natürlich nicht so berauschend wie aus der Vogelperspektive. Aber wie gesagt ist es insgesamt doch ganz annehmbar, und es gibt ja auch doch noch einige schöne historische Ensembles, wo keinerlei Neubauten stören, auch keine dem Stadtbild angepassten. Es existieren aber leider - das muss ich doch sagen - viele störende Bauten und Baugruppen. Eben die besprochene Kaiserstraße ist fürchterlich. Und es gibt eine ganze Menge grauslicher Innenstadt-Parkhäuser, als ob am Residenzplatz nicht schon genug Autos stehen können (haha schlechter Witz :lachentuerkis: ) Und ich muss auch noch über die verschandelte Domkrypta schimpfen, falls ihr die kennt...Betondecke über romanischen Säulen :gehtsnoch: !

    Man könnte noch genügend Dinge finden, die wirklich schrecklich sind, aber man soll sich damit nicht betrüben, sondern an den guten Sachen erfreuen, und von denen gibt es wirklich sehr viele! Also - jetzt zum 5. Mal einen Satz mit der ungefähr gleichen Aussage, nur zum Zusammenfassen am Schluss: Auch wenn es vieles zu kritisieren gibt - Würzburg ist eine sehr schöne Stadt, und der Wiederaufbau ist größtenteils recht gelungen.

  • Ich finde es interessant, dass keine andere Stadt in diesem Forum zu so unterschiedliche Reaktionen fuehrt, wie Wuerzburg!

    Zeno: gibt es Fotos von der Theaterstrasse vor der Zerstoerung?

  • RMA II:
    natürlich war ich in der Residenz! Man kann doch nicht einfach nach Würzburg fahren, ohne die Residenz anzusehen! Ich glaube, ich habe noch nie ein so beeindruckendes Barockschloss gesehen, vielleicht hat es mir sogar besser gefallen als Schönbrunn. Mit dem großen Residenzplatz - wenn auch leider als Parkplatz genutzt - wirkt das Schloss so monumental, diese "Inszenierung" ist einfach großartig, und bei den meisten anderen Schlössern nicht der Fall. Auch die Innenräume, traumhaft...

  • @TL

    Zitat

    Ich glaube, ich habe noch nie ein so beeindruckendes Barockschloss gesehen, vielleicht hat es mir sogar besser gefallen als Schönbrunn.

    Interessant zu lesen, da ich das bereits von mehreren Seiten auch gehört habe, dass die Würzburger Residenz für viele vermutlich berechtigterweise eines der schönsten Barockschlösser überhaupt ist.

    Ich selbst fand Schloß Schönbrunn im Inneren um einiges sehenswerter und besser und auch vollständiger erhalten als beispielsweise Schloß Versailles, welches ja ansonsten als Inbegriff barocker Pracht gilt (abgesehen natürlich vom tatsächlich unschlagbaren megalotomanischen Park). Die Würzburger Residenz kenne ich leider nicht persönlich, obwohl ich schon so oft dort vorbeigefahren bin...und deswegen bin ich Dir für diesen persönlichen Eindruck von dort sehr dankbar! Es scheint als ob die Würzburger Residenz alle anderen Barockschlösser Europas in den Schatten stellt - und das macht es natürlich sehr, sehr interessant!

  • Ich glaube, es ist eben die schon erwähnte "Inszenierung" der Residenz, die sie so eindrucksvoll macht: Der große Platz, mit den seitlichen Säulenkolonnaden. Und dann nochmals eine Steigerung zur Mitte durch den Ehrenhof. Und außerdem - das bewirkt wirklich sehr viel - ist das Gebäude ja steinsichtig. Eben das Äußere hat eine viel monumentalere Wirkung als irgendein anderes Barockschloss, das ich je gesehen habe. Das ist es, denke ich, was mich so begeistert.


  • Sicherlich existieren welche. Ob es auch welche im Netz gibt und wo die stehen, ist mir nicht bekannt. Der Bildindex hat so ohne weiteres nichts gebracht.

    Doch, da gibt es welche, auch wenn es mittlerweile sehr tricky ist, Bildindex URLs zu entlocken, eine Perspektive (nach der Zerstörung) entspricht sogar fast genau deinem gezeigten Bild des gegenwärtigen Zustands und verdeutlicht die singuläre Wiederaufbauleistung:

    http://www.bildindex.de/bilder/mi03266g12a.jpg

    Theaterstraße vor der Zerstörung (Standort muss ein Ortskundiger einordnen):

    http://www.bildindex.de/bilder/mi09125d05a.jpg

    http://www.bildindex.de/bilder/mi03266g11a.jpg

  • Auch von mir vielen Dank an Tobias für seine unvoreingenommenen Eindrücke. Eventuell haben ja die kritischen Beiträge innerhalb dieses Diskussionsstranges dazu beigetragen, dass er nicht mit einem allzu weichgezeichneten Bild nach Würzburg gefahren ist und womöglich enttäuscht gewesen wäre ;)

    Wenn nicht in einem Forum wie diesem, wo sonst sollten kritischen Anmerkungen gemacht werden, mit der unterschwelligen Hoffnung versehen, es möge sich dadurch irgendwann zum (noch) Besseren wenden.

    Aber nach Lage der Dinge bestehen für derlei Hoffnungen geringe Aussichten auf Erfolg. Man hat sich eingerichtet, sich mit dem Wiederaufbau arrangiert und findet Würzburg offensichtlich mehr als genug schön, so wie es ist.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Nun, was Freund Tobi betrifft, so muss zwecks hinreichender Würdigung seiner Darlegungen natürlich sein Alter in Betracht gezogen werden, wie wir denn auch Freund Weser erst richtig verstehen können, wenn wir folgende Weisheit des alten und ehrwürdigen Tacitus berücksichtigen, die da lautet:

    Zitat

    Major e longinquo reverentia


    Zenos Verteidungsversuche mittels Bilder gescholtener Straßen wiederum gehen ins Leere. Dieses zitierte Barockhaus verdankt seinen ach so glamorösen Wiederaufbau jenem erhaltenen, höchst bedeutsamen Rokoko-Portal, das man nun doch nicht so ohne Weiteres opfern konnte.
    Zurück zu Tobi und seiner Motivlage.
    Vieles an seinen ex prospectu transoenico unverständlichen ästhetischen Wertungen scheint mir nämlich auf hartnäckigen iuvenilen Trotz zurückzuführen zu sein. "Unvoreingenommen", wie RMA Secunda meint, ist da wohl nicht das richtige Adjektiv. Eher trifft das genaue Gegenteil zu.
    Sei's drum. Wir wollen es dem Tobias nicht anrechnen, sondern es bei einem verständnisvollen Augenzwinkern belassen. Immerhin sind wir ja auch einmal so gewesen. Aber ich freue mich schon jetzt auf Tobis Reisebericht aus einer Stadt, die viele Straßenzüge aufweist, welche den Würzburger Pendants zum Verwechseln ähnlich sehen, und für Tobi überaus leicht erreichbar sein dürfte: Attnang-Puchheim. Wer sich in Würzburg wohlfühlt, muss auch Attnang-Puchheim lieben, Tobi. Auch im Linzer Bahnhofsviertel ist gar Vieles ganz herbipolensisch geraten, und ein exzellentes Beispiel findet sich auch in unserer Bundeshauptstadt in Gestalt des Hohen Marktes. Üblicherweise wird der von Touristen nur wegen der Ankeruhr geschätzt, aber diesen Massen fehlt wohl noch das Gespür für so herbipolensische Feinheiten.

    Was nun die Diskussion um den Rang der Residenz anbelangt, so erscheint diese müßig. Mir persönlich erscheint der Außenbau durch die Sandsteinsichtigkeit zu schwer, auf jeden Fall ungewohnt, weshalb ich unsere Palaisbauten, etwa das sehr verwandte Obere Belvedere bevorzuge, natürlich Hildebrandt und nicht den eher farblosen imperialen Schönbrunn-Fischer. Im übrigen, exi, sollte man die Wü-Residenz schon in natura gesehen haben, wenn man hier mitschreibt. Was immer sich contra Herbipolim zu sagen ist, und das ist wahrlich viel, diese Zeit sollte man sich nehmen. Treppenhaus und Prunksaal sind wirklich einzigartig, mit dergleichen haben wir nicht aufzuwarten.
    Würzburg ist halt der Inbegriff einer touristisch sehr, sehr unangenehmen Stadt, einer Stadt, wie man sie als Tourist genau nicht will, so gesehen das Gegenteil einer mährischen Kleinstadt: als Stadt potthässlich und depremierend, aber mit sehr vielen verstreuten erstklassigen Sehenswürdigkeiten, weshalb man eigentlich die ganze trostlose Stadtfläche und noch einiges drüber hinaus (Festung Marienberg!) ablatschen muss.
    Wie gesagt, die Residenz entschädigt für vieles, wie auch manch Anderes- Juliusspital, Neubaukirche und Universitätskomplex, Stift Haug, Neumünster, Haus zum Falken - man darf Wü halt nicht als Stadt, sondern als Häufung von Einzelbauten sehen, die aufgrund ihres in aller Regel höchst unpassenden Umfeldes viel von ihrer Wirkung eingebüßt haben. Dies trifft natürlich nicht auf die Residenz zu, sieht man von dem in seiner Barbarei für diese Stadt typischen Missbrauch des Residenzplatzes als Zwischenlager für noch in temporärem Gebrauch befindlichen Schrott ab.


    Dies festos bene agatis et prosit vobis.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    2 Mal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (3. Januar 2014 um 14:53)

  • Ich bin jetzt dazu gekommen, diesen Strang genauer zu lesen und ich finde auch, dass ursus und Valjeans Einschätzung des Würzburger Stadtbilds zu negativ ist. Aber ihre Ansichten sind begründet und nachvollziehbar und haben die Diskussion in diesem Strang sehr belebt.

    Mein Eindruck der bisherigen Diskussion ist eh, dass wir uns im Grunde einig sind, dass das heutige Würzburg nur ein sehr schwacher und inferiorer Abglanz des herrlichen Stadtbilds der Vorkriegszeit ist. Wenn man wie die Meisten hier traditionelle Architektur bevorzugt und einen Großteil der Architektur seit Beginn des Siegeszuges des Bauhaus für minderwertiger als die früheren Werke der Baukunst hält, kann man nicht ernsthaft zu einer anderen Einschätzung kommen. Fast alle Bildvergleiche der Vorkriegszeit zur heutigen Bausituation zeigen dies doch eklatant. Und dieser Vorwurf gilt natürlich nicht nur für Würzburg, sondern im Grunde für jede deutsche Stadt.

    Trotzdem kann und muss man die Wiederaufbauleistung der Stadt Würzburg (und vieler anderer Städte) durchaus loben, finde ich.

    Die Vergleichsituation für diese Einschätzung muss immer der Ruinenzustand 1945 und nicht die Vorkriegssituation sein.

    Von heute aus gesehen kann man immer vieles kritisieren, aber man sollte eher versuchen, sich in die damalige Zeit des in jeder Hinsicht völligen Zusammenbruchs zurückzuversetzen, nachdem die moral bombing campain eine in der europäischen Geschichte einzigartige Zerstörungsorgie eines ganzen Landes bewirkt hatte.

    Und wenn ich die Ruinenbilder von Würzburg (und anderen Städten sehe), dann muss ich die Leistung des Wiederaufbaus einfach loben und froh sein, dass zumindest die bedeutendsten Bauten und Stadtstrukturen einigermaßen gut wiederhergestellt worden sind.

    Ein Vergleich mit dem angeblich besseren Wiederaufbau in anderen europäischen Ländern finde ich übrigens wenig hilfreich, angesichts des doch erheblich größeren Zerstörungsgrades Deutschlands und der damals (aber mit heutigen Abstand nicht mehr unbedingt) verständlichen Meinung, für die Zerstörung des eigenen Landes selbst Schuld gewesen zu sein. So gab es zum Beispiel damals (im Gegensatz z.B. zu Polen) verständlicherweise keinen Willen in Deutschland, das alliierte Zerstörungswerk nicht akzeptieren und, egal was es koste, rückgängig machen zu wollen.

    Wie ich zuletzt schon in Bezug auf den Wiederaufbau Münchens geschrieben hatte, ist die Frage wohl eher, ob man froh ist, dass doch noch einiges erhalten und wiederhergestellt wurde, oder ob man eher kritisiert, dass doch vieles verloren wurde und kein Wille bestand, die damals geringen finanziellen Mittel für einen noch besseren Wiederaufbau der Würzburger Altstadt zu investieren. Und ich gehöre diesbezüglich eher zur Fraktion, für die das Glas noch halbvoll und nicht schon halbleer ist.

    Allerdings, und das halte ich für sehr viel kritikwürdiger, wurde nach der ersten und prägenden Wiederaufbauphase, die grob bis Anfang der 60er Jahre ging, nichts besser gemacht und zwangsläufig beim Wiederaufbau erfolgende Fehler nicht rückgängig gemacht. Im Gegenteil, die größten Bausünden Würzburgs (und dies gilt wiederum für fast alle Städte des Landes) kamen erst ab den 60er Jahren, Und dafür habe ich dann wiederum kein Verständnis mehr .

  • Bravo - großartiger, ausgewogener Beitrag. Ich stimme dir voll und ganz zu!

    Ich liebe (das heutige - ich kenne kein anderes) Würzburg sehr, was nicht heißt, dass nicht etliches zu verbessern wäre.
    Dazu zählen f. mich aber auch die meist immer noch fehlenden Raumausstattungen in den Kirchen. Positiv zu werten ist in dieser Hinsicht, dass die katholische Kirche in etlichen Kichen für teilweise gute (moderat-moderne) Ersätze gesorgt hat, die die Bauten nun wieder füllen.

    Eine quantité indispensable ist m. E. aber die Aufgabe des albernen "romanischen" Dom-Nachkriegslanghauses und die Reko des herrlichen frühbarocken Stucks von Pietro Magno dort (kennt das hier eigentlich jemand??).

    Notabene: die Stukkaturen sind noch zur Hälfte da, wurden nämlich erst nach dem Krieg von den ruinösen LH-Wänden abgeschlagen und liegen noch als Originalsubstanz (!) bis heute unter dem Domdach. M. E. eine Kulturschande ohnegleichen - hier müsste dringend etwas getan werden. Wer gründet eine Bürgerinitiative??