• Von einer Aufwärtsentwicklung kann in der Tat keine Rede sein.

    Im Gegenteil, die ohnehin schon triste östliche Sebalder Altstadt wird wieder ein Stück hässlicher. Das Haus Maxtormauer 50 (direkt gegenüber der Stadtmauer) soll verschwinden. Es handelt sich um einen Vorkriegsbau (in dieser Ecke der Stadt höchst selten) von 1928. Dank Sockelzone aus Sandstein, Satteldach und Fensterläden passt es sehr gut in die Altstadt und harmoniert gut mit der Stadtmauer. (Bilder beim DAF, Haus mit Umgebung bei Street View)

    Nun soll das Gebäude abgerissen werden und der Platz mit Studentenwohnungen bebaut werden. Für den Neubau gab es einen Wettbewerb, dessen Sieger das Büro Dömges aus Regensburg ist. (Ergebnis)


    Die beigegebenen Erläuterungen lesen sich teilweise wie Satire: "Weiße Betonfertigteile rahmen die Fenster und bilden (...) das angemessene Gegenüber zum historischen Wehrgang."

    Fazit des Preisgerichts: "Insgesamt ein überzeugender Beitrag zur gestellten Aufgabe im historischen Kontext, der durch seine Zurückhaltung und unprätentiöse Gestaltung positiv hervorsticht." Unprätentiöse Gestaltung ist wohl ein Chiffre für langweilige Fassade.


    Viel interessanter ist für mich der drittplatzierte Entwurf, den das Preisgericht rundherum ablehnt. Das Büro johannesraum aus Nürnberg griff bei seinem Entwurf typische Charakteristika des Nürnberger Bürgerhauses auf.
    So sind zum Beispiel die Bauteile um einen Innenhof gruppiert und mit Laubengängen verbunden. Außerdem ist auf dem Entwurf ein einem Chörlein ähnelndes Fassadenelement zu sehen.


    Das Urteil der Jury zu diesem Entwurf lässt einen dann richtig wütend zurück: "Kritisch diskutiert werden auch die Zitate historischer Architekturelemente, die ihrer ursprünglichen Funktion beraubt, der Willkür preisgegeben scheinen." Der Denkmalschutz schloss sich diesen Einschätzungen an. disgust:)

  • HM... Warum sind die Lauben ihrer ursprünglichen Funktion beraubt? kann man nimmer drunter ummadumwandeln? Was ist mit dem Erker? Kann man nimmer rausschauen? Und das Dach, schützt es nicht vor Regen und Schnee?
    In Wahrheit sind es die Worte, die ihres ursprünglichen Sinnes beraubt sind und dieses Urteil der Willkür preisgegeben scheinen lassen.

    Ich will jetzt damit nicht sagen, dass ich diesen Entwurf goutiere.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Oh Gott... Das ist alles so so sehr peinlich!
    Man muss sich vorstellen, dass wir das unseren Nachkommen vermachen. Als Beispiele der Architektur unserer Zeit. Das macht nur noch sprachlos. Man weiß eigentlich gar nicht mehr, was man sagen soll. Mir stellt sich nur die Frage, ob diese Architekten (Es fällt schon schwer, diesen Terminus zu verwenden) sich nicht irgendwann abgrundtief schämen werden, einer Stadt so etwas angetan und sie wahrlich geschändet zu haben. Meine Güte...

  • ob diese Architekten (Es fällt schon schwer, diesen Terminus zu verwenden) sich nicht irgendwann abgrundtief schämen werden

    Ich glaube es nicht. Die befinden sich in ihrer Blase und sind letztlich von ihrer Arbeit überzeugt. Da müsste schon ein epochaler Umbruch kommen, um einige zur Scham zu treiben. Es kann aber sein, dass ein paar Architekten irgendwann mal eine Art Selbstkritik üben, um neue Wege zu beschreiten, die ihnen finanzielle Vorteile bringen.

  • In Deutschland?
    In Dresden, in Potsdam, in Hildesheim, in Frankfurt, in Ulm, in Lübeck, dort besteht noch Grund zur Hoffnung, dort tut sic was (was zumindest als "umstritten" angesehen werden kann).
    Aber nicht in keiner einzigen bayerischen Stadt.
    Sowohl aus Augsburg, als auch aus Würzburg und Nürnberg kommen aktuell nur Horrormeldungen. Übrigens auch aus unzerstörten Städten wie Landshut kommen nur Abrissmeldungen bzw -drohungen. Der Pellerhof ist eine Ausnahme allein auf weiter Flur.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Sowohl aus Augsburg, als auch aus Würzburg und Nürnberg kommen aktuell nur Horrormeldungen.

    Richtig! Bayern schient irgendwie städtebaulich nunmehr Ende der %0iger/Anfang der 60iger Jahre angekommen zu sein.

    Übrigens auch aus unzerstörten Städten wie Landshut kommen nur Abrissmeldungen bzw -drohungen

    und nicht zu vergessen Memmingen, eine Stadt die offensichtlich gerade dabei ist sich ihrer Vergangenheit zu entledigen.

    Eine solche Vielzahl Einbußen an bedeutenden, teils mittelalterlichen Bürgerhäusern gibt es in hessischen Städten seit Mitte der 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts nicht mehr.

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (15. September 2017 um 11:55)

  • ah, MM gehört auch zu Bayern...
    Na, dann ist's eh klar.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Fazit des Preisgerichts: "Insgesamt ein überzeugender Beitrag zur gestellten Aufgabe im historischen Kontext, der durch seine Zurückhaltung und unprätentiöse Gestaltung positiv hervorsticht." Unprätentiöse Gestaltung ist wohl ein Chiffre für langweilige Fassade.

    Sieht genauso aus wie ein durchschnittliches Amerikanisches Motel!

  • Zitat

    gibt es in hessischen Städten seit Mitte der 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts nicht mehr.

    Wieso? Hessen wurde doch, soweit nicht kriegszerstört, doch recht ordentlich erhalten, oder irre ich mich?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Hessen wurde doch, soweit nicht kriegszerstört, doch recht ordentlich erhalten,

    Ja aber eben erst seit den 70iger Jahren. Bis dahin wurden in vielen nicht kriegszerstörten Städten die Altstädte (teils systematisch) heruntergewirtschaftet. Erst dann hat ein Umdenken stattgefunden, für mache Bauten zu spät.

    Für meine Heimatstadt Wetzlar beispielhaft:

    Wetzlar

    Für andere Städte (Marburg, Herborn, Limburg oder das von Dir ja schon als Urlaubsziel auserkorene Idstein) gilt dies entsprechend.

    Interessantes Thema, aber off-topic

  • Gibt es keinerlei Möglichkeit dieses Projekt zu verhindern? Was sagt denn der Denkmalschutz zu dem Gebäude? Auch wenn es aus dem Jahre 1928 ist, ist es doch besonders für die ehemalige Steppe identitätsstiftend, auch wenn es eher ein bißchen abseits liegt.

  • Mir stellt sich nur die Frage, ob diese Architekten (Es fällt schon schwer, diesen Terminus zu verwenden) sich nicht irgendwann abgrundtief schämen werden, einer Stadt so etwas angetan und sie wahrlich geschändet zu haben. Meine Güte...

    Ich denke schon dass die Einsicht kommen könnte. Wenn diese Architekten alt sind und sich die Augen reiben, dass ihre Bauten bereits wieder abgerissen werden und von den jüngeren Generationen als Bausünde bezeichnet werden. Architekt ist heute eben kein Traumberuf mehr, was sie schaffen hat keine Gültigkeit, keine Beständigkeit mehr, keinen Wert.

    Etwas dagegen zu unternehmen erscheint mir mittlerweile zwecklos. In Nürnberg interessiert es zu wenige, meines Wissens nach haben die Altstadtfreunde hierzu auch noch nicht Stellung genommen. Der Wettbewerb ist eine Farce, das Ergebnis ein Witz, die Planungen sind eine städtebauliche Sauerei! Da frage ich mich wozu die Stadt Nürnberg hier erst aufwändig die Stadtmauer restaurieren ließ, wenn sie jetzt diesen Mist einfach durchwinkt und das Geleistete abwertet. Der Chef des Stadtplanungsamtes Dengler war schließlich in der Fachjury.

  • Mendelbruder, "Das Urteil der Jury zu diesem Entwurf lässt einen dann richtig wütend zurück: "Kritisch diskutiert werden auch die Zitate historischer Architekturelemente, die ihrer ursprünglichen Funktion beraubt, der Willkür preisgegeben scheinen." Der Denkmalschutz schloss sich diesen Einschätzungen an."

    Es wäre sehr gut, wenn du mal die Originaldokumente, in denen diese Einschätzung steht, posten würdest, die eignet sich hervorragend für eine exemplarische Darstellung der Unfähigkeit solcher Jurys auf unserer Vereinshomepage.

  • Siehe hier: http://www.competitionline.com/de/beitraege/144784

    Den letzten Satz habe ich so interpretiert, dass eine angepasste, "historisierende" Lösung vom Denkmalschutz explizit nicht erwünscht wird. "Aus Sicht der Denkmalpflege wird der Abbruch des Bestandsgebäudes bedauert, der vorgeschlagene Neubau vermag es nur sehr eingeschränkt das denkmalgeschützte Ensemble überzeugend und zeitgemäß fortzuschreiben." Die Betonung liegt auf "zeitgemäß"...

    Zum Siegerentwurf: http://www.competitionline.com/de/beitraege/144782

    Hierzu sagte der Denkmalschutz: "Im Vergleich zu den anderen Neubauentwürfen scheint der Entwurf am verträglichsten.".

  • Einer der Wettbewerbsteilnehmer mit einem gestalterisch brauchbaren Konzept, "johannsraum Architekten" aus Nürnberg bieten die offizielle Wettbewerbsdokumentation zum Nachlesen online an:

    https://johannsraum.files.wordpress.com/2017/08/wbw-ma…tion-170801.pdf

    Wortlaut des Urteils zu dem der Stadtmauer angepassten Entwurf ist (Dokumentation, Seite 27):

    Mir scheint als habe es sich das Preisgericht sehr einfach gemacht, hier zu prämieren was der Investor gewünscht hat. Fläche, Volumen, Effizienz und billiges renditeträchtiges Bauen, wurde gefunden, irgendwie gelobt, das gestalterisch bessere wird mit seltsamen Architektengeschwurbel diskreditiert. Ist ja okay, aber wozu dann einen Wettbewerb und eine Expertenjury? Da reicht ein Investor, ein williges Ingenieurbüro und ein positiver Bauvorbescheid.

    Der Denkmalschutz in Nürnberg ist hierbei hilflos. Fachlich, aber auch personell. Was ist schon ein Haus von 1928, wenn man anderswo noch Häuser aus dem 14. Jahrhundert untersuchen und Tonscherben aus Baugruben sieben muss.

  • Die Nachrichten aus Bavaria sind wahrlich eine einzige Katastrophe.

    Aber es gibt auch Hoffnung! Und zwar durch tatkräftiges Engagement. Wir können reden und uns Dinge herbeischreiben, jedoch tatsächlich selbst zur Rettung des architektonischen Kulturerbes etwas zu tun, hat sich dieser Verein auf die Fahnen geschrieben:

    https://www.kulturerbebayern.de

  • Gebäude ohne Denkmalschutz sind vogelfrei. Denkmalschutz ist keine Garantie für den Erhalt, aber er bietet Möglichkeiten zur Einmischung. Warum in einer stark zerstörten Stadt wie Nürnberg nicht jedes Vorkriegshaus in der Altstadt denkmalgeschützt ist, kann ich nicht verstehen. Dafür spricht allein der Zeitzeugenwert, unabhängig vom individuellen Erhaltungszustand. In Dresden und wenn ich mich nicht täusche auch in Leipzig, ist das so. Ein leidiges Thema, ich weiß. In Nürnberg kommt ja leider noch die antiquierte Grundhaltung des Denkmalschutzes hinzu, der Nachbau und Rekonstruktion generell verteufelt. Die Äußerungen im Zuge der Diskussion um das Pellerhaus waren diesbezüglich ja völlig entlarvend und desillusionierend. Hier kann man wohl nur auf eine biologische Lösung warten.

  • Es wird vielleicht von der Frankfurter Altstadt eine Signalwirkung ausgehen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.