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    Wenn es nur darum geht die perfekte Altstadtkulisse zurückzuzaubern, dafür ist die Altstadt doch zu heterogen, zu stark beansprucht, flächig zu groß und für das Zentrum einer Metropolregion geschäftlich zu wichtig. Wer das will hat genug Motive in Bamberg, Cadolzburg, Fürth, Erlangen oder Rothenburg o.d.T.

    Nach dem Motto: "Florenz ist zerstört? Ist doch egal, geh halt nach Fiesole oder Pistoia, wenn du was Hübsches photographieren willst! Aber lass unsere Shoppingmeilen in Florenz gefälligst in Ruhe!"

    Ja, ich hab's kapiert, eduard, nothor, dexter: euch gefällt euer 50'iger bis 70'iger-Jahre-Nürnberg und ihr wollt es auf keinen Fall gegen so was schreckliche Rückständiges wie eine der bedeutendsten spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Altstädte Europas eintauschen.
    Werdet halt glücklich damit. Solange sich diese Einstellung nicht wandelt, lohnt es sich nicht, in Nürnberg für irgendwas zu kämpfen. Wir sollten es aus der Liste unserer Reko-Anliegen streichen und die Nürnberger in ihrem 50'iger bis 70'iger-Jahre-Saft schmoren lassen. Es ist einfach sinnlos, sich für Nürnberg zu engagieren. Ich habe jedenfalls Besseres zu tun, als weitere 10 Jahre gegen Betonwände zu reden.

  • Zitat von Däne

    Nirgendwo hat man eine so große Altstadt rekonstruiert

    das ist richtig, und das wäre natürlich kaum möglich gewesen.
    Allerdings lautet der Vorwurf, dass rein NICHTS konstruiert worden ist bzw dass man selbst in ansatzweise erhaltenen Straßenzügen rein nichts zur Wiederherstellung des alten Stadtraums getan wurde. Daher geht die Auflistung einigermaßen ansehnlicher Straßen wie Füll, Unschlittplatz etc ins Leere - dass es dort so aussieht ist der Unzulänglichkeit der Zerstörung, aber keiner restaurativen Leistung zu verdanken. Es gibt in Nürnberg keine ungestörte Traditionsinsel.
    Ein ansprechender Stadtraum zwischen Hauptmarkt und Burg wäre natürlich möglich gewesen.

    In diesem Zusammenhang noch eine Kritik an Philon_

    Zitat

    Nürnberger Wiederaufbau der 50'iger Jahre, der freilich immerhin - und das ist schon von unschätzbarem Wert - weitgehend die Kubaturen und Grundrisse bewahrt hat


    Gerade dies ist nicht bzw nur unzureichend der Fall. Gerade in Nürnberg wäre damit wirklich viel zu gewinnen gewesen.
    https://www.google.at/search?q=N%C3%…f=1533715918184

    die hier zu sehenden Häuser sind grausame Verschnitte althergebrachter Bauformen, sie halten in Wahrheit nichts ein - keine Kubatur, keinen Grundriss, keine Binnenform. Sie sind ästhetisch-baukünstlerisch völlig wertlos.
    Dabei ist das noch ein einigermaßen geschöntes Beispiel.
    http://www.nuernberg.citysam.de/fotos-nuernber…zer-platz-2.htm
    Dies entspricht der Realität in weit größerem Maße.
    https://www.google.at/search?q=N%C3%
    es ist natürlich schwer, Mist, gegen Mist auszuspielen, aber mE geht es nicht tiefer und schlechter. Ein richtig moderner Wiederaufbau hätte wenigstens eine gewisse Kontrast- oder Verfremdungswirkung zu den Relikten ergeben.

    https://www.google.at/search?q=N%C3%…f=1533715918184
    Positive Beispiele wie die Zeile vor dem Fembohaus sind ganz sicher nicht der Regelfall. Auch hier ist allerdings ganz sicher nichts von unschätzbarem Wert. Gerade ob der Schlichtheit des Altbestandes wäre hier ohne sehr großen Aufwand viel zu machen gewesen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • @ ursus carpaticus:
    Für viele Bereiche der ehemaligen Altstadt hast du schon recht, insbesondere für St. Lorenz, aus dem alle deine Beispiele stammen.
    Es gibt aber auch Straßen, vor allem im Burgviertel und sogar auch in der "Sebalder Steppe", bei denen man immer wieder verblüfft ist, wie genau Grundriß und Kubatur der zerstörten Vorkriegsbauten aufgegriffen wurden. Ja, oft hat man auch Grundstücke zusammengefasst, aber das ließe sich mit einfachen Fassendenunterteilungen lösen.

    Ansonsten ganz richtige: Es geht nicht darum, alles zu rekonstruieren. Aber in Nürnberg hat man an privaten Profanbauten eben praktisch gar nichts rekonstruiert.

  • Ja und warum sollte man nicht die Rekonstruktion von Hauptmarkt anstreben? Das ware doch eine grossartige Anfang.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hauptmarkt_(Nürnberg)#/media/Datei%3ANuremberg_Aerial_Hauptmarkt.JPG

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hauptmarkt_(Nürnberg)#/media/Datei%3ANuernberg-stadt-rr-51-rr.jpg

    Die heutige Zustand ist ja wirlich nicht tragbar. Wie viel Gewinne ware nicht eine Rekonstruktion von die Hauptmarkt? Wichtich ware auch die Seite zu Pegnitz.

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…um_1905_001.jpg

  • @Philon
    nothor und auch die anderen wünschen sich schon Rekonstruktionen zurück und mit einem Entscheidungsträger im Format eines nothor könnt ich super leben und ich verstehe seine Einstellung, dass alles im Bereich des Machbaren liegen müsste. Und da liegt da Hase im Pfeffer. Maly & Co interessiert es nicht die Bohne, ob eine Reko machbar ist oder nicht. Es wird nach Kräften verhindert, bestes Bespiel: Rathaussaalausmalung, da schürte man erfolgreich Untergangsszenarien. Es gab keine Spur von Großzügigkeit und guten Willens gegenüber den Initiatoren. Und wie erleichtert waren alle, dass dieses lästige kulturelle Projekt endlich vom Tisch ist.
    Hätten die Entscheidungsträger ein Bewusstsein für die kunstgeschichtliche Bedeutung Nürnbergs, würden ganz andere Hebel und Schalter in Bewegung gesetzt werden und ganz andere Knöpfe gedrückt! Da bin ich überzeugt. Siehe Augustiner-“Hof“. Da ging es doch auch. Gegen sich selbst verhält man sich gerne sehr generös.(Nachrecherchieren lohnt sich)

    Beauty matters!

  • Wir sollten es aus der Liste unserer Reko-Anliegen streichen und die Nürnberger in ihrem 50'iger bis 70'iger-Jahre-Saft schmoren lassen. Es ist einfach sinnlos, sich für Nürnberg zu engagieren.

    Philon, dein emotionales Engagement weiß ich zu schätzen, aber ich habe durchaus Probleme zu verstehen, worauf du hinaus willst: Wer ist "wir" und was ist "es"? Geht es dir nun um die gesamte Stadt oder um bestimmte, einzelne Projekte? Es gibt immerhin einzelne Projekte, und die werden auch nicht weniger (aktuell Pellerhof, Hintere Ledergasse 43). Das Kernproblem für uns Foristen, die wir Städte visuell emotional erleben ist doch, dass auch dadurch kein zusammenhängendes historisches Stadtbild entsteht, selbst wenn man noch 100 Jahre so weiter macht. Man kann es also ganz aufgeben, oder sich auf lohnende Projekte fokussieren. Ich habe 2013 bei meinem Besuch in Budapest ein unendlich beeindruckendes Stadtbild erlebt, das gefühlt zu 100% historisch und authentisch war. Für mich war das ein Augenöffner, ich hielte es absolut nicht für möglich dass soetwas in diesen Dimensionen noch existiert. Aber ich habe auch gesehen, dass die Modernisierung historische Fenster verschwinden ließ und immer mehr Störer dazu kommen. Der Lauf der Dinge lässt sich nicht aufhalten, die Menschheit hat schon viele Stadtbilder verloren, durch Erdbeben, Brände und Krieg. Das schlimmste ist aber wenn ohne Sinn und Verstand für den Profit und die Mondernisierungssucht zerstört und verhässlicht wird. Und dazu zählt das aktuelle Projekt, andem sich hier die Diskussion entzündet hat - das Altstadt-Karree - sicherlich nicht, im Gegenteil. Hier wird verbessert. Nur weil man nicht gleich die gesamte Stadt mit abreisst, oder eine 1:1 Rekonstruktion fordert, soll man deswegen Nürnbergs Altstadt gleich ganz ignorieren? Ich habe mir letztens Dresden angesehen, das hat mich nicht wirklich vom Hocker gehauen. Da ist viel Kulisse, die Geschäfte und Häuser haben innen nichts historisches. Das einzige was mich wirklich überzeugt hatte war die Rekonstruktion des Schlosses mit dem Grünen Gewölbe und die Stadtsilouette. Die vielen Neubauten rund um den neuen Markt und die Frauenkirche sind sicherlich hochwertig, aber nicht nur vom Nahem zweifelsfrei Neubauten, schon die Stockwerkshöhen und Fassadendetails usw. verraten das. Und: Das Areal ist flächenmäßig doch echt überschaubar. Wer das heutige Nürnberg schmäht, der muss doch auch das Frankfurter Dom-Römer-Projekt oder Dresden ablehnen, denn dort wird auch nicht kompromisslos 100% gegeben.
    Für mich persönlich lohnt es sich aber, gegen Neubauprojekte zu argumentieren, die ganz offensichtlich nicht in die Altstadt passen, die gibts nämlich leider auch, wie die Maxtormauer 50-52. Dieses Projekt ist kein guter Beitrag für die Nürnberger Altstadt.

  • @nothor

    Warum ist die Instinkt Frankfurt und Dresden zu kritisieren - dann sollte doch Nurnberg es besser machen als diese Städten. Meinst du dass die Latte zu niedrig in Frankfurt ist? Oder ist es einfach nur - nicht ist gut in Dresden und Frankfurt und deswegen muss Nürnberg nichts ändern - nur kleine Projekte lohnen sich.

    Ist die Hauptmarkt in Nurnberg nicht wirklich eine lohnende Ziel von Rekonstruktionen?

    Einmal editiert, zuletzt von johan v2 (8. August 2018 um 16:08)

  • @ Franka:

    Richtig, das ist für mich absolut nicht nachvollziehbar. Dass sich die Politik aktiv dagegen wehrt, wenn Einwohner der Stadt etwas für ihre Stadt tun wollen. Das dürfte in Nürnberg und in dieser Ausprägung wirklich einzigartig sein. Der Rathaussaal ist nun immernoch leer und unausgemalt. Irgendwann, so meine Hoffnung, ist Maly Vergangenheit. Er wird dem Stadtbild dann nach >20 Jahren Bürgermeisteramt nichts hinterlassen haben, außer Sprüche und viele vertane Chancen. Den leeren Saal kann man aber auch in 20 Jahren noch ausmalen...
    Was mich auch ärgert ist die Haltung der Stadt, bei den Neubauten zu wenig auf Qualität und Anpassung zu achten. Nürnberg hat m.E. schon die Möglichkeit, hier Qualität zu fordern. Was in Dresden und Leipzig geht muss hier erst recht gehen, die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt gäbe eine solche Haltung durchaus her. Das bislang zum Altstadt-Karree vernommene stimmt mich aber optimistisch. Spannend wird es wenn es eines Tages um die Dresdner Bank am Obstmarkt geht, wer sich dann wie positioniert.

  • Der Lauf der Dinge lässt sich nicht aufhalten, die Menschheit hat schon viele Stadtbilder verloren, durch Erdbeben, Brände und Krieg. Das schlimmste ist aber wenn ohne Sinn und Verstand für den Profit und die Mondernisierungssucht zerstört und verhässlicht wird. Und dazu zählt das aktuelle Projekt, andem sich hier die Diskussion entzündet hat - das Altstadt-Karree - sicherlich nicht

    Ich weiß von griechischen Tempeln, die nach Kriegen mehrmals wieder rekonstruiert wurden. Auch Städte, die im 30-Jährigen Krieg zerstört wurden, sind wieder aufgebaut worden, bestimmt nicht mittelalterlich, aber trotzdem ansprechend und schön. (Beispiel Magdeburg, bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg). Noch nie wurde so schauderhaft und unmenschlich gebaut, wie heute.
    Was finden Sie an dem Altstadt-Karree besonders?
    Das rechte Gebäude hat ein Dach, sicherlich eine Verbesserung, nur ist das Dach leider durchlöchert. Und links daneben?
    Ein langweiliger 0815-Bau, auch eine Verbesserung, aber was hat es mit Nürnberg zu tun und was hat das mit einer Altstadt zu tun?

    Beauty matters!

  • @ Johan v2:

    Ich habe mit dem heutigen Hauptmarkt kein Problem. Vor Jahren gab es einen Wettbewerb zur Neugestaltung des Hauptmarktes und des Obstmarktes. Wesentlicher Inhalt aller Beiträge war der Austausch der historisierenden Straßenlaternen gegen moderne Lichtstelen. Da bekomme ich direkt Magenschmerzen, das ist kontraproduktiv und rausgeschmissenes Geld. Aber das ist worüber man sich in den Rathausstuben Gedanken macht. Rekonstruktionen? Von mir aus gerne, aber von was jetzt genau? Alle, ausnahmslos alle Gebäude rund um den Hauptmarkt sind meines Wissens nach belegt und funktionieren. Es gibt wirtschaftlich keinen Bedarf, und wie auch schon so oft gesagt war die Hauptmarktrandbebauung auch früher nett, aber architektonisch nicht besonders bedeutend. Gehe mal ein paar Meter weiter zum Obstmarkt oder dem Hans-Sachs-Platz. Hier besteht Bedarf, hier könnten sich auch bald Themen ergeben. Ich denke nicht, dass das fürchterliche Dresdner-Bank-Gebäude noch 20 Jahre macht (http://www.nordbayern.de/region/nuernbe…egung-1.3092872) . Hier kann man schonmal alle Kräfte zusammenziehen und wie hier gesagt wurde, Pläne in die Schublade legen was man sich dort vorstellen könnte.

  • @ Franka:

    Naja, Nürnberg hat ja auch seine "Tempel", sprich Kirchen wieder aufgebaut. Den Citypoint bezeichnet man auch gerne als (Einkaufs-)Tempel...
    Und so wie man Städte, die im 30-Jährigen Krieg zerstört wurden und danach ansprechend wiederaufgebaut hatte, so hat man im Sinne der 50'er Jahre Nürnberg wieder aufgebaut. Nun ist halt der 1950'er-Wiederaufbau nicht so schön wie ein Wiederaufbau um 17. Jahrhundert gemacht wurde. Mal anders gefragt, wäre im 2. WK keine einzige Stadt zerstört worden, wie sähen sie heute wohl aus? Und wer würde heute Nürnberg als das herausragendste Stadtbild sehen? Alte Nürnberger haben mir davon erzählt, was für ein Slum weite Teile der Altstadt gewesen seien. Kein Vergleich mit den hochmodernen Gründerzeitvierteln drumherum. Nürnberg war eben auch keine Ansammlung von Patrizierpalästen, die allesamt umwerfend waren, sondern eher das Gegenteil. Dass kein einziges der großen Bürgerhäuser wiederaufgebaut wurde ist ein eigenes Problem, schon deshalb muss das Pellerhaus sein. Ich finde es schlimm, dass man das Pellerhaus nicht wiederaufgebaut hat obwohl man es hätte tun können. Ich finde es auch schlimm, dass Teile der Innenausstattung des Pellerhauses heute im Fembohaus gezeigt werden, dort sind sie eher schlecht als recht hinein gezimmert worden und sich dann auch noch dagegen wehrt, das Pellerhaus wieder aufzubauen.

    Besuche doch mal in der Hirschelgasse das vollständig rekonstruierte Tucherschlösschen und den Hirsvogelsaal. Das war 1960 glaube ich noch ein Trümmerhaufen. Es ist nicht alles schlecht an Nürnberg, aber die riesige Altstadt ist nunmal ein kompliziertes Thema und man kann über die Nürnberger Altstadt nicht so sprechen wie man über die Dresdner Altstadt spricht. Dort läuft alles im Zeitraffer, es sind wesentlich weniger Akteure, es ist viel kleiner und im Ergebnis aber gar nicht so weit entfernt von dem nach dem Krieg gewachsenen Nürnberg, nur halt Dresden, ehem. barocke Residenz- und Königsstadt.

  • @nothor um ehrlich zu sein, kann ich es nicht verstehen, wie man die Bestandsbauten des Hauptmarktes zufrieden sein kann abseits des wirtschaftlichen Funktionierens. Sie sind architektonisch gesehen ziemlich beliebig, außer den steilen Dächern nicht sehr nürnbergisch. Wenn man sich dann noch die alten Ansichten vor dem Krieg anschaut, dann erkennt man doch diesen krassen Unterschied in der Formensprache, der Authentizität zu der Situation von heute... Und als zentraler Platz hätte er es am meisten nötig, rekonstruiert oder annähernd wiederhergestellt zu werden. Dafür muss sich aber in der Tat die Stadtpolitik ändern und das Verhältnis der Bewohner zur eigenen Identität!

    Es ist wirklich so schade um diese Stadt: warum verkauft sich diese Stadt so unter ihrem Wert und ist so selbstzufrieden mit den Mief der 1950er Jahre? Man könnte aus dieser Stadt praktisch ein Weltwunder machen, sie hat so ein gigantisches Potenzial und was ist: die Bewohner ruhen sich auf den Lorbeeren der Nachkriegszeit aus, die teilweise wohl auch nur als Notunterkünfte (verständlich) errichtet wurden und nicht für alle Ewigkeiten gedacht waren..

  • @ Franka:

    Mal anders gefragt, wäre im 2. WK keine einzige Stadt zerstört worden, wie sähen sie heute wohl aus? Und wer würde heute Nürnberg als das herausragendste Stadtbild sehen? Alte Nürnberger haben mir davon erzählt, was für ein Slum weite Teile der Altstadt gewesen seien. Kein Vergleich mit den hochmodernen Gründerzeitvierteln drumherum. Nürnberg war eben auch keine Ansammlung von Patrizierpalästen, die allesamt umwerfend waren, sondern eher das Gegenteil.

    Ja, die Nürnberg Altstadt wäre bestimmt so ein schrecklicher, verkommener Slum wie die Altstädte von Siena, Straßburg, Florenz oder Prag, in denen nun wirklich niemand sich aufhalten möchte ...

    Dass Nürnberg keine "Ansammlung von Patrizierpalästen" war, ist doch völlig egal. Es geht um das Ensemble, das das alte Nürnberg bildete. Und zu so einem Ensemble gehört das kleine Handwerkerhäuschen ebenso wie der Patrizierpalast.
    Diese Fixierung auf "bedeutende Einzelbauten" ist einer der Grundfehler auch vieler Rekonstruktionsbefürworter. Was mittelalterliche Städte ausmacht sind eben nicht die "bedeutenden Einzelbauten", sondern die Atmosphäre, die durch die vielen verwinkelten Gassen und kleinen Plätze mit ihren vielfältigen Häusern, Höfen etc. entsteht.

    Die Fixierung auf Einzelbauten ist dagegen ein spezifisch moderner, subjektzentrierter Blick, der uns den ganzen modernistischen Schlamassel ja gerade erst eingebrockt hat.

  • Also geht es dir doch um die ganze Stadt? 1:1? Wie ist da der Plan, das geschickteste Vorgehen, die Zeitachse? Muss man hier nicht auch die Bewohner der Stadt, ihre Nutzer, die Besitzer und andere Interessengruppen einbeziehen? Wenn du 100 Mio EUR hättest, würdest du die tatsächlich in den Hauptmarkt in Nürnberg investieren oder vielleicht in ein anderes Projekt, wo der Vorher-Nachher-Unterschied deutlicher wäre? Warum nicht das Flachdach-Häusermeer in Sebald beseitigen? Oder das Toplerhaus? Oder die fürchterliche Betonbrutalismus-Scharrerschule, die den Pellerhof einzwängt? Oder allen Nürnberger Altstadthäusern gescheite Fenster spendieren...

    Ich bin mit dem Hauptmarkt deswegen nicht unzufrieden, weil er nicht der schlechteste geworden ist. Der Egidienplatz oder der Obstmarkt frustrieren mich viel mehr. Historische Gebäude gegen postmoderne Gebäude auszuspielen ist nicht schwierig, man kann schnell sagen, dass das Historische authentischer, stilvoller, originaler, schöner, wertvoller usw. ist/wäre. Unter den Plätzen war aber der Hauptmarkt auch damals nicht der bedeutendste, verglichen mit zentralen Plätzen in anderen Großstädten. Beschreibe doch mal die Geschichte oder architekturhistorische Einzigartigkeit von einem einzigen der Gebäude auf deinem historischen Foto. Mir fällt da nur das Haus der Palm'schen Buchhandlung ein, dessen einziger Besitzer wegen seines offenen Protestes gegen Napoleon hingerichtet wurde, und das Haus existiert noch (Ist heute ein Lebkuchenladen drin, auf deinem Foto ist das Haus aber nicht drauf. Am Hauptmarkt existieren nur noch 2 oder 3 historische originale, die Frauenkirche und diese Buchhandlung. Alles andere müsste also neu gebaut werden, ohne dass etwas wirklich sensationelles zurück käme. Da gibt es m.E. lohnendere Dinge.

    Im jahr 2014 gab es mal einen Wettbewerb zur Neugestaltung der Hauptmarktbebauung. Ich habe mir die Ausstellung damals angesehen und im DAF dokumentiert:

    http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showpost…2&postcount=129

    Ich finde die Ideen und Vorschläge darin sehr ansprechend! Aber ich sehe keine Gelegenheit, keine Dringlichkeit und auch keinen echten Wow-Effekt. Aber vielleicht gehöre ich mit meinen fast 40 Lenzen schon zu einer Generation, die sich mit zu wenig (siehe oben) zufrieden gibt. Mögen nachfolgende Generationen noch mehr rekonstruieren als ich es heute kaum zu träumen wage.

  • Ich muss sagen, mich erinnert diese Debatte ziemlich an Köln. Die einen beklagen die Hässlichkeit der Stadt, die anderen verweisen auf rekonstruierte Kirchen, einen im Grundsatz beibehaltenen Grundriss und auf ein Häuschen hier, ein römisches Mäuerchen dort, eine mittelalterliche Torburg woanders, also angeblich einer Stadt, die sich vor lauter Altem gar nicht retten kann. Dass man praktisch an keinem einzigen Ort der Stadt das Feeling und die geschlossene Umgebung der einstmals mittelalterlichen Stadt findet, spielt bei dieser Argumentation dann keine Rolle.

    Ich bin in dieser Frage aber auch jemand, der die Ensemble-Wirkung wichtig findet. Wenn man zu drei Vierteln einen mittelalterlichen Marktplatz hat, sich einmal umdreht und auf einen modernen Glaskasten oder einen banalen 50er-Jahre-Bau schaut, dann ist die Wirkung zunichte gemacht. Der Bruch zwischen Altem und Moderne tut da einfach zu weh.

    Ich finde man muss bei einer solchen Betrachtung genau diese Frage stellen: Nenne mir einen zentralen Ort der Stadt, wo man den alten Stadtkern sehen kann, ohne Brüche, ohne 50er-Jahre-Notbauten.
    Ich bin der Meinung, und das gilt für jede Stadt, die einmal einen großen mittelalterlichen Stadtkern hatte, sei das Frankfurt, Köln, oder eben Nürnberg, dass diese Stadt einen solchen Platz haben sollte. Wenn dem nicht so ist, wurde beim Wiederaufbau offensichtlich nur sporadisch rekonstruiert und von "keinem Rekonstruktionsbedarf" kann keine Rede sein.
    Natürlich kann man über die Rekonstruktion der gesamten Altstadt fantasieren, aber wenn man nicht mal diesen einen Platz hat, von dem aus man sich sozusagen vorarbeiten könnte, ist in meinen Augen klar, wie groß das Defizit ist und wie viel Arbeit noch geleistet werden muss.
    Ich finde die Idee mit dem Hauptmarkt mal anzufangen gar nicht so verkehrt, nur offenbart sich ein großes Problem: Ich sehe, abgesehen von der Kirche nur ein einziges schmales Haus, was übrig geblieben zu sein scheint. Ohne massiven politischen Willen ist eine geschlossene Rekonstruktion praktisch unmöglich, da müsste schon so ein Fall wie in Frankfurt mit dem Abriss des technischen Rathauses vorliegen.
    Rekonstruktionen einzelner Häuser werden das Feeling des alten Nürnbergs jedenfalls nur ansatzweise herstellen, und, siehe Pellerhaus, nicht mal das geht ohne politischen Widerstand. Trotzdem scheint das aktuell die einzige ansatzweise machbare Möglichkeit zu sein, wie ich dieser Diskussion entnehmen kann. Ausgehend von der Strahlkraft dieser Einzelrekonstruktionen kann man die Menschen vielleicht auf den Geschmack bringen. Und in ein paar Jahren, mit anderen politischen Mehrheiten, geht dann vielleicht etwas mehr.
    Ich kann deswegen aber die Zurückhaltung der Altstadtfreunde Nürnberg, nicht bei jedem Neubau nach Rekonstruktion zu schreien (wo wie beim Ausgangspunkt der neu angeschobenen Diskussion, gar keine mittelalterliche, sondern gründerzeitliche Bausubstanz vorhanden war), verstehen, um politisch noch ernst genommen zu werden. Schade ist es natürlich trotzdem.

    Lange Rede, kurzer Sinn: Nürnberg zu bescheinigen, es hätte keinen Rekonstruktionsbedarf, erscheint mir angesichts der verlorenen Pracht absurd. Politisch gesehen leben die Rekonstruktionsfreunde in Nürnberg aber in sehr rekonstruktionsfeindlichen Zeiten, weswegen aktuell mit Bedacht vorgegangen werden muss. Sollte der aktuelle Weg, beharrlich Einzelprojekte voranzutreiben dann irgendwann erfolgreich sein und etwa ein komplett rekonstruiertes Pellerhaus Begeisterung und Strahlkraft erzeugen, kann man die nächsten Schritte angehen.

  • Vielleicht ist es jetzt erst mal eine besserie Idee, eine Totalreko des Egidienplatzes zu fordern (mit dem Pellerhaus als "Initialzündung")!? Dieser Platz war ja am Ende sogar bedeutender für das Stadtbild als der Hauptmarkt, der nach einigen Abrissen im 19. Jahrhundert nicht mehr zu den großartigsten Plätzen Deutschlands zählte.

    Der Egidienplatz kurz vor der Zerstörung: http://www.bildindex.de/bilder/d/fm930502

    Und einige Jahrzehnte zuvor: http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/pics/not…ilbert_1935.jpg

    Sehr weit von der Burg entfernt ist der Egidienplatz auch nicht, und dazwischen gab es vor 1945 ebenfalls ein besonders wertvolles Viertel (Paniersplatz!) - auch da muss mal etwas gemacht werden:
    http://www.abload.de/img/fm930515a8dvup.jpg
    https://www.akg-images.fr/Docs/AKG/Media…c/AKG274963.jpg
    https://quod.lib.umich.edu/cgi/i/image/ap…pg?attachment=1
    https://c1.staticflickr.com/1/765/33057050470_62ec5c1234_b.jpg

  • Das ist doch die Punkt - die Altstadt braucht eine Herz wie die Fuggerplatz in Augsburg oder Haidplatz in Regensburg - es kann die Hauptmarkt sein oder die Aegidenplatz aber ich sehe nicht wirklich ein warum Rekonstruktionen nicht auf Ensembles zielen soll. Grossere Projekte schaffen auch grossere Begeisterung als Teilrekonstruktionen von ein Einzelhaus in eine Hintergasse.

    Haidplatz
    https://www.kubische-panoramen.de/index.php?id_id=5910&p=i

    Fuggerplatz
    https://www.kubische-panoramen.de/index.php?id_id=7421&p=i

    Einmal editiert, zuletzt von johan v2 (8. August 2018 um 17:35)

  • Ich möchte meinen Standpunkt hier nochmal klar zum Ausdruck bringen, hier in der Diskussion geht es tlw. ja doch etwas in die Breite

    Der Sachstand:

    • Nürnberg hat Rekonstruktionsbedarf, keine Frage
    • Die Ausgangslage dafür ist aufgrund weitgehend historischer Straßenverläufe und dem Leitbild der Kubaturen gut
    • Der Wiederaufbau ist in Summe und im Vergleich anderen Wiederaufbauten in D. jener Zeit überlegen
    • Die Qualität von Neubauten ab 1945 ist sehr heterogen und zeigt tlw. Verbesserungen, häufiger aber auch Verschlechterungen zum Vorkriegszustand

    Ein Dilemma:

    • Beim Bestand von Denkmalschutz (wie beim Pellerhaus) sollte niemand, erst recht kein Politiker leichtfertig von Abriss sprechen. Auch ich wünsche mir den Abriss des Bestands, kann aber nachvollziehen wenn eine juristisch normative Position offiziell weiter verlautbart wird. Was am Ende folgt, das wird sich zeigen. Die Abwägung zugunsten des Abrisses ist für jeden der die reale Situation kennt leicht herzuleiten (Wirtschaftlichkeit bei Sanierung, Nutzbarkeit etc.)

    Meine Kritik an einigen voran gegangenen Beiträgen:

    Was sollte anstelle des Aktstadt-Karrees den nun gebaut werden? Ich finde das was sich abzeichnet eine deutliche Verbesserung. Und zeige mir jemand bitte ein Kaufhaus-Projekt in FFM, Dresden oder Stuttgart, wo ähnlich stark auf lokales abgestellt wird. Das was da kommt ist eine deutliche Verbesserung!

    Zum Engagement der Nürnberger und ihrem Verhältnis zur Stadt wird hier viel schlechtes geschrieben. Dem Widerspreche ich. Abgesehen von der Frauenkirche in Dresden, wo haben die Bürger einer Stadt in den letzten Jahren in vergleichbarer Weise wie beim Pellerhof politische Widerstände überwunden und Spendengelder gesammelt? Und wo ist eine handwerklich ähnlich qualitätvolle Lösung erarbeitet worden?

    Zu Einzelbauten des Wiederaufbaus:
    Ob diese per se schlechter sind als das was heute in Potsdam oder Frankfurt entsteht sich sicher erst in einigen Jahrzehnten abschließend beurteilen. Gebäude wie die Südseite des Hauptmarkts in Nürnberg waren zu Ihrer Zeit auch "schicke" Interpretationen lokaler Bautraditionen (in diesem Fall die Standsteinverkleidung, die Dachform etc.). Heute wirkt das Maßstabslos und plump, das war damals wohl anders. Übrigens hat der Eigentümer, die Tucher-Stiftung, mal vor einigen Jahren einen studentischen Wettbewerb abgehalten (siehe Beitrag von nothor oben). Ziel war es, Bauten zu entwickeln, die das Areal aufwerten könnten. Wer weiß ob sich da mal was tut. Immerhin scheint man nicht glücklich mit dem Bestand...

    d.

  • einfach grotesk:

    Zitat

    Die Qualität von Neubauten ab 1945 ist sehr heterogen und zeigt tlw. Verbesserungen, häufiger aber auch Verschlechterungen zum Vorkriegszustand

    Besonders lustig die Wendung: "häufiger aber auch".
    Was soll man drauf sagen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Alle drei Jahre dieselbe Diskussion über den gelungenen oder nicht gelungenen Wiederaufbau Nürnberg's Altstadt :)

    Wurde hier nicht einmal vor etwa zwei drei Jahren ein Entwicklungsplan kurz vorgestellt, aber nicht weiter diskutiert, wie sich die Altstadt weiter entwickeln soll? Es ging dabei vor allem um die Ausscheidung oder Einteilung in Zonen, wo die Ansprüche an ein Geschäftsviertel Vorrang haben sollen, und wo eher Tourismus, und wo eher das Wohnen. Das wäre zumindest ein Grundlagenplan in die angesprochene Richtung, konkrete Rekonstruktionsprojekte zu studieren und dann griffbereit zu halten. So könnte man sich wenigstens auf die Bereiche der Altstadt konzentrieren, wo Tourismus und Wohnen im Vordergrund stehen. Ich weiss auch nicht mehr, ob dieser Plan von der Stadt ausgearbeitet worden war oder von einer Interessengemeinschaft.