• Schöne Projekte - euer Verein ist echt der beste Altstadtverein den ich kenne.

    Sind die Dacherker eigentlich Rekonstruktionen oder nur Annäherungen an das Original?
    Und wie macht ihr sowas? Kauft ihr jedes Mal das gesamte Haus oder macht ihr auch etwas an fremden Häusern? Wer bezahlt dann soetwas?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • "Es ist mittlerweile durch, der weit in die Strasse hineinkragende Laubengang kann kommen!! "

    das ist schön! der gang wird echt beeindruckend!
    :grosshuepfen:

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • @restitutor
    Man kann sich die Laubengänge wie mehrstöckige Holzbalkons vorstellen, die in die Straße hineinragen.
    Anhand Anordnung der freigelegten Fachwerkbalken zeigte sich, dass das Haus ursprpünglich solch eine Besonderheit hatte.

    Bild oder Zeichnung muss ich erst noch beschaffen, das folgt noch.

    Prinzipiell waren in der Weissgerbergasse die sog. "Weissgerber" ansässig, die das bearbeitete Leder auf Stangen zum Trocknen in diesen Laubengängen aufhängten.

    Im Gegensatz zu den "Rotgerbern", die Schuh-, Sattel- und Gürtelleder herstellten, war das Leder der "Weissgerber" weicher und feiner und wurde für Kleidungsstücke benutzt. (ok, aber die Berufsstände Nürnbergs im Mittelalter und Renaissance sind ein eigenes Thema!)

    Heute würde so eine bauliche Besonderheit natürlich zum Sonnenbaden genutzt werden, oder um Samstag/Sonntag schön mit Brötchen und Zeitung zu frühstücken... :D

  • Abend Jürgen, ich bin auch gespannt auf Bilder dieses Laubenganges!

    Kannst du noch irgendwas über die Differenz bei dem Haus mit dem Löwen sagen (s.o.)?

    Hätte man den Löwen nicht über der Tür anbringen müssen?

    Grüße

  • Sauerländer
    Ach genau, hatte ich vergessen zu erwähnen, Danke!

    Die s/w-Photographie zeigt ein gotisches Haus, das leider am 02.01.45 total zerstört wurde.
    Fast 4 Jahrzehnte war auch das gotische Relief verschollen und man dachte, es wäre entweder ebenfalls zerstört oder in der Nachkriegszeit verloren gegangen.
    Vor einigen Jahren tauchte das beschädigte Relief dann doch wieder auf (ich glaube im Chefzimmer eines Versicherungs-Vorstands) und die Altstadtfreunde entschlossen sich, einen Silikon-/Gips-Abguß zu machen, die fehlenden Stellen zu ergänzen und in Stein hauen zu lassen.

    Die Altstadtfreunde haben in diesem Fall entschieden, das Relief an ein benachbartes Haus anzubringen. Kriterien waren beispielsweise die Sichtbarkeit, aber v.a. sollte die Stelle im Kontext der Tradition stehen.

    Während bei Totalsanierungen von ganzen Häusern oder auch der Anfertigung des Stein-Reliefs der Originalzustand das Mass aller Dinge ist, muss man bei solchen Fragen über den Schatten springen... leider, denn vom Haus ist eben nichts mehr vorhanden...

    Die Relief-Anbringung stellt aber trotzdem eine zusätzliche Aufwertung des Platzes dar und gerade solche Hauszeichen, die es heute nur noch selten gibt, waren früher zu Massen in Alt-Nürnberg zu finden, also ist es sehr legitim, wieder ein Relief anzubringen, wenn auch räumlich nicht an der gleichen Stelle.

  • Danke für die schnelle Antwort!
    Wenn man das ursprüngliche Gebäude irgendwann mal rekonstruiert, kann man das Relief ja wieder umpositionieren.

    Zitat

    ich glaube im Chefzimmer eines Versicherungs-Vorstands

    Typisch! Unverschämtheit! Wahrscheinlich lässt sich bei ähnlichen Leuten in hohen Positionen noch viel mehr Verlorengeglaubtes finden.

  • Vielleicht bietet der Generationswechsel, oder wie man das nennen kann, die Chance, das einige "privatisierte" Stücke wieder auftauchen...Hier in Hannover gab es gerade den Fall, dass ein US-Amerikaner, der im zweiten Weltkrieg als Militärarzt in Deutschland war, einen Christuskopf (oder den eines Apostels, ist noch nicht sicher) zurückgeschickt hat. Er hatte ihn 1945 in den Trümmern der Aegidienkirche gefunden und einfach mitgenommen. Im Angesichts seinen nahen Endes (er ist über 80)wollte er ihn nun zurückgeben. Das besondere dabei ist, dass die ganze Kirche später enttrümmert und bis heute als Ruine erhalten wurde und die ehemalige Innenausstattung fast völlig in Vergessenheit geraten war...
    Vielleicht befinden sich noch viele Spolien aus Nürnberg oder anderen ehemals amerikanisch besetzten Orten in irgendwelchen Wohnungen in den USA und die Erben damaliger Soldaten wissen gar nichts von ihren Schätzen, die sie damit besitzen...

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Hallo zusammen
    Ich habe mich erkundigt, die genauen Zeichnungen liegen derzeit beim Architekten. Im Moment laufen ja die Archäologischen Untersuchungen, wenn die abgeschlossen sind, sollen zügig die Bauarbeiten weitergehen.
    Man will den Archäologen etwas mehr Zeit geben, als sie für Grabungen bei normalen "Investoren Projekten" haben, wo alles immer unter Hochdruck durchgeführt werden muss.

    Ich habe aber ein Bild eines Hauses in Hersbruck gefunden (eine Kleinstadt im Landkreis Nürnberg), bei dem die Laubengänge annähernd so ausgeprägt sind, wie sie am fertiggestellten Haus mal werden sollen:


    Wie gesagt, bei der Photographie handelt es sich um keine Vorlage, die im Detail so umgesetzt wird, aber ein guter Anhaltspunkt ist sie allemal.
    (Die Dachziegel werden z.B. nicht so häßlich...)

    Was halt wie immer fehlt, sind mehr Finanzmittel für solche Projekte.


    Grüße

  • Zitat von "Booni"

    Und wie macht ihr sowas? Kauft ihr jedes Mal das gesamte Haus oder macht ihr auch etwas an fremden Häusern? Wer bezahlt dann soetwas?

    Booni
    Das ist fast immer an fremden Häusern.
    Die AF haben insgesamt über 230 Massnahmen in Nürnberg durchgeführt, das können natürlich nicht immer eigene Häuser sein.... :zwinkern:

    Es geht darum, die gesamte Nürnberger Altstadt wieder aufzuwerten, nicht einzelne Reko-Vorhaben zu unterstützen, die dann als isolierte Solitäre existieren. Z.B. haben die AF auch für das Holztonnengewölbe im Alten Rathaus-Saal gesammelt oder Kopien der Reichskleinodien angefertigt, also für ein Gebäude das nicht einmal in Privater Hand ist.

    Häuser gekauft wurden nur wenige, da das immer ein riesiger finanzieller Kraftakt ist, der über Jahre spürbar ist, die Wohnungen werden dann an Studenten, kleine Einzelhändler oder Familien vermietet, um der Ausbreitung der x-ten Filiale oder Kanzlei entgegenzuwirken .

    Bezahlt wird das alles von den Bürgern Nürnbergs, meistens bei Spendensammlungen nach Altstadtführungen zu unterschiedlichen Thematiken. Es gibt freiwillige Stadtführer, die ihre Wochenenden opfern und andere Spendensammler, dieses Geld geht dann in die Maßnahmen.

    Auch wenn sich das vielleicht hoffnungsvoll anhört - ein Verein kann nur Tropfen auf dem heissen Stein hinterlassen. Größere Projekte bleiben dem Land, der Stadt oder dem Staat überlassen. Es ist unmöglich eines der großen Häuser wiederherzustellen, ich denke da z.B. Topler-, Peller oder Viatishaus oder die schönen Häuser die die Pegnitz säumten... da geht jede Bürgervereinigung in die Knie...

  • So, meine diesjährige bescheidene Spende an die Nürnberger Altstadtfreunde ist mittlerweile getätigt (das verkünde ich hier mal im Sinne Goethes: "Nur Lumpen sind bescheiden, Brave freuen sich der Tat." :zwinkern: ). Ich hoffe, dass der Verein seine Arbeit auch weiterhin so erfolgreich fortführen kann.

    Und ich hoffe, dass ich es im kommenden Jahr schaffe, mal wieder Nürnberg zu besuchen.

  • Hallo Restitutor!
    Also vielen Dank! Du kannst Dir sicher sein, da wird nichts verschwendet oder mit unsinnigen Werbezeugs verschleudert!

    Wie gesagt, ich war letzte Woche auf der Weihnachtsfeier der Aktiven Mitglieder (und manche Anwesenden arbeiten wirklich 2/3/4-mal die Woche für die Altstadtfreunde und das seit Jahrzehnten) und alle Teilnehmer haben ihre Kosten für Essen und Getränke selbst beigesteuert. Da ging eine Liste herum und jeder hat sich beteiligt.

    Also und so etwas wie feste Mitarbeiter oder Schnickschnack gibt es auch nicht, das wird alles in Eigenregie durchgeführt - die Spende fliesst sozusagen direkt in ein Chörlein, einen Dacherker oder eine Hausfigur!

    Grüße

  • Heute vor 60 Jahren fand die Zerstörung Nürnbergs statt (2000 Tote, 100.000 Obdachlose). Unter anderem aus diesem Anlass findet das Gedenkjahr 2005 statt, in dem zahlreiche Veranstaltungen zu dem Thema geplant sind.

    Hier Links mit verschiedenen Veranstaltungen:

    http://www.nuernberg.de/verwaltung/pub…2geschichte.pdf

    http://www.kubiss.de/scripts/vk/vks…r=3&kosten=alle

    Leider weiß ich nicht, ob auch die Altstadtfreunde aktiv werden, dies wäre doch eine gute Möglichkeit neue Spender und Mitglieder zu werben...vielleicht weiß Jürgen noch etwas dazu?

  • Aus der NZ vom 10.02.2004:

    Zitat

    Sanierungs-Zuschuss
    „Kleinhäuser“ sind gerettet

    Die drei mittelalterlichen Handwerkshäuser in der Kühnertsgasse können saniert werden: Die „Altstadtfreunde“ erhalten dafür als Bauherr einen Zuschuss von 900 000 Euro.

    Das Geld stammt aus dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt" und wird über das Amt für Wohnen ausgereicht. Die Sanierung kostet voraussichtlich rund 1,75 Millionen Euro. In den „Kleinhäusern“, die aus dem 15. Jahrhundert stammen, will die „Naturhistorische Gesellschaft“ 2006 ein Museum einrichten. Dort soll das Leben der kleinen Leute im Mittelalter quasi vor Ort demonstriert werden. tig

    Quelle: http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=301054&kat=11

  • Schön zu hören... 900 000 € sind nicht wenig Geld. Aber bei den Altstadtfreunden ist es in den richtigen Händen!

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • das ist schön!

    trotzdem müssen die af noch einen ordentlichenbrocken aufbringen.
    außerdem würde mich interessieren, wem das gebäude nachher gehört, wer über es entscheidet und wie es an das museum gegeben wird.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.