Berlin-Mitte - Schinkelplatz und Werderscher Markt

  • Jeder Bau für sich genommen hat eine klassische Ausstrahlung und wir können froh sein, das dies direkt neben Schinkels Kirche steht und nicht anderes klotzartiges. Allerdings finde ich, "beißen" sich beide Gebäude. Das Galeriegebäude eher turmartig und rechtwinklig, der linke Nachbar kommt mit abgrundetenen Balkonen dagegen. Fühlt sich für mich nach einer Spannung an, die nicht gut tut. Zwei unterschiedliche Hauscharaktere. Aber was soll's ... !?

  • Ein bis zwei Geschosse niedriger wäre schon besser gewesen. So - und erst recht, wenn gleich nebenan südlich davon ebenso ein Koloss dieser Höhe hochgezogen wird - wird es in der im Grunde nun erschlagenen Friedrichswerderschen Kirche nie wieder licht und hell und im Gegenteil sogar eher bedrückend sein, mal davon abgesehen, daß sie in der sowieso schon arg lädierten Innenstadtsilhouette keine Rolle mehr spielen wird. Wahrscheinlich spekuliert man aber ja sowieso darauf, dass die Baumaßnahmen diese tatsächlich noch zerbröseln - dann wäre Platz in der Mitte für ein drittes Trumm dieser Machart.

    Material und Farbigkeit des Gebäudes gefallen mir aber, ebenso die Fenstergliederung (Hochkant und zweifenstrig und vor allem mal nicht kreuz und quer, also asymmetrisch versetzt).

    Zuvor rieb man sich ja beinahe die Augen: Fenster mit Rundbögen!! Darauf hat doch die Architektenschaft recht eigentlich seit Jahrzehnten schon keinen Bock mehr. Für mich allerdings sehr wohltuend, diese kleine Reminiszens an den Klassizismus, der Berlin früher so gut zu Gesicht stand.


  • Mit den "Ecken" hatten beide Architekten offenbar Mühe. Eckfenster stehen einem klassisch-modernen Gebäude aber gar nicht gut an, deshalb ist beim linken Haus diese merkwürdige Verkröpfung zwischen dem 5. Obergeschoss und Staffelgeschoss entstanden. Dasselbe Detail gibt es auch zwischen dem Erd- und 1. Obergeschoss, ist aber in der Fotografie nur schwach sichtbar. Eine Brücke führt schliesslich auch gerade oder in einem Bogen über ein Tal oder Fluss, aber ganz sicher nicht mit zwei Ecken! Beim rechten Gebäude fehlt tatsächlich etwas in diesen merkwürdig ausgeschnittenen Ecken am obersten Geschoss.

    Insgesamt ein merkwürdiges (und nicht bemerkenswertes!) Ensemble. Im architektonischen Ausdruck zwei komplett unterschiedliche klassisch-moderne Bauten, und dann die Friedrichwerdersche Kirche als Sandwichauflage. Eine architektonische Perle wie Paris und Rom wird Berlin so nie werden.

  • Hier noch eine rückseitige Ansicht zur besseren Darstellung der Dachbrüstung:

    Übersicht:

    Insgesamt ist die recht heterogene Kleinteiligkeit des Ensembles Kronprinzengärten wohl im Sinne der städtebaulichen Intention zu sehen, als Kontrast zu den überwiegend großformatigen Bauten in der Umgebung hier ein wenig "normale europäische Innenstadt" zu schaffen. Hierzu gehören - ganz in der Stimmannschen Zielsetzung - kleine Straßen, Durchgänge und Parzellengrößen in vielfältigen Ausdrucksweisen und überwiegend dem historischen Straßenverlauf entsprechend. Beim Townhouse-Ensemble zwei Ecken weiter südwestlich wurde der gleiche Ansatz verfolgt.
    Ich bin mir nicht sicher, ob eine größere bauliche Uniformität oder Blockbildung oder gar ein unhistorisches Freilassen von Arealen um die Friedrichswerdersche Kirche hier die bessere Lösung gewesen wäre. Sicherlich sind die Bauten im Einzelnen nicht durchgehend als architektonische Highlights zu werten, was wohl die fast unvermeidlichen Nachteile eine kleinteiligen und heterogenen Bebauung sein dürften. Dennoch finde ich die Stimmannsche Grundidee richtig und denke, dass sie sich langfristig bewähren wird. Wenn man mal wochentags um die Mittagszeit im Townhouse-Viertel Richtung Hausvogteiplatz unterwegs ist, kann man beobachten, dass die Straßen inzwischen deutlich belebter sind als in den ersten Jahren und die neuen Cafés und Restaurants voll besetzt sind (überwiegend mit Anzugträgern, wohl aus den Ministerien etc.). Mit der Fertigstellung des Humboldtforums, (hoffentlich einmal) der Bauakademie, den Baufeldern um die Breite Straße usw dürfte sich die Gegend noch weiter in Richtung einer lebendigen, urbanen Innenstadt entwickeln.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Aber müssen denn die Häuser gegen oben so ausgefranst sein? Das rechte Gebäude hat schon einen richtigen Abschluss, aber im Zusammenspiel mit dem linken Nachbar wirkt die Situation nun so. Zugespitzt wird die Wirkung noch zusätzlich, in dem das linke Gebäude nicht mal richtige Eckkanten aufweist.

    Die unterschiedlichen Breiten - das kann man schon machen, aber mit dem schmalen Gebäude ist nun die Situation entstanden, dass sich neben die Friedrichwerderschen Kirchtürme ein weiterer Turm hinzugesellt hat. Ich frage mich, was hier alles schief gelaufen ist, einerseits die banalsten Kisten am Schinkelplatz, und nun das hier. Ist es unmöglich, ein gesundes Mittelmass zu finden, wie das eine handvoll klassisch-moderner Architekten in Berlin schon bewiesen hat? Leider konnten sich diese Architekten nur in Einzelbauten bewähren, aber noch nie in Städtebau. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich diese so weit vor die Kirchenfront gedrängelt hätten, wenn schon so nah an die Kirche gebaut wird (es ist doch das gleiche Problem wie beim südöstlichen Eckrondell am Schloss, wo man nur geringste Konzessionen gemacht hat!). Das Argument, dass die Situation derjenigen vor 1945 entspricht, lasse ich hier nicht gelten. Denn vor 1945 war auch nicht alles perfekt.

  • Nun ja, das Galeriehaus ist ok, meiner Ansicht nach jedoch auf alle Fälle viel zu dicht neben die Friedrichswersche Kirche gebaut worden... Auch wenn man getreu nach dem alten Stadtgrundriss von vor dem 2. Weltkrieg gebaut hat, die Dominanz des Galeriehauses erschlägt, im wahrsten Sinne des Wortes, die hübsche Kirche mit ihrer filigranen neugotischen Architektur... Sie wirkt vollkommen fragil und verloren zwischen ihren "neuen Nachbarn".
    Karl Friedrich Schinkel würde völlig entsetzt den Kopf schütteln :kopfschuetteln: , wenn er das noch erleben würde.
    O mann, was hat man sich bloß dabei gedacht - Stadtgrundriss hin oder her!

  • Im Grunde wäre Schinkel sicher zufrieden-abgesehen von der zu großen Höhe des Neubaus. Gerade weil der Stadtgrundriss zu seiner Zeit fast so war wie er jetzt wieder ist, sieht die Kirche so aus wie sie aussieht. Ihre schmale und steile Kubatur ist genau wegen des Stadtgrundrisses von Schinkel so erdacht worden. Seine Genialität, den Bau in vorhandene Strukturen ein-und anpassen zu können, wird erst durch die Wiederbebauung wieder nachvollziehbar. Über die Form und die Höhe des Neubaus lässt sich allerdings trefflich streiten.

  • Man sollte bei der Diskussion nicht vergessen, dass Schinkel seine Kirche als Ersatz für die alte Reithalle, die später zu einer Kirche mit 2 Innenräumen umgebaut wurde, dort genau plazierte wo das alte Gebäude stand und wo in der Nachbarschaft auch damals Gebäude standen. Diese waren im Vergleich zu heute natürlich wesentlich kleiner. Schinkel reagierte darauf und setzte seine Fenster in entsprechender Höhe, so auch die Emporen, die man sonst sicherlich tiefer gesetzt hätte.

    Hier mal zwei Bilder von Heinrich Hitze, um 1830, die dies illustrieren:

    Aber schon zu seinen Lebzeiten wurden Gebäude neben der Kirche abgerissen und durch höhere ersetzt, die der Kirche schon dichter auf die Pelle rückten.


    Hier mal ein Bild des Porzellanmalers Carl Freydanck von 1838:

    und ein Foto von Leopold Ahrendts von 1856:


    Erst die spätere Bebauung durch August Stüler, immerhin ein Schüler, Kollege und der Nachfolger Schinkels, engte die Kirche in besonderem Maße in der Höhe ein, die auch der jetztige Neubau hat. Sicher war dieser Vorgängerbau filigraner und dem Stile der Kirche angepasster, der Neubau nimmt aber in der Kubatur den Vorkriegsbau auf. Leider ist der Neubau etwas grobschlächtig und mit wenigen Mitteln hätte es etwas mehr werden können, zumindest stiehlt er der Kirche aber nicht die Show, wie es der Entwurf von 'Chippy' getan hätte.


    Foto von Max Missmann 1904:


    Wollte man also zum Zustand zurückkehren, den Schinkel vorfand, so müsste man die gesamte Gegend wieder abreissen und Häuser der späten Barockzeit errichten. Ob das im Sinne Schinkels wäre, sei dahin gestellt. Auch er war ja nicht gerade zimperlich, wenn es um Abriss der damals altmodisch gewordenen barocken Architektur ging.


    Foto vom 10.11.2016:

    Einmal editiert, zuletzt von Spreetunnel (10. November 2016 um 16:55) aus folgendem Grund: Foto ersetzt

  • Iiiih! Das ist ja grausig! Hier ist der obere Rand wirklich mal so richtig "ausgefranst", und wie scheußlich, wie abgebrochenes WTC! Und die unteren Fenster sind auch störend. Oben gehört ein richtiges Band hin, und nicht so ein Gemuschel, dann würde es schonmal erträglicher aussehen.

  • Ja, das sieht nach oben hin wie nicht fertig gebaut aus, wie eine Edelbauruine, oder Ruinenkult (wird es also doch so gebaut!?). Es kann mir mittlerweile keiner mehr sagen (nach so zahlreichen Beispielen dieser Art im ganzen Land), daß ein Architekt, der mit einem Großbüro jahrelang im Geschäft ist, das nicht selbst wahrnimmt, also quasi einen "Fehler" macht aus mangelndem Können. Allein ein natürliches, noch gesundes Formempfinden fühlt sich hier irritiert und es ist klar, hier stimmt etwas nicht. Aber genau das ist so gewollt, Absicht, Kult des Andersartigen, oder besser Abartigen, na ja, wir kennen das ja, auffallen, um jeden Preis und das ist einfacher, wenn man sich in Kontrast zu überkommenen architektonischen Formensprachen stellt, statt in diesen Sprachen mit reichem Wortschatz und redegewandt etwas NEUES zu formulieren. Das bräuchte Können und Inspiration!

  • Besonders deplaziert erscheint mir der willkürlich gewählte erdige Farbton, der mit keinem Gebäude der Umgebung korrespondiert. Oder meint man, damit an den gelblichen Sandstein der Schlossfassade anzuknüpfen? Ich sehe hier eher beispielhaft das Versagen bestätigt, mit dem der deutsche Wiederaufbau durch Uneinheitlichkeit, Willkür und Chaos das Erscheinungsbild unserer Städte ruiniert hat. Wieviele ausländische Städte gibt es, die peinlich darauf bedacht sind, dass kein Neubau die farbliche Stimmigkeit des Stadtbilds zerstört. In Deutschland war solche Sorgfalt in der Regel unvorstellbar, selbst da, wo unzerstörte Reste in historischem Material und historischer Farbigkeit unübersehbar waren. Man wollte die Auflösung der Identität in Beliebigkeit.

  • Das ist diese Sch...Ruinenoptik. Ein "9/11 WTC"-Denkmal hat neben der Friedrichwerderschen Kirche nichts verloren, das kann er meinetwegen in L.A. hinstellen, die haben ein Faible für sowas. Aber hier gehört das nicht hin!
    Der soll oben richtige Abschlüsse machen und die abgebrochenen Eckteile manierlich einrichten, aber keine solche Kraut-und-Rüben-Müllhalde hinschmeißen. Was soll dieser Sockel, der mittendrin umbricht von 2 auf 1geschossig. Sieht doch aus wie vom Bulldozer zusammengeschobenes Blech, in Stein verewigt. Voll Panne.
    Farblich ist vor allem das dunkle Gelb links und vor allem im Sockel unten murksig, das hellste Ocker rechts oben geht (zu dem Haus rechts und vermutlich auch dem Außenamt gegenüber paßt das, und das allerhellste Ocker geht auch einigermaßen zu Backstein). Von mir aus auch mit türkisenen Blechverwahrungen, wenn es ein abgetöntes/abgestumpftes Türkis ist und nicht so schreit.
    Aber so wie auf diesem Bild gehört ihm sofort die Baugenehmigung entzogen, bis er nachbessert.

  • Was ist denn das bitte für ein Schrott?! Da hat der Architekt den Bauherrn schon beim Entwurf über den Tisch gezogen ;) und beim Sockel gleich von Anfang an den Naturstein eingespart. So ein gebauter Albtraum kann in einem Gewerbegebiet stehen, aber doch bitet nicht neben einem Schinkel! Naja, so eine Bausünde zeigt wieder einmal das totale Unvermögen heutiger Architekten. Ein Aushängeschild fürden Bauherrn ist das Ding jedefalls nicht - vielmehr das Gegenteil.

    Hoffe, dass hier noch ein Wunder geschieht und dieser Entwurf stark überarbeitet wird.

  • Frau Regula war eben froh, dass man für das Quartier das Bauwerk eines "echten Stararchitekten", nämlich Rafael Moneo, vorweisen kann. Dass viele dieser "Stars" ganz offensichtlich phantasielose Nichtskönner sind, die mit ihren ewigen monotonen Raster- und Barcodefassaden meist nichts besseres hervorbringen als jeder x-beliebige Provinzarchitekt, interessiert die zuständigen Jurys dabei meist nicht die Bohne. :kopfschuetteln:

    Land auf Land ab überall der gleiche grauenhafte Schrott, mit dem unsere Städte versaut werden:


    Hier Diözesanbibliothek Münster.
    Von Rüdiger WölkThis photo was taken by Rüdiger Wölk. photo taken by Rüdiger Wölk, Münster, Germany, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=766530
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  • Wenn diese Kirche sprechen könnte würde sie sagen "Warum tut ihr mir das an?"

    Königsbau, ganz genau diesen Gedanken habe ich auch. Durch den Aushub einer zwei-geschossigen Tiefgarage direkt an ihrer Westseite - nur 3,5 m entfernt - hatte sie schon massive Senk-Risse davongetragen, war in der Mitte praktisch auseinandergebrochen und bereits im Oktober letzten Jahres war ihr Innenraum von unten bis oben eingerüstet und für die Öffentlichkeit geschlossen...
    http://www.berliner-zeitung.de/berlin/histori…aedigt-22998794

    Es tut mir sehr leid, wenn ich das hier so sagen muss, aber für mich ist das alles ein ganz großer und beispielloser "Schildbürger-Streich"! Es ist skandalös und man sollte doch annehmen, dass Bauleute und Statiker vom Fach sind und es vorher hätten wissen müssen, dass dieser Tiefgaragen-Bau der Kirche überhaupt nicht gut bekommen würde. Ebenso durch die Bodenbeschaffenheit wg. dem Urstromtal hätte man es wissen müssen und auf eine Tiefgarage von Vornherein verzichten müssen.

    Dass Schinkel die Kirche damals in den damalig bestehenden Grundriss hineingesetzt hat, ist mir bekannt, jedoch hatten die Häuser damals keine zwei-geschossigen Tiefgaragen in unmittelbarer Nähe und sie waren auch wesentlich niedriger, auch noch im Jahr 1904, und hatten zudem keine Klotz-Architektur. Rekonstruktion (ohne Tiefgaragen) wäre m. E. besser gewesen.

  • Charming Villa hat es erfasst: ursächlich für die Schäden ist die zweigeschossige Tiefgarage, nicht der Hochbau in demhistorischen Abstand, für den Schinkel den bau entworfen hat.