Frankfurt a. M. - Rekonstruktion der Turmspitze des 'Langen Franz' und weiterer Rathausdächer

  • Zitat von "Riegel"

    Bevor ich in einem grösseren Bildbeitrag was Falsches schreibe, kann mir jemand helfen, ob es sich beim "Rathaus-Nordbau" um den Trakt auf der Südseite der Braubachstrasse handelt oder um die Kämmerei? Und hat der Bau mit dem Plenarsaal einen eignen Namen? Etwa Rathaus-Hauptbau, oder gehört er allenfalls einfach zum Nordbau?

    Das neue Rathaus zerfällt in drei Teile: den westlich an den Goldenen Schwan anschließenden "Bürgersaalbau", den westlich und südlich anschließenden "Südbau" und schließlich den "Nordbau", der mit dem Südbau durch die sogenannte "Seufzerbrücke" nach dem Original in Venedig verbunden ist. Der Bürgersaalbau ist in Formen der Hochrenaissance, das Südbau in einer Mischung aus später Gotik / früher Renaissance und der Nordbau im Stil des Barock. Diese Stilabfolge wurde gewusst gewählt um mit dem damals vorhandenen baulichen Umfeld zu harmonieren (weitestgehend spätgotische Altstadthäuser an der Limpurger und der Buchgassse, klassizistische Paulskirche am Paulsplatz). Dieser Bedeutungszusammenhang ist durch Krieg und Wiederaufbau natürlich vollkommen verloren gegangen!

    Aber um deine Frage zu beantworten: der Nordbau ist mit der Kämmerei identisch. Anbei noch ein fix eingefärbter Plan von 1908:


    (Klicken zum Vergrößern)

  • Um mal Klarheit über die verschiedenen Turmnamen zu schaffen, folgen nun einige historische und aktuelle Bilder zum Rathauskomplex:
    (Danke RMA, auf dich ist wirklich immer Verlass, ich hatte im Entwurf prompt die Begriffe "Süd- und Nordbau" anders verwendet!)



    Ansichtskarte von Julius Vaternahm, Frankfurt a. M., versandt 1938

    Die Silhouette Frankfurts wurde vor 100 Jahren wie in jeder Stadt ausschliesslich von Kirchtürmen und Türmen öffentlicher Bauten bestimmt. Ausgehend von der Leonhardskirche links folgt der Kleine Cohn, und unmittelbar daneben der Lange Franz. Der nächste kleinere Turm mit welscher Haube gehört ebenfalls zum Rathauskomplex. Weiter folgen die Türme der Katharinenkirche, Paulskirche (mit massigem Dach) und Nikolaikirche am Römerberg.



    Rosen-Bild-Verlag, Inh. A. Fay, Schwalbach bei Ffm, versandt 1964

    Eine Ansichtskarte von ca. 1960 zeigt den zwischen 1946 und 1953 wieder aufgebauten Römer und Rathauskomplex wiederum von Süden. Neben dem Kleinen Cohn und Langen Franz mit ihren heute noch bestehenden Notdächern erkennt man diverse kleinere, namenlose Türme (jeweils oberhalb mit 1 bis 5 bezeichnet), welche mit Ausnahme von Nr. 3 Wendeltreppen aufweisen. Bei Turm 3 handelt es sich um jenen mit der welschen Haube im ersten Bild. Ganz knapp kann man links vom Bürgersaalbau Turm 1 erkennen; es handelt sich dabei um denjenigen, welcher neben dem Übergang über die Braubachstrasse zur Kämmerei steht (s. übernächstes Bild). Die Kämmerei besitzt noch das Walmdach aus den 40er Jahren auf der ursprünglichen Traufhöhe, welches in den 60er Jahren zugunsten der bestehenden Aufstockung bereits wieder aufgegeben worden ist.



    ohne Verlagsangabe, wohl kurz nach 1950

    Der Kleine Cohn (vorne) und der Lange Franz stehen eigenartigerweise an der den Hauptbauten abgewandten Seite des Rathauskomplexes. Dies zeigt, dass deren Errichtung mehr malerischer Natur (Burgenromantik) als denn Repräsentation entsprang. Meistens waren historische Rathaustürme in die Hauptfront eingebunden.

    Der Rathaus-Südbau wurde bereits beim Wiederaufbau um ein Geschoss erhöht. Bei der kürzlich erfolgten Aussenrenovation erhielten diese Aufstockungen eine Schieferverkleidung, wodurch das Erscheinungsbild der ursprünglichen Fassadenhöhen wieder erahnt werden kann. Allerdings harren die einstigen Neorenaissançe-Giebel über den reicher ausgestalteten Fassadenpartien zur Buchgasse (links) und Limpurg-Gasse (rechts) hin immer noch einer Wiederauferstehung.



    Ludwig Klement, Frankfurt a. M. Phot. u. Verlag, versandt 1916

    Dass die Burgenromantik des 19. Jahrhunderts nach 1900 immer noch präsent war, illustriert diese stimmungsvolle Ansichtskarte. Sie zeigt links den Goldenen Schwan aus dem 18. Jahrhundert (mit dem weissen Türmchen), den Bürgersaalbau (mit den drei Neorenaissançe-Giebel), Turm 1 und den Langen Franz, und rechts die Kämmerei, welche mit dem Rathaus durch den Übergang über die Braubachstrasse verbunden ist.


    . . . . .
    links: L. Klement, Frankfurt a. M., ca. 1905; rechts: Dr. Trenkler Co., [lexicon='Leipzig'][/lexicon], versandt 1905

    Der Rathaus-Südbau entlang der Limpurg-Gasse (in der Mitte Turm 3) war schon ursprünglich mit einem voll ausgebauten Dachgeschoss bekrönt. Quergiebel, Balkone, Türmchen, Schleppgauben und Erkertürmchen reihten sich in der ganzen Fassadenlänge nahtlos aneinander, und fanden mit dem Kleinen Cohn im Hintergrund einen stimmungsvollen Abschluss. Heute vermisst man diese bizarre Dachlandschaft kaum mehr, da sie nicht mehr mitten in einer wirklich gebauten Altstadt steht. Der heutige einfache Zustand findet sein Gegenüber in einer schlichten und locker angelegten 50er Jahre Bebauung.

    Eine seltene Ansichtskarte zeigt Turm 2 im Römerhöfchen. Meist wurde dieses Höfchen wegen dem offenen Treppenturm (links angeschnitten) an der Rückseite des Hauses Limpurg sowie dem dekorativen Fachwerk des 1595 errichteten Hauses Silberberg abgebildet. Ausnahmsweise erhielt dieser Turm ein Fachwerkobergeschoss, und nicht wie die restlichen eine Schieferverkleidung. Das Vorbild der Türme 1 bis 5 dürfte das Türmchen im Wanebach-Höfchen gewesen sein, wenn auch jenes komplett in Fachwerk errichtet war.


    Der Kleine Cohn im Dezember 2006 von Süden...


    ... und der Lange Franz im Dezember 2006 von Norden. Der Blick verläuft durch den Kornmarkt entlang der Kämmerei und findet seine Fortsetzung in der Buchgasse, wo zwischen den Türmen die mit Schiefer verkleidete Aufstockung sichtbar ist.


    Findet jemand den Standort dieser Perspektive heraus?


    Vom Turm der Paulskirche aus gibt es eine tolles 360°-Panorama mit Aufsicht auf das ganze Rathaus:
    http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=3799&_ffmpar
    >>> 360°-Panoramen Römer
    >>> Außenaufnahme von der Paulskirche in die Braubachstraße – 360° Panorama

  • Wieder mal ein sehr interessanter Beitrag, Riegel. Beim letzten Bild würde ich auch auf einen Standort etwas östlich des Karmeliterklosters tippen?

    Einige seltene Fotos sind dabei, wenn auch für mich persönlich nichts neues, da ich mich schon seit Jahren mit der höchst interessanten Baugeschichte des Römers beschäftige. Ich bin mal so frei, noch das ein oder andere Bild zu ergänzen.

    Zunächst mal eines, das die städtebauliche Umgebung Mitte der 1930er Jahre zeigt:


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    Man beachte vor allem die enge Bebauung der Limpurger Gasse neben dem gleichnamigen Haus (das südlichste bzw. hier ganz linke der Dreigiebelfassade) die heute natürlich völlig fehlt. Der Kleine Cohn ist hier links im Bild abgeschnitten.

    Das corpus delicti neben den Rathaustürmen, das zu rekonstruierende Dach der Kämmerei, vom Paulsplatz aus gesehen, in seiner ganzen ursprünglichen Pracht auf einer Postkarte von 1903:


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    Der gegenüberliegende Bürgersaalbau in seiner ursprünglichen Fassung, an der Fassade wurden nach dem Krieg deutliche Vereinfachungen vorgenommen, die eigentlich Entstuckung gleichkommen. Man muss hierfür das nachfolgende Bild nur mal ausdrucken und vor Ort dagegenhalten:


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    Schließlich noch der Innenhof aus den 1890er Jahren:


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    Das Bild stammt noch aus der Zeit vor dem Rathausneubau. Das rechts anschließende Gebäude ist die östliche Hofrückseite des Hauses Frauenrode, in den 1430er Jahren erbaut, das für den Bürgersaalbau abgerissen wurde.

    Bis 1878 gehörte Haus Alt-Limpurg mit dem links zu sehenden Haus Silberberg als Hinterhaus nicht der Stadt, sondern der gleichnamigen, noch heute blühenden Adelsgesellschaft. Das 1595 neu erbaute Haus Silberberg war das früheste Beispiel für die Rezeption der Renaissance im bürgerlichen Frankfurt, auch wenn die Brüstungsfelder mit ihrem Zierfachwerk fast noch an gotisches Maßwerk erinnern. Die Gotik war in Frankfurt, fast wie in England, ohnehin nie richtig tot. Es bezeugt nur das Unverständnis der Nachkriegszeit für bürgerliche Kultur, dass Haus Silberberg heute durch einen sagenhaft häßlichen Betonklotz ersetzt ist, der oben auf Riegels Bildern zu sehen ist. Aufgrund der unveränderten Kubatur wäre eine Rekonstruktion allerdings zumindest machbar.

    Somit gehörte aber eine Hälfte des Hofs bis 1878 der Stadt, die andere der Adelsgesellschaft, weswegen der Hof durch eine Mauer getrennt war. Sie wurde bis 1891 abgerissen, man kann rechts vom Treppenturm noch sehr genau erkennen, wo sie auf die Wand aufsetzte, das Bild muss also ganz kurz nach 1891 entstanden sein.

  • @ Tobias und RMA
    Ja, es handelt sich um den östlichen der drei gleichartigen Wohnblocks zwischen dem Karmeliterkloster und der Buchgasse.


    Der Vergleich folgender beiden Bilder vom Römerhöfchen aus RMA's und meinem Beitrag ist von Interesse. Sie zeigen das Höfchen unmittelbar vor und nach dem grossen Rathausneubau. Gleichzeitig ist ja auch das Haus Silberberg (mit Fachwerk und Treppenturm) renoviert worden.
    (Fenster in die Breite ziehen, damit die Bilder nebeneinander zu liegen kommen)

    .
    links: Photo von C. F. Fay, 1890er Jahre; rechts: Dr. Trenkler Co., [lexicon='Leipzig'][/lexicon], versandt 1905

    Bisher dachte ich, dass dieser Treppenturm den Baumassnahmen des Rathausneubaus um 1900 entstammte. Deshalb auch folgender Passus in meiner Beschreibung von gestern: "Ausnahmsweise erhielt dieser Turm ein Fachwerkobergeschoss, und nicht wie die restlichen eine Schieferverkleidung". Aus den beiden Abbildungen geht jedoch hervor, dass dieser Treppenturm älter ist, und wahrscheinlich aus der Bauzeit des Hauses Silberberg (1595) stammt. Über das Fachwerk gäbe es auch noch viel zu schreiben... aber später vielleicht mal im Frankfurter Fachwerkstrang.

    Zitat von "RMA"

    Das rechts anschließende Gebäude ist die östliche Hofrückseite des Hauses Frauenrode, in den 1430er Jahren erbaut, das für den Bürgersaalbau abgerissen wurde.


    Dieses Haus wurde aber im Hofbereich nicht komplett abgebrochen; das Mansarddach mit der Giebellukarne ist offensichtlich noch dasselbe. Es wird sich kaum um eine damalige Rekonstruktion handeln, denn diese eigenartig "angeklebte Platte" vor der Brüstung der Lukarne hätte man bestimmt nicht wieder angebracht. Die Geschosshöhen, und damit auch die Fensteranordnung, sind hingegen vollständig verändert, sodass ich von einer vollständigen Erneuerung der Vollgeschosse ausgehe. Dabei dürfte die Brandmauer zum Haus Silberberg hin beibehalten worden sein.

    Das Dach brannte 1944 ab, sodass die einzigen Spuren des Hauses Frauenrode heute noch in dieser Brandmauer stecken dürften!

  • Interessante Beobachtungen, Riegel. Verstehe ich richtig, du gehst davon aus, dass man das alte Dach beibehalten, und nur die Geschosse darunter ausgetauscht hat? Sozusagen eine Art frühe "Auskernung"?

    Von Haus Frauenrode sind übrigens mehr Teile erhalten. Die vier Gewölbeschlußsteine mit Wappenadlern bei der Treppe vor dem historistischen "Ratskeller" stammen aus dem ehemaligen Archivturm von Frauenrode, im Inneren des Nordbaus gibt es wohl auch noch einige Bauteile, die ich allerdings noch nie zu Gesicht bekommen habe, müsste man mal einen Tag der offenen Tür für nutzen, und schließlich ist ein Wappenadler aus der Ratsstube des Hauses Frauenrode, allerdings aus einem Umbau des 18. Jahrhunderts, in der Nordostecke des Nordbaus eingemauert (übrigens einer der schönsten Wappenadler des Frankfurter Rokoko):


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  • @ RMA: Eine Auskernung würde ich das nicht nennen, denn bei einer solchen bleibt die Tragstruktur grösstenteils erhalten. Hier wurden aber die Fassade und die Böden vollständig entfernt.


    Wenn wir schon beim Römerhöfchen sind, möchte ich nochmals auf diese Mauer zurückkommen, welche bis 1891 das Höfchen unterteilte. RMA hat geschrieben, dass das Höfchen auf zwei Besitzer aufgeteilt war, auf die Stadt und auf die Adelsgesellschaft "Alt-Limpurg". Die noch bestehende, offene Wendeltreppe von 1627 gehörte also nicht zum Rathaus, sondern stellte den Zugang zum Saal der Adelsgesellschaft im ersten Obergeschoss her. Ich finde es eigentümlich, dass ein solcher Zugang Wind und Wetter ausgesetzt war, und nicht im Haus integriert war. Eine solche Situation war häufig auch bei privaten Wohnbauten anzutreffen. Vielleicht habe ich mit einer solchen Vorstellung mehr Mühe, da ich ja aus einem kalten, schneereichen Ort stamme...


    Reiffenstein hat 1851 die Situation noch mit der Mauer festgehalten. Weshalb die Mauer so hoch war, ist mir ein Rätsel. An Feuerschutzvorschriften denke ich weniger. Und wie war das Treppentürmchen erreichbar? Gab es vom [lexicon='Römerberg'][/lexicon] her einen Gang durch das Erdgeschoss, wo man dann wieder in den Regen in den Hof hinaus musste und dann via Türmchen das Obergeschoss erreichte? Oder erfolgte der Zugang von der engen Limpurg Gasse durch den heute noch bestehenden Zugang unter dem Hinterhaus? Oder gar durch die Halle im Römer, dann in die dortige Hinterhofhälfte und durch das von Reiffenstein gezeichnete Tor in der Mauer?


    Vergrösserung
    Ansichtskarte ohne Verlagsangabe, versandt 1935

    Das links ans Türmchen angebaute Wachthaus ist somit eine Zutat von frühestens 1891, und ist auf einer Aufnahme vor Beginn der Umbauarbeiten am Römer 1896 bereits vorhanden. Der Brunnen hingegen ist erst mit dem Rathausneubau nach 1903 gesetzt worden.



    Ansichtskarte ohne Verlagsangabe, ca. 1905/15

    Auch am Hinterhaus von Alt-Limpurg gibt es immer noch ein Wachthaus. Den Isolatoren nach war die Wache schon sehr früh in telefonischem Kontakt mit anderen Dienststellen. Aus welcher Zeit dieses Häuschen stammt, habe ich bisher noch nie herausgefunden.


    Es folgen noch zwei seltene Ansichtskarten; die erste zeigt das Hinterhaus von Alt-Limpurg kurz vor Beendigung der Renovationsarbeiten (spätestens 1903), auf welcher das Wachthaus noch eine minim höhere, unförmigere Haube trägt. Die zweite Ansicht wurde von der Halle unter dem Haus Goldener Schwan aus aufgenommen.

    .
    links: Ansichtskarte ohne Verlagsangabe, versandt 1903; rechts: L. Klement, Frankfurt a. M., ca. 1905


    Und weil es so schön und romantisch aussieht, abschliessend noch ein Ausschnitt davon...

  • Oha, jetzt geht's aber in die Vollen. Aber bei mir hast du den richtigen Ansprechpartner gefunden. ;)

    Der Reihe nach, erstmal das Bild, das du in einer Skizze von Reiffenstein um 1850 zeigst, gibt es auch als Foto:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Ich hole mal etwas länger aus: Das Haus Alt-Limpurg ist wie das Haus zum Römer und das Haus Löwenstein ein gotisches Steinhaus, dessen Erbauung heute in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts angesetzt wird. Das Haus wurde dann am 5. November 1495 für 2.600 Gulden an die Patriziergesellschaft Alt-Limpurg verkauft. Die Höhe der Mauer ist meines Erachtens eben darin zu suchen, dass der Römer ja ab 1405 Rathaus war, das Nachbargebäude aber Privatleuten gehörte. Man wollte sich, wie man heute sagen würde, sicher nicht in die Karten gucken lassen. Bei den Alt-Limpurgern, die zusammen mit den Frauensteinern ja das Gros der Ratsmitglieder stellten, war das wesentlich weniger kritisch.

    1595 liess die Gesellschaft, wie schon erwähnt, das Hinterhaus Silberberg neu errichten, 1627 das schöne Treppentürmchen. Nach dem Erwerb des Hauses durch die Stadt 1878 wurde zwischen 1888 - 1891 die Mauer abgebrochen und das Treppentürmchen bekam seinen Anbau. Der Brunnen kam tatsächlich erst 1904 als Stiftung des reichen Frankfurter Weinhändlers Gustav Manskopf hinzu (er hat 1887 auch den neuen Gerechtigkeitsbrunnen auf dem [lexicon='Römerberg'][/lexicon] gestiftet).

    Das "Wachthaus" vor Haus Silberberg, nach dem du fragst, wurde "Römerwache" genannt, ist allerdings auch erst eine historistische Zutat der Vereinigung beider Höfe aus dem Jahre 1888. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass dort tatsächlich eine Wache saß, denn die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung hatte ja immerhin zwischen 1883 - 1918 ihren Sitzungssaal im ersten Obergeschoss des Hauses Alt-Limpurg.

    Leider gibt es keine genaue baugeschichtliche Beschreibung aus dem 17. Jahrhundert. Tatsache ist, dass es *historisch* keine Verbindung zwischen dem angrenzenden Haus zum Römer und dem Haus Alt-Limpurg gab (heute gibt es eine solche auf Höhe des Kaisersaals). Alternativ konnte man über Haus Silberberg in Haus Alt-Limpurg gelangen, die Häuser hatten auf Höhe des 1. Stocks eine Verbindung. Die Trinkstube, also der Haupttreffpunkt der Patriziergesellschaft, war im Erdgeschoss, so dass es wohl nicht so häufig den Anlass gab, durch den Hof zu gehen und in die oberen Räume zu wechseln (was deine Frage wegen Wind und Wetter angeht). Wofür die Obergeschosse historisch genutzt wurden, ist unklar, sie waren allerdings ziemlich prächtig ausgestattet.

    Das Treppentürmchen war also in jüngerer Zeit der einzige Zugang zum ersten Obergeschoss, von diesem führte *im Haus* eine Wendeltreppe in den zweiten Stock. Wie man vor dem Bau des Treppentürmchens das erste Obergeschoss betrat, ist nicht klar. Ich stelle mal aber folgende etwas gewagte These auf: die Trinkstube im Erdgeschoss hat nachweislich im 17. Jahrhundert eine komplette Stuckdecke erhalten. Wenn jetzt aber im westlichen Teil des Hauses eine Wendeltreppe nach dem ersten Stock führte, so hätte das die Ausführung einer Stuckierung der gesamten Deckenfläche gestört! Ich nehme daher an, dass man damals die alte Wendeltreppe herausriss (wohl aber zwischen ersten und zweiten Stock beliess, leider kann man das heute nicht mehr nachprüfen), und als Ersatz das Treppentürmchen an das Haus anbaute.

    Anbei nochmal ein paar ältere Risse des Römers. Sie sind zwar schon nach 1883 aufgenommen, als die Stadt das Haus schon besaß, da der Saal der Stadtverordentensammlung schon im Haus Alt-Limpurg eingezeichnet ist, wohl aber vor 1888, als am Römerhöfchen größere Veränderungen erfolgten, noch ganz zu schweigen vom Umbau Meckels ab 1896, bei dem man nahezu die ganze schöne Inneneinrichtung herausgerissen hat - Historismus eben. ;)


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  • ^ Fantastische Dokumentation! Vielen Dank dafür :o
    Fast schon grotesk, dass das hier einfach so untergegangen ist.


    Bei der Gelegenheit muss ich gleich mal blöd fragen: Wie steht es nun um die Rekonstruktion der beiden Rathaustürme?


    Meines Erachtens wären sie ein unschätzbar wertvoller Beitrag zur Aufwertung der historischen Silhouette der (Rest-)Altstadt. Bitte sofort her damit!

    Würde sicher auch tolle Fotomotive in Verbindung mit den Hochhäusern ergeben.

  • Wie so oft in Frankfurt scheinen die guten Absichten wieder einmal eingeschlafen zu sein. Woran es gegenwärtig hängt, weiß ich allerdings auch nicht, ich vermute mal, das liebe Geld, denn, wie schon erwähnt, insbesondere das Kämmereidach ist eine richtig teure Reko.

  • Folgendes las ich gerade bei den Kollegen von den Freunden Frankfurts (im Laufe der Diskussion kam es auch schon mal zur Sprache):

    Zitat

    Seit Anfang der 80er Jahren wurde manchen bewußt, daß die allzu schlichten Turmhauben den städtebaulichen Zusammenhang nicht sichtbar machten und den Intentionen der Architekten des Rathaus-Neubaus, Franz von Hoven und Ludwig Neher, nicht gerecht werden. 1984 hatte Bankier Johann Philipp Freiherr von Bethmann, dessen Bankhaus im Bethmannhof zu Füßen des Langen Franz ansässig war, eine Spende in Aussicht gestellt, sofern der Umbau in Angriff genommen werde. Leider kam es, trotz weiterer Versuche, bis heute nicht dazu. Es ist der dringende Wunsch der Freunde Frankfurts, daß der Lange Franz wieder sein historisches Dach erhält.

    Nun warf sich mir die Frage auf, wie sich das mit den Spendenabsichten dann im weiteren Verlauf wohl entwickelt haben mag. Und da stieß ich bei Wikipedia auf das Todesdatum des edlen Herrn Bethmann: 19. September 2007. Er hienterließ vier Söhne.

    Wie wird da nun verfahren? Steht das Erbe noch als Spende in Aussicht? Werden die Söhne das übernehmen? Hat der gute Mann das Geld womöglich vorher schon gespendet? Oder ist dieses Vorhaben mitsamt seinem Initiator nun zu Grabe getragen?

    Ich hoffe doch nicht :weinen:

  • Was daraus geworden ist, kann ich der Website nicht entnehmen (also wahrscheinlich nichts) - aber die richtigen Anträge sind schon mal gestellt. Offenbar handelt es sich um den Antrag der FDP, der schon vor über eineinhalb Jahren kam.
    http://www.fdp-fraktion-frankfurt.de/meldung.php?id…reierubrik2.php

    Mich erstaunt vor allem, daß ein solcher Antrag (dem nichts hinzuzufügen ist) von Volker Stein kommt - eben jenem Volker Stein, der noch vor wenigen Jahren auf einer Podiumsdiskussion (bei der er allerdings nur im Publikum saß) mit hochrotem Kopf gegen Rekonstruktionen auf dem TR-Areal polemisiert hatte ("wenn wir einmal mit so etwas anfangen, dann ist die Büchse der Pandora geöffnet" u.ä.). Hat er sich um 180 Grad (in die richtige Richtung) gedreht, oder beurteilt er einfach die Wiederherstellung des verstümmelten Rathauses anders?

  • @ erbsenzaehler

    Von meiner Seite ist zur Zeit nichts über eine Weiterführung dieser Konversation geplant. RMA und ich diskutieren sporadisch über bauliche Begebenheiten, über welche man in der Literatur nichts findet. Bei solchen Dikussionen und Lokalisierung seltener Ansichten und Photos streifen wir oft zufällig weitere Themen, welche dann unseren Forschungsdrang von Neuem wecken. So werden wir sicher weiterhin in loser Folge über baugeschichtliche Begebenheiten berichten :zwinkern:

  • ^ Da bin ich ja mal gespannt wie ein Flitzebogen auf eine baldige Fortsetzung ;)


    Ich weiß ich nerve, aber ich finde dieses Projekt einfach enorm wichtig - für die Stadtbildwirkung (insbesondere hinsichtlich der Skyline) sogar wichtiger als die Rekos auf dem TR-Areal!

    Hier muss endlich was passieren!


    Irgendjemand wird doch diese Fragen hoffentlich beantworten können? Bitte :peinlich:

    Zitat von "erbsenzaehler"

    Also ist die Bethmann-Spende für die Rathaustürme nicht mehr übertragbar/verfügbar? Müsste das nicht auch im Sterbefall bei Zusage irgendwie möglich sein? Was sagen die Erben selbst dazu?

  • Entscheidend ist, ob sich Bethmann durch einen notariell beurkundeten Schenkungsvertrag gegenüber der Stadt rechtlich gebunden hatte. Wäre dies der Fall, so wären auch die Erben an diesen Vertrag gebunden, da mit dem Erbfall sowohl das positive als auch das negative Vermögen des Erblassers, also auch die Verbindlichkeiten, auf die Erben übergeht. Ähnlich wäre der Fall, wenn Bethmann testamentarisch die Stadt zur Vermächtnisnehmerin bestimmt hätte. Dann hätte die Stadt ebenfalls einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben auf Zahlung des entsprechenden Bertrages.

    Ist weder das eine noch das andere geschehen, wovon ich ausgehe, so hat die Stadt keinen Anspruch gegen die Erben.

  • Liebe Erbse, zumindest im Frankfurt-Forum kannst du doch bitte das Pushen von Threads unterlassen. Denn hier kannst du sicher sein, dass ich (und einige andere) das Baugeschehen hinreichend verfolgen und diesen Thread aktualisieren, wenn es inhaltlich neues passiert. Bis dahin sind weitere Beiträge hier ungefähr so sinnvoll wie wöchentliche Bildupdates von der verwaisten Baustelle des Nakheel-Towers.

  • Habe den Inhalt deines Folgebeitrags förmlich ahnen können ;)


    Das ist mir soweit alles bewusst. Aber ich will, dass da endlich etwas passiert. Zumal es eine recht einfache Baumaßnahme ist (was die Türme angeht) - mit maximaler Wirkung.

    Und wir setzen uns in diesem Forum nun einmal für Rekonstruktionen und die Verbesserung von Stadtbildern ein - woran dir als Frankfurter in diesem Fall besonders gelegen sein sollte.
    Es geht ja nicht um wöchentliche Updates, sondern um den aktuellen Kenntnisstand, der hier noch gar nicht abgebildet ist! Mir ist völlig unklar, wie die Situation mit dem Erbe ist, wie der Planungsstatus aussieht. Zunächst hieß es, es käme in den Haushaltsplan und würde alsbald umgesetzt, zwischendurch, das Projekt würde aufgeschoben.

    Du bist doch da viel näher an der Quelle. Aber wenn du keine Auskunft geben kannst/willst, dann werde ich mich eben selbst erkundigen.

    Bitte nicht als Kritik verstehen, nur wie gesagt, ich will, dass es mit diesem Projekt endlich vorangeht!