Würzburg - Marktplatz 2 - 4, Petrini-Haus

  • Habe soeben aus der Presse erfahren, dass auf dem Würzburger Marktplatz ein Neubau errichtet werden soll. Name: Petrini-Haus. Es stand dort wohl vor den Krieg schon ein Gebäude. Der Neubau sieht nach den Pressebildern nach übelster Abschreibungsarchitektur aus.

  • Oh je, das ist ja mal wieder schauderhaft... (wenn auch nicht ganz so schlimm wie das, was in Berlin da hingestellt würde)

    Gibt's denn in Würzburg einen Altstadtverein oder irgendeine Initiative, die man auf dieses Thema ansprechen könnte? Oder irgendeinen politischen Ansatzpunkt, eine Rekonstruktion des Bechtolsheimer Hofs statt dieser 0815-Abschreibungsarchitektur zu fordern! Auf den ersten Blick scheint mir der Bechtolsheimer Hof ein doch ziemlich bedeutendes Beispiel der Frühbarock-Architektur im süddeutschen Raum zu sein.

  • Das auf dem 1. und 2. Photo abgebildete Gebäude steht nicht an der Stelle des jetzt zu errichtenden Petrini-Hauses, sondern an der Stelle, an der sich heute die häßliche Waschbetonfassade des Modehauses Völk und die Eingangsfassade von K + L Ruppert an der Ostseite des Marktplatzes befinden. Es handelt sich bei dem 1. und 2. Photo auch nicht um den Bechtolsheimer Hof. Dieser ist auf dem 3. Photo abgebildet , lag in der Nähe der Residenz und wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut. Beide wurden aber von Antonio Petrini, dem ersten großen Barockbaumeister Würzburgs errichtet wie auch Stift Haug, der großartige Gartenflügel der Vierflügelanlage des Juliusspitals und vieler anderer großartiger Bauten im Stil des italienischen Hochbarock.
    An der Westseite des Marktplatzes, an der Stelle des neu zu errichtenden Petrini gewidmeten Hauses, stand ein Gebäude des Historismus, das von vielen als zu hoch empfunden wurde, da es den Blick vom Marktplatz auf die Festung verstellte.
    Das Aussehen des Gebäudes, das vor dem Gründerzeitbau dort stand, ist mir unbekannt.

  • Tja, wenn NUR das Petrinihaus mal wieder rekonstruiert werden könnte, dann sah Würzburg von dieser Platz wieder ein bischen aus wie das früher aussah: schone romantische und dekorierte Häusser mit Steildächer und Gauben.

    Die Zeichnung finde ich wieder eine "billige" Lösung.

    Es könnte so schön sein.............

    Und ausgerechnet das ehemalige Salzburg von Deutschland verpasst so einer Chance......

    Das relativ kleine Würzburg gehörte vor dem Krieg zu den 10 schönste Städten Deutschlands!!!

  • Zitat von "uaoj36"

    Das relativ kleine Würzburg gehörte vor dem Krieg zu den 10 schönste Städten Deutschlands!!!

    Welche war die restliche neun?

  • Johann,

    Berlin, Dresden, München, Köln, [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Hamburg, Nürnberg,
    Magdeburg und Frankfurt. Das heisst reich an Kultur Denkmäler: Kirchen, Paläste, Schlösser, Rathäusser usw.

    Würzburg war nr 10 (ich denke reich an vielen berümten Kirchen, Feste, Schloss und einmalige Stadtansicht).

    Von den 10 ist nur [lexicon='Leipzig'][/lexicon] relativ gut erhalten. Magdeburg ist leider am schlimmsten dran.

    Rob

  • Ist Magdeburg wirklich sooo übel? War noch nie da, kenne aber sowohl die überaus häßliche Breite Straße, aber auch schöne Gründerzeitviertel-Fotos.
    Wäre mal froh über eine Fotostrecke.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • In Magdeburg ist zumindest die Innenstadt echt scheusslich. Bis auf dem Dom ist praktisch alles weggeräumt.
    Südlich der Innenstadt richtung Schönebeck verfallen derzeit zahreiche Gründerzeitarchitekturen

  • Das ist ja mal wieder eine Unverschaemtheit! Sehr schmerzlich. Da wird einer 0815 Kiste der edle Name Petrinihaus verliehen. :(

    Das einzig positive das ich diesem Bau abgewinnen kann ist die Tatsache, dass es sich zur Abwechslung mal nicht um ein Flachdach handelt.

  • Pilaster
    Nein, soweit ich sehe handelt es sich hier um ein Glasdach, was noch viel schlimmer ist denn ein Flachdach. Wenn man künftig von der Marienberg die wunderschöne Aussicht auf die Altstadt geniesst und die Sonne steht in der "richtigen" Winkel zum Dach, wird das Glasdach so richtig im Auge stechen...

    Inzwischen ist das "Petrini-Haus" (diese Name ist wirklich eine Frechheit!) schon weit fortgeschritten. Man kann den Baufortschritt tagsüber verfolgen auf:
    http://www.wuerzburger-markt.de/webcam.asp?bid=1
    Anstatt, dass das hässliche und störende moderne Haus links des "P-H" verbessert wird, wird es mit dem ebenso hässlichen und störenden "P-H" zu einem marktplatzzerstörenden Ensemble erweitert. Dieses Vorgehen erinnert mich irgendwie am Bau des Buckelwalneubaus am Lübecker Marktplatz..

    Der grösste Gewinn, die ich mir dagegen für das Würzburger Stadtbild ausdenken kann, wäre die Rekonstruktion des auf den Bildern 1 und 2 gezeigte, von Petrini entworfenen Gebäudes am östlichen Marktplatz. Nicht nur der Marktplatz wäre auf einmal extrem aufgewertet, sondern auch das Stadtpanorama vom Marienberg her. Ich kenne sogar keinen anderen Ort, wo eine einzige Rekonstruktion so viel Gutes für das Stadtbild bewirken könnte.
    Wäre da nicht irgendwas mit dem Völk zu machen?

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Würzburg ist eh eine Stadt der Widersprüche, wenn man auf der einen Seite bedenkt, was z. B. in den Wiederaufbau der Residenz investiert wurde, oder wie man es geschafft hat, die überkommene Straßenstruktur und Dachlandschaft zu erhalten. Klasse.

    Und dann wieder sowas... oder der gruselige Dom, der immer noch den Eindruck macht, als hätte er ein Notdach und händeringend auf eine Wiederherstellung des Stucks wartet. Oder der generelle Mangel an rekonstruierten bürgerlichen Profanbauten - mir würden spontan sicher 20 Stück einfallen!

  • RMA

    Meine Kenntnisse des Vorkriegswürzburgs sind zu gering, um 20 verschiedene individuelle auszumachen, aber sie müssten sich vor allem an der Domstrasse und an der Strasse, der vom Dom am Neumünster vorüber zum Juliusspital (Schönbornstrasse?) führt, befunden haben.
    Ich war vor einigen Wochen in Würzburg und war auch in einigen Kirchen. Der Dom ist zur Hälfte noch ein Rohbau, mit einer scheusslichen Orgel. Nach dem Dom scheint mir Petrinis Stift Hauger Kirche die wichtigste Innenausstattung gehabt zu haben. Zwar ist die heutige Ausstattung bis auf dem hässlichen Kreuzbild bei der Eingang im Vergleich zum Dom relativ akzeptabel, aber die alte Ausstattung scheint wirklich sehr wertvoll gewesen zu sein, vor allem die Orgel.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat von "Brandmauer"

    Pilaster
    Nein, soweit ich sehe handelt es sich hier um ein Glasdach, was noch viel schlimmer ist denn ein Flachdach. Wenn man künftig von der Marienberg die wunderschöne Aussicht auf die Altstadt geniesst und die Sonne steht in der "richtigen" Winkel zum Dach, wird das Glasdach so richtig im Auge stechen...

    Inzwischen ist das "Petrini-Haus" (diese Name ist wirklich eine Frechheit!) schon weit fortgeschritten. Man kann den Baufortschritt tagsüber verfolgen auf:
    http://www.wuerzburger-markt.de/webcam.asp?bid=1

    Da hast Du besser hingesehen als ich, Brandmauer. :peinlich:

    Soso, statt einer Glasfassade haben wir es diesmal mit einem Glasdach zu tun. Als ob die Fassade nicht schon "transparent" genug waere! :augenrollen:

    Dank fuer Deine weiteren Ausfuehrungen. :)

    Zitat von "RMA"

    [d]er generelle Mangel an rekonstruierten bürgerlichen Profanbauten - mir würden spontan sicher 20 Stück einfallen!

    Gut gesagt! Dieser beklagenswerte Mangel ist leider deutschlandweit zutreffend und er ist es, woran unsere Staedte so leiden. :weinenblau:

  • Zitat von "uaoj36"

    Johann,

    Berlin, Dresden, München, Köln, [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Hamburg, Nürnberg,
    Magdeburg und Frankfurt. Das heisst reich an Kultur Denkmäler: Kirchen, Paläste, Schlösser, Rathäusser usw.

    Würzburg war nr 10 (ich denke reich an vielen berümten Kirchen, Feste, Schloss und einmalige Stadtansicht).

    Von den 10 ist nur [lexicon='Leipzig'][/lexicon] relativ gut erhalten. Magdeburg ist leider am schlimmsten dran.

    Rob

    Würzburg und [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zu vergleichen ist schon äußerst mutig.

  • Hallo Navigator,

    Wenn ich alle Bücher über die Verluste an Baudenkmäler seit 1942 durchlese dann sind natürlich einige Städte schlimmer getroffen dan andere. In diese Bücher stehen auch kaum Wohnhäuser, die meistens noch am schlimmsten dran waren. Auch die meiste Baudenkmäler wurden (oft vereinfacht) wieder aufgebaut. Netto Verlust sind also bestimmte Baudenkmäler die nicht mehr zurückkehrten und die viele Geschäfts- und Wohnhäuser.
    Wie grösser der Stadt wie mehr Geschäfts- und Wohnhäuser auch verloren gingen aber auch wie mehr heute auch noch da sind.

    In diese Bücher wurden die am schlimmsten getroffen Baudenkmälerreiche Städten angedeutet mit: Berlin, Hamburg, Dresden, Köln, Magdeburg, Mannheim (Breslau u.Königsberg), Frankfurt, Chemnitz und Nürnberg aber auch kleinere Städte wie Kassel, Braunschweig, Würzburg, Potsdam, Pforzheim, Halberstadt, Heilbronn, Darmstadt, Münster, Ulm, Freiburg, Mainz, Worms, Aachen, Karlsruhe, Augsburg, Wiesbaden bis Zerbst.

    Zurück nach der Baudenkmäler: Würzburg hatte viele, [lexicon='Leipzig'][/lexicon] auch, aber war viel grösser (etwa 125.000 Einw. zu 750.000 Einw.). [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wurde nur mässig bombardiert, Würzburg aber schwer.
    In Würzburg wurden die wichtigtste Baudenkmäler wieder aufgebaut: sie sind wie Inseln in der heutige Stadt aber auch die verloren gegangen Häuser wurden schlicht im äusseren Gestalt wieder aufgebaut entlang der ursprüngliche Strassen und Plätzen. Heutzutage ist Würzburg dadurch wieder eine Anspruchsvolle und attraktive mittelgrosse Stadt, obwohl die "alte" Stadt von früher nicht mehr da ist. Vergleich Würzburg mit gleichgrossen Salzburg und das Unterschied ist sofort sichtbar.
    Die Wiederaufbau in Deutschland war überall gezielt auf: modernere Städte schaffen: grössere Strassen (Verkehr) und funktionele Gebäuden ohne Schmuck.
    Der Bedürfniss aber in diese funktionelle neuerrichteten Städte an alte und belebte Quartiere ist dementsprechend gross (weil die Einwohner sich da wohl fühlen), aber Städteplaner, Architekten und Investierer sind noch nicht so weit dass sie allen dafür offen stehen. Geld spielt eine wichtige Rolle und Architekten wollen "neues" schaffen und keine schlichte Immitationen oder Rekonstruktionen (von anderen Architekten) Bauen.
    Also geht der Kampf um anspruchsvolle, schöne und lebhafte Städte oder Quartiere weiter. Ein Kompromiss ist dann noch die beste Lösung.

  • Tut mir leid, ich meinte eigentlich etwas anderes:
    während in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] mit Ausnahme des alten Rathauses kaum noch historische Architektur anzufinden war/ist, war Würzburg eine gewachsene Stadt und dazu in unvergleichlicher Lage am Main, unterhalb der Weinberge, während [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ein endloses, gleichförmiges Meer an Gründerzeitwohnbauten in der Ebene ist.
    Rein kunstgeschichtlich betrachtet, würde der Totalverlust Leipzigs kaum ins Gewicht fallen, während allein die Tiepolo - Fresken in der W.burger Residenz ein unersetzlicher Verlust für die Menschheit wären.
    Anders ausgedrückt, der Vergleich [lexicon='Leipzig'][/lexicon]/Würzburg ist asymmetrisch, weil hier Quantität mit Qualität verglichen wird.
    Was die Bombardierung betrifft, die Innenstadt von [lexicon='Leipzig'][/lexicon] war komplett zerstört, nur die ganze, riesige Stadt hätte ähnlich vieler Angriffswellen wie in Essen, Hannover oder Berlin bedurft.
    Würzburg war eine große Kleinstadt, eingepfercht zwischen Hügel und Fluß, da hat ein Angriff am 16. März 1945 ausgereicht (wozu das auch immer gut gewesen sein soll - vier Wochen später wurde auch noch Rothenburg ob der Tauber zur Hälfte ausradiert).

  • Nicht zu vergessen die Brennbarkeit der Bausubstanz. Ein quantitativ gleichwertiger Angriff mit Spreng-, zuvorderst jedoch mit Brandbomben, hätte in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] geringere Schäden im Altstadtgebiet verursacht, da der größte Teil der Bebauung ein Alter von 50-70 Jahren besaß und sich ein Feuersturm in der Form nicht hätte entwickeln können - in Würzburg mußte dagegen in drei bis sechs Jahrhunderten gemessen werden.


    Würzburg ist neben Dresden wahrscheinlich auch ein Kandidat für einen besonderen amerikanischen Waffentest gewesen, der dank Entwicklungsverzögerung 44/45 nicht zustandekam. Optisch wahrhaft eindrucksvolle Ergebnisse wie in Japan lassen sich mit Kernwaffen im unteren Kt-Bereich "nur" in holzreicher bzw. altersschwacher Bebauung erzielen, während ausgedehnte Gründerzeitstädte in äußeren Teilen noch funktionsfähig sein könnten(z.B. würde das Neue Rathaus in den Grundmauern vermutlich erhalten bleiben) . Zum Glück ist dergleichen nie in Deutschland erprobt worden.

    Nein, die werden gedünstet

  • Zitat von "Wissmut"

    Zum Glück ist dergleichen nie in Deutschland erprobt worden.

    Man könnte fast meinen, daß die Kapitulationsbereitschaft Japans mißachtet worden sei, weil man noch ein A-Bomben Testgelände brauchte und Stalin beeindrucken wollte.

    Kriege hat es immer gegeben, aber nie war ihre Zerstörungsgewalt so furchtbar, wie seit der Entwicklung des Flugzeuges; letzteres hat mehr Leid über uns gebracht, als alle anderen Erfindungen, von dem Lärm an Flughäfen und - schneisen ganz abgesehen. :x