Leipzig - Friedrich-Ebert-Straße 81, vulgo Märchenhaus

  • …völlig unverständlich. Das wäre doch die Minimalaufgabe des Denkmalschutzes, solche Teile zu erhalten und interessierten Bauherren zur Verfügung zu stellen. Das kann zwar ihre Verwendung im ursprünglichen Kontext nicht ersetzen, denn woanders wären sie nur Citate, aber immerhin besser als nichts…

    Boonis Hoffnung auf den Feierabend teile ich nicht. Zwar hat das Haus um 18 Uhr noch gestanden, aber so etwas wird vorzugsweise nachts erledigt, schon wegen der nötigen Straßensperrung, vielleicht auch, um Empörungen vorzubeugen.

  • Wenn jemand von den Leipzigern die Möglichkeit hat, ein paar Filmaufnahmen vom Abriss zu machen, könnte daraus eine wichtige Dokumentation werden. Solche authentischen Aufnahmen würden sehr gut die Machenschaften der Leipziger Abriss-Mafia veranschaulichen, auch für ein größeres Publikum.

  • Also wenn das Gebäude morgen früh nicht mehr steht ist die Story wirklich schon BILD-reif.
    Ich hoffe ja wirklich noch auf Rettung in letzter Sekunde wenn es stimmt dass es einen Investoren gibt.

    Wie ist die Rechtslage überhaupt? Wer darf das Gebäude abreißen? Wer kann es stoppen?

    Ansonsten müsste man vielleicht mal 'nen beladenen 40-Tonner vor Caruso's Firmeneinfahrt stellen und die Luft ablassen, so kann man ein paar Stunden Zeit rausschlagen... aber die wilden 70er sind ja vorbei.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Oder die Abrissbagger sabotieren...

    So ein Fall könnte mich auch zu Kriminalität verführen. Man könnte es aber auch als Widerstand betrachten und der ist doch erlaubt.

  • Mit BILD erreicht man ja so ca. das Publikum, das zu den Fußballspielen strömt und damit indirekt für den Abriß verantwortlich ist. Ich weiß nicht, ob das eine Hilfe ist. (Hoffentlich ist die Bemerkung dem Mod. nicht wieder zu arrogant.)

    Ich habe mal den Architekturkritiker der F.A.Z. darauf aufmerksam gemacht, der sich ja auch schon für die Kleine Funkenburg verwendet hat. Der ist nächste Woche in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] – hoffentlich nicht zu spät um Öffentlichkeit herzustellen. Die LVZ hat es ja auch nicht so sehr nötig gehabt, einen Proteststurm zu entfesseln.

  • Wie die Rechtslage ist, weiß ich auch nicht so genau. Ich hoffe, dass ich diesbezüglich noch ein paar Infos einholen kann.

    Wie es aussieht, liegt die Abrissgenehmigung aber bei der Erbengemeinschaft, denn denen gehört das Haus.

    Bei dem Investor für die FE 81 handelt es sich um einen Herrn Wahl aus Waiblingen, der seit Jahren in Chemnitz wohnt und dort bereits viel Gutes getan hat, was die Erhaltung von Gründerzeitwohnhäusern anbelangt. Das Stadtforum hat ihn überzeugt, in die FE 81 zu investieren, unter der Voraussetzung, dass er zinsgünstige Kredite bei einer Bank erhält.

    Hier der Link: http://www.wahl-partner.de/\r
    http://www.wahl-partner.de/
    (Klickt Euch ruhig mal durch die Altbauprojekte. Da sind ein paar ganz interessante Datails dabei.)


    Das zweite Wunder passierte nun, als erneut das Stadtforum es geschafft hat, die Dresdner Bank von dem Vorhaben zu überzeugen, die dem Investor, Herrn Wahl, einen äußerst günstigen Kredit gewährt.

    Alles schien perfekt, man musste sich nur noch über die Kaufsumme einig werden. Und hier liegt vermutlich auch der Hase im Pfeffer, denn das Absurde am Stadtumbau Ost ist, dass die Abrissprämien auch für Altbauten in historisch gewachsenen Stadtteilen mitunter viel höher sind, als die Kaufsumme eines Gebäudes.

    Ich könnte mir vorstellen, dass die Erbengemeinschaft Fein einen höheren Erlös für den Abriss bekommt, als für den Verkauf an den Investor. Hinzu kommt, dass die Caruso GmbH schon mit einer Klage wegen Abrissverzögerung gedroht haben soll. Diese Klage kann sich eigentlich nur gegen die Erbengemeinschaft richten, und nicht, wie ich anfangs vermutete, gegen die Stadt.

    Die Erbengemeinschaft soll zudem sehr gespalten sein. Der Kopf dieser Gemeinschaft, der 87jährige Rolf Fein, ist eindeutig für den Erhalt. Ich denke, dass er seine Kindheit in diesem Gebäude verbrachte, bevor er, weil er als Jude in Deutschland unerwünscht war, in die USA auswanderte.

    Wie dem auch sei und egal, ob die Feins nun letzendlich die Abrissgenehmigung erteilten: Sie trifft keine Schuld, denn was ihnen auch nach der Wende seitens der Stadt zugemutet wurde, ist außerm Spaß und wird nur noch getoppt von den Querelen um das Henriette-Goldschmidt-Haus, das sich ebenfalls in dieser Straße befand.

    Hätte die Rückübertragung nicht 9 Jahre gedauert, das Gebäude wäre unter Garantie saniert worden. Interessenten gab es schließlich genug.

  • 21.30 war alles ruhig; keine Bagger, keine Scheinwerfer. Also wenn die nicht um zwei anfangen wollen, passiert heute nacht vielleicht doch nichts mehr.

    © Copyright crealog-[lexicon='leipzig'][/lexicon].de

  • ...trotzdem vorsicht. Wer so charakterlos ist und solch ein Kunstwerk zerstören kann, dem ist jedes Mittel Recht. Er kommt auch nachts!

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • Also heute abend wird ja bestimmt nix mehr passieren. Allein die Lärmbelästigung für die umliegenden Gebäude verbietet solche eine Aktion.
    Morgen früh gehts dann aber denk ich schnell zu Sache. Das Haus wird fallen soviel ist sicher.

  • was wurde den feins denn von seiten der stadt zugemutet?

    sie bekamen vor ihr haus (dessen dachstuhl damals noch nicht abgebrannt war) vor sechs jahren zurück - später als manche, früher als manch andere. auf die mühlen der justiz hat die stadt doch keinen einfluss.
    (wie hier im forum auf seite 36 schon mal angemerkt, hat meine familie ihr 1895 erbautes haus erst im jahre 2004 zurückerhalten und postwendend für den spottpreis von 7500 euro an investitionswillige verkauft, damit es jetzt endlich saniert wird.)

    um legendenbildung vorzubeugen: wenn die stadt partout den abriss der friedrich-ebert-strasse 81 wollte, hätte sie dies locker in den neunzigern vor der rückübertragung bewerkstelligen können. und damals spielte der vfb noch in der ersten bundesliga.
    es liegt also weder an der fussball-wm noch an städtischer abrisswut, falls das gebäude in den nächsten tagen abgerissen wird.
    aber für sanierung eines hauses ist nun mal die mitwirkung der eigentümer unabdingbare voraussetzung. wäre schön, wenn sich die feins nach sechs jahren endlich dafür entscheiden könnten.
    falls dies nicht passiert: einfach über die stadt aufregen. trifft zwar den falschen, befreit aber ungemein und erntet (hier) garantiert beifälliges schulterklopfen...

  • rakete hat schon recht. Trotzdem braucht man in so einem hoffnungslosen Fall IRGENDEINEN schuldigen ... und mir scheint als könnte man NUR über die Stadt einen Abriß verhindern.

    Wenn ich in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wohnen würde könnte ich Nachts nicht ruhig schlafen.
    Weil in der Nachbarschaft unter Umständen gleich dieses Haus abgerissen wird.

    Am Ufer der Sonne wo die wesen vom sehen träumen ist in Echtzeit überall Nacht

  • Heute morgen hat das Haus noch gestanden.


    »»spacecowboy:
    Ist das wirklich so, daß wir mit unseren Steuergeldern via Abrißprämie auch noch den Abriß subventionieren würden, während wir mit selbigen Steuergeldern außerdem Denkmalschützer aushalten, deren Aufgabe es wäre, diesen zu verhindern, ihn aber hinnehmen? Da zahlt man ja richtig gern Steuern!

    »»JimPanse:
    Ich glaube nicht, daß hier jemand auf das nächtliche Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht nehmen würde. Erstens ist dies hier der Wilde Osten. Zweitens gibt es kaum noch Nachbarn. Die unmittelbare Umgebung ist schon ziemlich »entwohnt«. Gegenüber ist ein Bankenverwaltungsgebäude, links daneben eine Baulücke, rechts ein leerstehendes Haus (in dem ich jahrelang gewohnt habe), neben diesem wieder eine Baulücke. Die unvorteilhafte Lage ist wahrscheinlich eines der großen Probleme für die Entwicklung dieses Hauses.

    »»rakete:
    Wie sich die Schuld zwischen Stadt und Familie Fein oder den Gerichten oder bösen Umständen verteilt, kann ich nicht beurteilen, das ist auch gar nicht der Punkt; jedenfalls erwarte ich von einer Denkmalschutzbehörde, daß sie eine solche Situation – den drohenden Abriß – unter allen denkbaren Umständen verhindert. Zu vermitteln, zu sensibilisieren, Öffentlichkeit herzustellen (das kostet nicht einmal Geld), notfalls zu verbieten, zu drohen oder sich von mir aus auch vor den Bagger zu werfen – exakt das ist ihr Job. Sonst brauche ich sie nicht. Und wenn das Haus von sich aus einfiele, dann würde ich von einem Denkmalschützer erwarten, daß er jedes Sandsteinrelief sichert, katalogisiert und einer Nutzung zugänglich macht.

  • Was fuer ein Jammer! :weinenstroemen: Das ist wahrhaftig ein schmerzlicher Verlust. :klaresnein:

    Zitat von "Friederich"

    jedenfalls erwarte ich von einer Denkmalschutzbehörde, daß sie eine solche Situation – den drohenden Abriß – unter allen denkbaren Umständen verhindert.

    Wahrhaftig! Ich wundere mich oft ueber die Art, in der die deutschen Denkmalschutzbehoerden ihre Rolle angehen. :kopfschuetteln:

  • Wie lange würden denn der Kauf dauern? Kann der Investor das nicht noch eben schnell über die Bühne ziehen? Wenn das Haus ihm gehört kann er ja vmtl den Abriß verhindern.

    Und dass wir mit Steuergeldern so etwas bezahlen ist unerhört!

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat

    Wie lange würden denn der Kauf dauern? Kann der Investor das nicht noch eben schnell über die Bühne ziehen? Wenn das Haus ihm gehört kann er ja vmtl den Abriß verhindern.

    Das kommt vor allem darauf an, wie schnell der Investor die Finanzierung zustande bringt. Wenn er eine fixe Finanzierungszusage seitens der Bank erhält, kann bereits ein Termin beim Notar zwecks Beurkundung gemacht werden. => Treuhänder => Geldübergabe => dann ist er de facto Eigentümer. Rein rechtlich ist er dies aber erst, wenn die Eintragung ins Grundbuch erfolgte und das dauert... . Die Abrissfirma kann aber schon vorher ihre sieben Sachen einpacken.

    Hoffentlich gibt es noch ein Kehrtwende!!!! Ich finde es außerdem komisch, dass die Welt so einen Artikel pupliziert und dann ist plötzlich alles wieder anders???

  • 12.00 Uhr:
    Man zerlegt noch Bäume im Hof. Innen sieht es ziemlich schaurig aus. In einem verschlossenen Nebengelaß im EG sieht man durch den Briefschlitz eine größere Menge von Blechfässern unbekannten Inhalts. Kann man diese Kenntnis instrumentalisieren, um den Abriß zu verzögern?

    »»spacecowboy: Weiterbeten!

  • Wenn du was instrumentalisieren willst, wirst du wohl eine Demo organisieren müssen, oder willst du den Arbeitern erzählen, in den Fässern befänden sich hochgiftige Chemikalien?

    Ich teile übrigens deine Meinung zur Sprachkultur. Leider ist es da wie bei Architektur, entweder man hat ein Gefühl dafür oder nicht. Hat man es nicht, versteht man die Einwände gar nicht. Ein Glasbau mit 4 Ecken funktioniert doch, oder? Was habt ihr also..

  • Zitat von "Friederich"

    12.00 Uhr

    Die letzten Seiten lesen sich fast spannender als ein John Grisham Roman. Wirklich beschämend, was gerade in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] vor sich geht. Ich drücke die Daumen, dass die Vernunft siegen wird, und dieses kostbare Gründerzeitgebäude erhalten bleibt.