Woba-Privatisierung

  • Die Woba Dresden soll an eine amerikanische Fondsgesellschaft verkauft werden.

    Und zwar betrifft das insgesamt 48000 Wohnungen, das sind ca. 1/4 des Gesamtbestandes der Stadt an Mietwohnungen bzw. 1/6 des Gesamtbestandes an Wohnungen überhaupt.

    Wie ich finde, eine schwerwiegende Geschichte, die einen eigenen Strang wert ist, denn es betrifft nicht nur ganze Stadtteile wie Prohlis, Gorbitz oder Johannstadt, sondern auch Innenstadtlagen wie den Neustädter Markt, Wilsdruffer Str. oder der lange Wohnriegel an der Prager Str.

  • Habe davon in der Faz gelesen. Schon komisch, daß die Investoren
    sogar 1,7 Milliarden € hinlegen wollen, obwohl die Stadt nur von einem
    Wert von 650 Mio € ausgeht. Aber es soll wohl kein Haken dran sein.

  • ... das hört sich ja wirklich nach einem wunder an ;)
    - neben all den vielen nützlichen und schönen sachen, die der stadt nun möglich wären, reicht es vielleicht auch für _kein neues "gewandthaus"... ;)

  • Zitat

    Habe davon in der Faz gelesen. Schon komisch, daß die Investoren
    sogar 1,7 Milliarden € hinlegen wollen, obwohl die Stadt nur von einem
    Wert von 650 Mio € ausgeht. Aber es soll wohl kein Haken dran sein.

    Die Woba hat Verbindlichkeiten und Hypothekenschulden, mit denen die Gebäude belastet sind und die der Investor mit übernimmt.
    die 1,7 Mrd ist das was der Investor insgesamt finanzieren muß,
    die 650 Mio bzw. sogar 982 Mio das, was nach Abzug der Woba-Schulden für die Stadt übrigbleibt.

    Das ist die wirtschaftliche Seite.
    Aber was bedeutet das für die Stadtentwicklung?

    Natürlich weniger Mitspracherecht und Mitgestaltungsmöglichkeiten für den Stadtrat.

    andererseits:
    Die Woba hat sich z.B. aus politischen Rücksichtnahmen immer für den Erhalt der Platten am Goldenen Reiter oder des langen Riegels an der Prager Str. ausgesprochen.
    Ein privater Eigentümer ist hingegen an Renditemaximierung interessiert und wenn ein anderer ihm für die Flächen ordentlich etwas bietet, um dort abzureißen und etwas anderes hinzubauen, dann kann da vielleicht eher Bewegung hineinkommen, als es jetzt der Fall ist...

  • Vielleicht sollte sich die Stadt Dresden vorher einmal gründlich mit den Privatisierungserfahrungen anderer Städte vertraut machen, sei es bei Wohnungen oder Wasser.
    Wohnungsprivatisierungen laufen meist nach dem Schema: Stadt verwaltet preiswerten Wohnraum und hat Einnahmen. Stadt hat Schulden, die vor allem auf die letzten Steuerreformen und folgenden Steuerausfälle zurückzuführen ist. Stadt will Schulden tilgen und verkauft alles was nicht niet- und nagelfest ist. Kritische Stimmen werden mit dem Hinweis kaltgestellt das private Betreiber immer kostengünstiger und damit auch für den Bürger besser sind. Wohnungen werden an privaten Investor verkauft. Dem reicht die Rendite nicht, also erhöht er Qualität und Preise des Wohnraums. Wohnraum wird teurer, Bürger hat weniger in der Tasche, Stadt hat keine Einnahmen aus Wohnraum und weiter steigende Schulden, Rentenfond in den USA freut sich über steigende Rendite.
    Beim Wasser läuft es übrigens noch krasser, wenn gewünscht kann ich hier mal auflisten wie es in Berlin gelaufen ist. Das ist wirklich ein Musterbeispiel des Privatisierungs- Wahns.

    Verkauf gesellschaftlichen Eigentums (nichts anderes ist es!) an Einzelne hat fast immer nur kurzfristige Effekte, langfristig gewinnen nur die privaten Eigentümer.

  • Andererseits kann die Stadt erhebliche demographische Risiken privatisieren, denn wenn man die natürliche Bevölkerungsbewegung heranzieht, also die Anzahl Geborene/Gestorbene
    und besonders die Entwicklung der Anzahl der Mütter im gebärfähigen Alter und der potentiellen Haushaltsneugründer für die nächsten Jahrzehnte hochrechnet, dann kann einem Angst und Bange werden und man muß manche Immobilieninvestoren für ihren Mut und Optimismus bewundern.

  • Soviel ich weiß hat die Woba ja hauptsächlich Plattenbauten und stellte sich, wenn ich das richtig verstanden habe, immer gegen eine positivere Umgestaltung am Neustätter Markt.
    Was riskiert man da mit dem Verkauf? Unattraktiver können diese Wohnungen/Viertel ja sowieso kaum mehr werden. Im Gegenteil.
    Freilich müsste die Politik jetzt ein schlüssiges Konzept vorlegen, wie sie das Geld sinnvoll zur langfristigen und nachhaltigen Gesundung der Stadt verwenden will. Und wir sollten schauen, dass auch was für unsere Ziele am Neumarkt abspringt (Verhinderung Gewandhaus, Kurländer Palais, usw.)

  • Ich finde auch, es viel dümmeres als stadtverschandelnde Plattenbauten, insbesondere am Neustädter Markt zu sanieren gibt es gar nicht; von daher kann es mit einem neuen Eigentümer nur besser werden.

    Und wenn der fiese Riegel auf der Prager Straße abgerissen würde, dann wäre das ein Riesengewinn für Dresden. Dann könnte man vielleicht sogar wieder historische Querstraßen anlegen, die die DDR-Stadtplaner damals "vergessen" haben.

    Und wenn alles so bleibt, dann ist Dresden wenigstens schuldenfrei. 8)

  • Zitat von "Karasek"


    Beim Wasser läuft es übrigens noch krasser, wenn gewünscht kann ich hier mal auflisten wie es in Berlin gelaufen ist. Das ist wirklich ein Musterbeispiel des Privatisierungs- Wahns.

    Würde mich interessieren. Kannst auch eine Email senden

  • Für die Entwicklung des Neumarkt-Areals sind die Woba-Blöcke an der Wilsdruffer Straße enorm wichtig. Ohne (zwar geringe) Eingriffe dort kann das Hotel Stadt Rom nicht gebaut werden. Das Palais de Saxe in der Moritzstraße ist ohne Totalabriss eines Woba-Baus nicht zu realisiseren. Beide Leitbauten gehören zu den wichtigsten am Neumarkt. Auch hier können wichtige Einflussmöglichkeiten der Stadtplanung verloren gehen.

    Karasek

    Mich interessieren die Erfahrungen mit der Wasserversorgungsprivatisierung auch. Ein Thema, das noch viele betreffen wird...

  • Zitat von "Mathias"


    Karasek
    Mich interessieren die Erfahrungen mit der Wasserversorgungsprivatisierung auch. Ein Thema, das noch viele betreffen wird...

    Na dann mal in Kürze (oder auch nicht):
    Die Berliner Wasserwerke machten Profit, brachten also Geld ein. Da aber Private alles besser können und man scharf auf den Batzen Geld war verkaufte man die Wasserwerke. Berliner sind aber clever, deshalb verkaufte man nur 49% davon. Irgendwie wurde man dabei aber über den Tisch gezogen, denn in einem weiteren Geheimvertrag übertrug man alle Kompetenzen dem privaten Minderheitsgesellschafter. Das wußte der Bürger natürlich nicht.
    Der private Gesellschafter kürzte erstmal an den Investitionen, so um die 50%. Man kontrollierte auch nicht mehr, wie gute deutsche Beamte, alles routinemäßig sondern dehnte die Kontrollintervalle bzw. reparierte nur noch wenn was kaputt ging. Dadurch gingen in Berlin 5.000 Arbeitsplätze in der davon abhängigen Wirtschaft verloren.
    Da das zur Profitmaximierung noch nicht reichte erhöhte man die Preise. Knappe 30% in 2 Jahren. Die Rendite stimmte aber immer noch nicht. Zum Glück gabs da einen weiteres Detail im Zusatzvertrag, nämlich den das die Stadt Berlin dem privaten Gesellschafter einen Mindestgewinn garantieren muß. Seitdem überweist die Stadt also nun jährlich Gelder damit der Mindestgewinn erreicht wird.
    Und jetzt kommt der größte Witz dabei: hätte Berlin die Wasserwerke behalten hätten sie durch die jährlichen Gewinne des Wasserwerkes den Verkaufserlös bis 2010 erwirtschaftet!

  • Karasek

    Danke für den Erfahrungsbericht! Man weiß dabei nicht, was erschreckender ist: die Gerissenheit des Käufers oder die Dummheit des Verkäufers.
    Ein Hauptproblem ist sicher, dass die kurzen Wahlperioden Anreize für Politiker schaffen, kurzfristige finanzielle Erfolge anzustreben (Stichwort Ausverkauf). Für nachhaltige Entscheidungen, also z. B. Investitionen in bestehende öffentliche Versorgung, werden Politiker dagegen bestraft: Wenn langfristig sich die Vorteile zeigen, sind sie bereits abgewählt.
    Leider sind die meisten Management-Entscheidungen in der Wirtschaft genauso auf kurzfristige Erfolge gerichtet. Die langfristigen Nachteile z. B. von misslungenen Fusionen baden dann eben die Nachfolger aus...

  • Zitat von "Mathias"

    Karasek

    Danke für den Erfahrungsbericht! Man weiß dabei nicht, was erschreckender ist: die Gerissenheit des Käufers oder die Dummheit des Verkäufers.
    Ein Hauptproblem ist sicher, dass die kurzen Wahlperioden Anreize für Politiker schaffen, kurzfristige finanzielle Erfolge anzustreben (Stichwort Ausverkauf). Für nachhaltige Entscheidungen, also z. B. Investitionen in bestehende öffentliche Versorgung, werden Politiker dagegen bestraft: Wenn langfristig sich die Vorteile zeigen, sind sie bereits abgewählt.
    Leider sind die meisten Management-Entscheidungen in der Wirtschaft genauso auf kurzfristige Erfolge gerichtet. Die langfristigen Nachteile z. B. von misslungenen Fusionen baden dann eben die Nachfolger aus...


    Das klingt jetzt wie ein Plädoyer für die Wiedereinführung der Monarchie
    :zwinkern:

    Wobei man sagen muß:
    In den meisten Kommunen sitzen ja die Bürgermeister wie kleine Monarchen fest im Sattel.
    Berlin ist hierin eine Ausnahme.
    und Dresden weicht mit seinem Roßberg und dem bunten Stadtrat auch ein wenig von der Norm ab.

  • Miwori

    Nein, ich bin nicht für Monarchie! Aber die einzelnen Landtagswahlen könnten z. B. so auf einander abgestimmt werden, dass es jeweils nur noch einen Wahltermin für alle Bundesländer gäbe. Dann hätten wir nicht Dauerwahlkampf und Entscheidungen könnten langfristiger getroffen werden. Nach dem jetzigen System beeinflussen sich ständig Bundestags-, Landtags- und teils auch Kommunalwahlen gegenseitig. Das fördert Populismus und das Schielen auf kurzfristige Wählergeschenke.

  • http://www.wdr5.de/sendungen/feature/manuskript/muelheim_oder_der_rest.pdf\r


    Das ist das Script eines Radiobeitrags zu den Privatisierungen in Mülheim. Es liest sich dadurch etwas schlecht und ist langwierig, aber die Details sind der reine Wahnsinn! Da kommt wirklich alles drin vor: Korruption, Bestechung, Amtsmißrauch, ....Sex :zwinkern:

    Es fällt mir übrigens schwer dieses Thema nur unter architektonischen Aspekten zu betrachten. Vielleicht merkt man das. :augenrollen:

  • Karasek

    Die WDR-Reportage ist geradezu ein Lehrbuchfall für ein Milieu, das Korruption in vielfältiger Weise begünstigt!

    Auf zahlreichen Ebenen wird deutlich, wie demokratische Kontrolle fehlschlägt. Kontrolle im Gemeinderat fällt aus, wenn eine wirksame Opposition fehlt; Staatsanwaltschaften können wegen Weisungsgebundenheit von oben blockiert werden; Bürgerentscheide haben zu kurze Bindungswirkung; Kommunalpolitiker als Aufsichtsräte privater Energieversorger sind käuflich.

    Alles das zeigt, dass die Korruptionsbekämpfung in Deutschland nicht effektiv genug ist. Statt bei Staatsanwaltschaften Personal einzusparen, sollten hier Schwerpunkte gesetzt werden. Formen direkter Demokratie müssen weiter ausgebaut werden (Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, auch auf Landes- und Bundesebene). In der Wirtschaft müssten Aufsichtsräte zu echten Kontrollgremien werden statt wie jetzt reine Abnickergremien zu sein. Dazu könnte man Minderheitenrechte dort stärken. Besonders wichtig wären aber Haftungstatbestände für die Verursacher der wirtschaftlichen Schäden, die durch Korrution entstehen.

  • Zitat von "Mathias"

    Miwori

    Aber die einzelnen Landtagswahlen könnten z. B. so auf einander abgestimmt werden, dass es jeweils nur noch einen Wahltermin für alle Bundesländer gäbe. Dann hätten wir nicht Dauerwahlkampf und Entscheidungen könnten langfristiger getroffen werden.

    Das dürfte wohl schwierig, wenn nicht unmöglich, werden.
    Schon eine Neuwahl auch nur eines der 16 Landtage würde diese ganze Synchronisation aus dem Konzept bringen. Und Neuwahlen sind vor dem Hintergrund der vorgezogenen Bundestagswahlen 2005 ja keine unwahrscheinliche Möglichkeit.

  • Heute bei Spiegel-Online:

    Zitat

    Die Dresdner Politik beschließt morgen voraussichtlich, alle städtischen Wohnungen an einen US-Investor zu verkaufen. Auf einen Schlag wäre die Stadt ihre Schulden los. Dennoch sind Zehntausende Bürger gegen das Milliardengeschäft mit der vermeintlichen "Heuschrecke". [...] Die Stimmungslage im Stadtrat lässt darauf schließen, dass Dresden demnächst tatsächlich die erste schuldenfreie Großstadt Deutschlands sein wird. Nach jetziger Stimmungslage wollen 40 Politiker für den Woba-Verkauf stimmen - aber auch 31 dagegen. Denn unumstritten ist der finanzielle Befreiungsschlag keineswegs. Rund 45.000 Dresdner haben ihre Unterschrift auf die Listen der Bürgerinitiative "Woba erhalten!" gesetzt.

    Immerhin geht es um fast 50.000 Wohnungen. Ein Fünftel der Dresdner Bevölkerung - rund 100.000 Mieter - ist betroffen. [...] "Wir werden die Wohnungsbestände erhalten, das Ganze lebt aus der Vermietung." Und: "Wir wollen den Leerstand reduzieren, der derzeit bei 18 Prozent liegt."

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,404746,00.html\r

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Na dann bin ich ja mal gespannt. Der Investor bringt zwei Drittel des Kaufpreises über Kredite auf (übrigens die Vorgehensweise aller "Heuschrecken"), als Einnahmen fallen ihm aber nur 10 Mio €uro Gewinn jährlich zu. Damit kann er nicht einmal die Kredite bedienen, und Profit bleibt überhaupt keiner.
    Wird auf die Art eine Firma übernommen entzieht die "Heuschrecke" der Firma als nächstes das Eigenkapital und ersetzt es durch die Schulden, so das die Firma ihren eigenen Kauf finanziert. Dann wird sie zerschlagen und mit Gewinn weiterverkauft. Man darf gespannt sein wie das in Dresden läuft, wenn aber alles bei Status Quo bleibt macht die Investition schlichtweg keinen Sinn.

    Und für Dresden? Die Stadt ist auf einmal schuldenfrei, aber an der Situation die zur Verschuldung führte hat sich ja nichts geändert. Zudem verzichtet sie auf jährlich 10 Mio €uro Einnahmen aus dem Wohnungsbesitz. Man kann also davon ausgehen das sie in 10 Jahren auch wieder bei, na sagen wir, 500 Mio €uro Schulden steht. Zudem hat sie an Einfluß im Bereich Stadtentwicklung und sozialer Steuerung verloren.