• AZ, 25.08.2007

    Der Bau wächst, die Skepsis bröckelt

    Wohnbau feiert Richtfest der neuen Markthäuser / "Derzeit wichtigstes Projekt der Stadt"

    von Frank Schmidt-Wyk

    Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung hat die Wohnbau Mainz gemeinsam mit zahlreichen Vertretern aus Politik und Wirtschaft am Freitag das Richtfest der neuen Markthäuser gefeiert.
    Gespannt richten sich die Blicke nach oben, doch Markus Endres bleibt zunächst stumm, schaut lächelnd vom ersten Stock des Rohbaus hinunter auf die Besucherschar im Foyer des entstehenden Laden-, Büro- und Wohnkomplexes. Der Zimmerermeister scheint so ergriffen zu sein von den soeben verklungenen Festreden, dass er glatt seinen Einsatz verpasst - Wohnbau-Chef Rainer Laub eilt zum Weckruf zurück ans Mikro: "Zimmermeister, wie wär´s mit dem Richtspruch?"
    Der kommt sodann wie aus der Pistole geschossen, die Handwerker genehmigen sich den obligatorischen Schluck - im Glas ist Grauer Burgunder - schon liegen die Scherben eine Etage tiefer verstreut, wo sie dem Bauwerk und seinen künftigen Nutzern und Besuchern Glück bringen sollen und unter den Schritten der Gäste Richtung Buffet zerknirschen.
    Vom "derzeit wichtigsten Bauprojekt der Stadt" hatte Laub zuvor gesprochen, stolz, endlich unter Beweis stellen zu können, dass die Wohnbau ihr Versprechen einhält, die abgerissenen Marktfassaden so wiederherzustellen, wie sie waren. Dass die Skepsis der Bevölkerung gegenüber der ambitionierten Architektur mit ihrer Verbindung eines futuristischen Wohn- und Geschäftshauses und historisierender Fassaden zu bröckeln scheint, dazu trägt auch der überdimensionale Vorhang bei, der seit einer Woche zum Markt hin die künftige Gestalt der Fassaden in Originalgröße abbildet.
    "Die Mainzer nehmen großen Anteil an diesem Bau", hat auch Oberbürgermeister Jens Beutel erkannt. "Und nachdem das Tuch hängt, wissen sie jetzt, was auf sie zukommt." Der Bau findet jedenfalls den uneingeschränkten Beifall des OB: "Ich weiß, dass der eine oder andere zurückzuckt - ich finde es außerordentlich gelungen." Und Baudezernent Norbert Schüler ergänzte: "Eine Architektur, über die nicht gesprochen und diskutiert wird, ist leblos."
    Nicht zuletzt gingen von dem Projekt wichtige Impulse für die Stadtentwicklung aus, merkte Beutel an und konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen: "Karstadt wäre allmählich auch mal an der Reihe", spielte er auf die überfällige Sanierung des Kaufhauses an der Ludwigsstraße an.


    Quelle: http://www.main-rheiner.de/region/objekt.…ikel_id=2941970

  • Der Bau wächst, die Skepsis wächst.. Vielleicht müssen wir uns erstmal Freuen, dass die Fassadenrekos zurückkommen. Jedoch leider an einem monströsen Bau, das ausser die Geschosshöhen gar nichts mehr mit ihnen zu tun hat.
    So wird der unsäglich hässliche grosse Betonbau hinter dem Marktplatz (vom Dom aus gesehen, auf dem Bildchen im Artikel rechts) noch zu einem Ensemble zweier solchen ausgeweitet.
    Es bleibt deshalb nur zu hoffen, dass dieser Bau nicht Schule macht. Es ist nicht immer machbar, dass eine Rekonstruktion auch hinter der Fassade authentisch ist (siehe die Pläne für das alte Rathaus in Wesel) Aber wenn das Gebäude hinter den Fassaden nichts mehr mit den Fassaden zu tun hat und an drei Seiten potthässlich ist, ist das reiner Fassadismus.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Sogar die Dächer wurden aus Beton erstellt...das Ganze ist totaler Unsinn. Das hat nicht nur nichts mit Rekonstruktion zu tun, das ist sogar wirtschaftlicher Blödsinn!
    Wenn man gar nichts kann, dann macht man so etwas, bloß nicht von Beton-Schema abweichen...

    Die Feder ist mächtiger als das Schwert...wenn das Schwert sehr stumpf ist und die Feder sehr spitz!

    -Terry Pratchett

  • Zitat

    Dass die Skepsis der Bevölkerung gegenüber der ambitionierten Architektur mit ihrer Verbindung eines futuristischen Wohn- und Geschäftshauses und historisierender Fassaden zu bröckeln scheint, dazu trägt auch der überdimensionale Vorhang bei, der seit einer Woche zum Markt hin die künftige Gestalt der Fassaden in Originalgröße abbildet.
    "Die Mainzer nehmen großen Anteil an diesem Bau", hat auch Oberbürgermeister Jens Beutel erkannt. "Und nachdem das Tuch hängt, wissen sie jetzt, was auf sie zukommt." Der Bau findet jedenfalls den uneingeschränkten Beifall des OB: "Ich weiß, dass der eine oder andere zurückzuckt - ich finde es außerordentlich gelungen." Und Baudezernent Norbert Schüler ergänzte: "Eine Architektur, über die nicht gesprochen und diskutiert wird, ist leblos."

    Dieses ständige Gesülze in der Regionalpresse ist wirklich lächerlich. Manchmal handelt es sich entweder um bewußte Sprachrohre der Architektenlobby, oftmals aber einfach auch nur um völlig unbedarfte Regionaljournalisten ohne Ahnung von Architektur, die sich aber bei einer Pressekonferenz von markigen Worten rasch beeindrucken lassen. Ich habe selber solche Leute persönlich kennengelernt, die z.B. etwas davon faselten, die "Goldene Waage" in Frankfurt sei als Rekonstruktion gar nicht machbar, weil dies ihnen der Herr Cachola Schmal vom Architekturmuseum so erzählt hätte.

    Woran der Autor dieses Artikels denn messen kann, daß die Skepsis der Bevölkerung bröckelt, wird er kaum empirisch belegen können. Und wenn, dann bröckelt sie wohl allenfalls, weil die alten Fassaden zurückkehren. Ansonsten eben etwas PR vom OB. Was soll er auch anderes sagen? Etwa daß er stadtplanerischen Mist mitzuverantworten hat? Und dann das belang- und inhaltslose Gerede des Baudezernenten. Wenn man den Dom abreißen würde und statt dessen einen Betoncontainer hinstellt, würde darüber auch gesprochen werden. Und was soll uns das nun sagen?

    Es ist gut, daß die Fassaden wiederkehren. Der Rest ist und bleibt grobschlächtiger Mist und wird in zwanzig Jahren wieder zur Disposition stehen, wie das "Technische Rathaus" in Frankfurt, - wenn denn dann noch das Geld für einen Abriss vorhanden ist.

  • Der Rohbau der Markthäuser strebt der Fertigstellung entgegen.
    Die Dächer werden bereits mit Bitumenbahnen belegt.

    Auch an den Fassaden wird bereits gearbeitet. Dabei kommen sogar Steinmetzarbeiten aus dem für Mainz typischen roten Sandstein zum Einsatz.

    Richtung Domplatz wurden bedruckte Abdeckplanen angebracht, die fast die Originalgröße der Häuser wiedergeben.
    So kann man einen guten Eindruck vom fertigen Zustand gewinnen.
    Es wird aus Richtung des Doms (fast) genau so aussehen, wie vor dem Abbruch.

    Alle vier Bilder sind von mir.

  • Vielleicht sollte man die Container auf dem ersten Bild nach Ende der Bauarbeiten einfach stehen lassen. Sieht auf jeden Fall besser aus als das, was dahinter entsteht. Wappnet sich Mainz mit diesem Bunker für den Dritten Weltkrieg?

  • Zitat

    Vielleicht sollte man die Container auf dem ersten Bild nach Ende der Bauarbeiten einfach stehen lassen. Sieht auf jeden Fall besser aus als das, was dahinter entsteht.

    Allerdings - aber wirklich mal im Ernst: gegen das, was da hinter den Markthäusern entstehen soll, wirkt die Container-Ansammlung geradezu pittoresk.

  • Zitat

    Allerdings - aber wirklich mal im Ernst: gegen das, was da hinter den Markthäusern entstehen soll, wirkt die Container-Ansammlung geradezu pittoresk.

    Das sehe ich genau so- im Ernst!

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Was mich an diesem Fall vor allem stört ist, dass dadurch möglicherweise ein Eindruck von Beliebigkeit entsteht, was historische Architektur angeht., nach dem Motto: "Ach, wir können da ruhig ein Kaufhaus hinpflanzen, dann bauen wir davor einfach die Fassaden wieder auf und alles ist in Ordnung."

    Zwar handelte es sich bei den Vorgängerbauten (noch) nicht um Baudenkmäler, sondern wir haben hier jetzt quasi die Reko einer Reko, aber wenn die Investoren jetzt auf die Idee kommen, dasselbe bei Baudenkmalen zu machen, dann sind wir wieder soweit wie in den Sechzigern und Siebzigern und haben bald wieder so was ...

    ... und so was ...

    ... und so was (wenn auch hier von außen nicht gleich ersichtlich):

  • Lieber "Maxileen", um welche Objekte handelt es sich bei den Abbildungen? Wo stehen sie? Welche Funktion üben sie aus? Sind es Altbauten, um die herum man Einkaufszentren usw. gebaut hat oder sind es Neubauten im alten Stil? Und, steht das Flensburger Beispiel noch in dieser Form?

  • @ Heimdall

    das Flensburger Beispiel sieht immernoch so aus:

    http://maps.live.com/default.aspx?v…17962&encType=1

    Ansonsten ist Flensburg (oder Flensborg - die bis 1864 zweitgrösste Stadt Dänemarks, bis ungefähr 1890 mehrheitlich Dänisch) aber wirklich sehr schön.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Zitat von "Däne"

    @ Heimdall

    das Flensburger Beispiel sieht immernoch so aus:

    http://maps.live.com/default.aspx?v…17962&encType=1

    Ansonsten ist Flensburg (oder Flensborg - die bis 1864 zweitgrösste Stadt Dänemarks, bis ungefähr 1890 mehrheitlich Dänisch) aber wirklich sehr schön.

    @ Däne
    Leitet dich dein Heimatgefühl zu der Ansicht oder ist Flensburg wirklich mehrheitlich schön, hehe? :)

    Habe namlich auf Maps eben ziemlich, ziemlich viele Nachkriegskisten im Stadtbild entdeckt... :(

  • @ Treverer

    Die Stadt ist wirklich sehr schön. Die Grosse Strasse ist von sehr schönen Giebel- und Gründerzeithaüser gesäumt. Die moderne Kaufhäuser haben in den letzten 10 Jahren neue Fassaden bekommen, die sich ganz gut einfügen. Aus der Luft fallen sie mehr aus als vom Boden. Dazu kommen die zahlreichen Handelshäufe aus den 17. und 18 Jhd. Hier gut zu erkennen:

    http://maps.live.com/default.aspx?v…17637&encType=1

    Flensburg war ein sehr wichtiger Hafen des Dänischen Überseehandels. Es lief ungefähr so: Die Schiffe fuhren bis Afrika, holten Afrikaner, die in die Karibik verfrachtet wurden. Dort wurden die Überlebenden verkauft und Zuckerröhre und Rhum gekauft. Dann ging es zurück nach Dänemark. Bis heute kann man in Flensburg Rhum kaufen.

    Deshalb gibt es sehr schöne Handelshöfe an der Grossen Strasse und an der Norderstrasse. Aber auch auf der anderen Seite des (übrigens sehr schönen Hafens) befinden sich ein Teil der Altstadt - die Sankt Jürgensstrasse.

    http://maps.live.com/default.aspx?v…17638&encType=1

    Die Gründerzeitbauten sind auch nicht zu verachten.

    Die Stadt wird noch von der Dänischen Minderheit geprägt, die in FL wohl um die 10.000 zählt. Ausserhalb der Stadt befindet sich das Stammhaus der Dänischen Königsfamilie, das Schloss Glücksburg (Dä: Lyksborg).

    Wäre die Stadt noch dänisch wäre sie nach Kopenhagen die schönste Stadt des Landes.... :)

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Treverer: Stimmt, auf dem Luftbild ist da einiges an hässlicher Nachkriegsarchitektur zu sehen, und etwas westlich vom Südermarkt wird zum Zeitpunkt der Luftaufnahme auch wieder gebaut. Eigentlich schade, weil Flensburg in "Kriegsschicksale deutscher Architektur" überhaupt nicht auftaucht und demnach im Krieg nur minimal oder überhaupt nicht beschädigt wurde.

  • Ich habe vorhin mal mit dem Handy ein paar Bilder von der Baustelle gemacht. Die Dächer sind offenbar fertig, die Fassaden sind noch verhüllt, aber ein paar Details kann man schon erkennen:

    Das wird das Erdgeschoß des mittleren Hauses:


    Bei dem rechten Haus kleben schon Figuren am Beton:

    So sieht's von der Seite aus:

    Und so von hinten:

  • Einfach nur schrecklich!

    Teure Sandsteinverblendungen vor einer Dämmung, deren Sinn mir bei der dahinterligenden Betonstütze doch eher fraglich scheint, zumal direkt nebenan eine riesige Toröffnung ist.
    Das ist nur noch Quatsch, und sogar das Dach ist aus Beton gegossen.

    Die Architekten heutzutage können wirklich gar nichts mehr, das ist eine Beleidigung für jeden Bauhandwerker!!!

    Die Feder ist mächtiger als das Schwert...wenn das Schwert sehr stumpf ist und die Feder sehr spitz!

    -Terry Pratchett

  • Genau: die heutige Architekten sind keine "Fachmänner/ Fachmeister" mehr.

    Die können nur in Beton, Stahl und Glas (am liebsten in Kuben und Dreiecken) denken.

    Aber es gibt 1 Vorteil: wenn die Bomben einmal wieder fallen könnten, dann bleiben die Häuser wenigstens stehen!!!

  • Zitat von "uaoj36"

    Aber es gibt 1 Vorteil: wenn die Bomben einmal wieder fallen könnten, dann bleiben die Häuser wenigstens stehen!!!

    Das würde ich in diesem Fall nicht unbedingt als Vorteil sehen.