Wismar - Wiederaufbau des Gotischen Viertels

  • Um Gottes Willen, hoffentlich kommt diese moderne Kiste nicht. Dieser Sch***dreck würde die ganze Umgebung abwerten oder besser gesagt verhunzen.

  • Meine Vision wäre, wenn man hier eine Schaubaustelle einrichten. Eine Ziegelbrennerei und andere Werkstätten, die die Materialien für einen Wiederaufbau der Marienkirche, der alten Schule etc bereitstellen. In diesen Werkstätten könnten dann unter professioneller Anleitung mit historischem Arbeitsgerät Schüler, Studenten und Touristen mithelfen und so ganz praktisch eine emotionale Bindung an dieses Viertel und deren Gebäude und Geschichte aufbauen. Schulklassen, die z.B beim Ziegel herstellen mithelfen - ganz praktische Heimatkunde. In die Ziegel kann auf der Ober- oder Unterseite der Namen mit eingebrannt werden - später wird man stolz berichten können, man hat da auch ein wenig mitgebaut. Ganz abgesehen von den Multiplikatoreffekten ("Papa, schau mal, ...").
    Ganz wenige hauptamtliche Kräfte und dann immer wieder Saisonkräfte für den Sommer und eben Freiwillige, evtl durch einen Verein organisiert. So könnte man den Wiederaufbau in ganz kleinen Schritten schaffen. Ich denke, da könnte man auch gut Fördergelder abgreifen. Städtebau, Denkmalschutz, (historisches) Handwerk, Förderung des Geschichts- und Heimatbewusstseins und nicht zuletzt Tourismusförderung. Man muss es nur wollen - auf der politischen Seite. Ob es dreißig oder vierzig Jahre oder noch länger dauert ist dabei egal - Hauptsache als Leitbild des Endergebnis hat man die originalgetreue Rekonstruktion im Auge. Ja im Prinzip ist es sogar wünschenswert, wenn es möglichst lange dauert: Man stelle sich die Anziehungskraft einer Kirchenbaustelle vor. Nicht umsonst besichtigen Millionen von Menschen z.B. die Sagrada Familia pro Jahr(!). Man muss aber gar nicht so hoch greifen. Schon ein Bruchteil würde genügen. Ich wage mal zu behaupten, dass womöglich die Baustelle mehr Touristen anziehen würde, als eine fertige Kirche. Gleichzeitig hätte man genug Zeit, sich Gedanken um die Nutzung zu machen, wenn die Kirche fertig ist, z.B. vielleicht als Hansemusem mit Schiff im Kirchenschiff oder so... da könnte man jetzt schon mit einer Sammlung von Exponaten anfangen.
    Nebenbei kann man auch dabei praktische Mittelalterforschung betreiben und die Forschung miteinbinden (à la Guédelon) - je nachdem wie weit man es mit einer historischen Baustelle treiben kann und will. Am Anfang würde die alte Schule als Besucherzentrum wiedererstehen.
    Dieser modernistische Quatsch hintertreibt natürlich solche Möglichkeiten. Da wird jetzt wieder Geld verbraten, damit das Ding 30 Jahre steht, um dann festzustellen, dass das auch nicht das Gelbe vom Ei ist. Geld, das man genauso gut für eine Initialfinanzierung für die oben geschilderte Idee hernehmen könnte. Die Besucher, die wegen einer modernistisch überdachten Ruine kommen, kann man wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Diese unglaubliche Kurzsichtigkeit - es ist zum Haare raufen.

  • Hallo thommystyle TM,

    Deinen Vorschlag finde ich eine sehr gute Idee, die Erfolg versprechend sein dürfte.
    Eine ähnliche Erfolgsgeschichte war der Wiederaufbau des Renaissance-Schlosses St. Johannisburg in Aschaffenburg am Main. Dorthin war die Bayerische Steinmetzschule verlegt worden. Die künftigen Steinmetzen lernten gründlich ihr Handwerk und der Wiederaufbau des großen Schlosses kam das Land Bayern vergleichsweise günstig zu stehen.

    Aschaffenburg Schloss St. Johannis

    3 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (29. August 2016 um 21:34)

  • Ja, die Idee mit einer historischen, heimatkundlichen Schaubaustelle gefällt mir auch sehr! :thumbup:
    Die junge Generation würde in die Geschichte der Hanse-Zeit aktiv mit eingebunden werden, ebenso die Touristen. Dafür wären die Fördergelder richtig eingesetzt und es wäre toll, wenn man per Bürgerentscheid o. ä. diese durchsetzen könnte. Alles andere wäre wirklich modernistischer Humbug...

  • Vor wenigen Tagen hatte ich die Gelegenheit von einem stadtbekannten Wismarer Lokalhistoriker einige Insider-Informationen bezüglich der Alten Schule zu bekommen, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

    Ein Wiederaufbau der Alten Schule ist derzeit stimmungsmäßig weder in der Wismarer Bürgerschaft noch in der lokalen Bevölkerung mehrheitlich gewollt (sollte dies nicht gewollt werden, angesichts der Tatsache, dass Wismar eine gut-besuchte Weltkulturerbe-Stadt ist ?!) :gehtsnoch:
    Ein Wiederaufbau der Alten Schule würde nach seriösen Schätzungen ca. 3,8 Millionen Euro kosten. Diese Summe zu stemmen wäre für eine 42.000-Einwohner-Stadt sicherlich keine Kleinigkeit, es wäre aber mit Hilfe von Fördermitteln und landesweiter Spenden gewiss durchaus mittelfristig (schrittweise) machbar.
    Vor einigen Jahren gab es einen Förderverein zur Alten Schule, der aber mangels ausreichendem lokalen Engagement nicht mehr existiert (ebenso wenig dessen Web-Präsenz). Es gab des weiteren einen Versuch, die erhaltenen Reste der Alten Schule mit Grundstück über diesen Verein zu kaufen, um darüber finanzielle Mittel einzuwerben. Auch dieser Ansatz ist gescheitert.

    Die derzeitigen städtischen Planungen sehen vor, dass das erhaltene gotische Keller-Geschoss einen Pavillon mit dem Charme einer Mülltonnenbox übergestülpt bekommt, der der Alten Schule nicht mal im Ansatz das Wasser reichen kann (siehe Bild). :kopfschuetteln:

    Das sind leider alles keine guten Nachrichten. Es bleibt als Trost lediglich der Hinweis, dass der Wiederaufbau der Alten Schule durch das städtische Leitbild von 2014 grundsätzlich langfristig möglich bleibt.



    Die Reste der gotischen Kellerräume, derzeit mit einem provisorischen Dach versehen.
    By Siegfried von Brilon - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29126082

    Die Alte Schule in ihrer ganzen Schönheit, auf diesen Anblick wird man wohl noch sehr lange warten müssen.
    .

    Einmal editiert, zuletzt von Maecenas (18. September 2016 um 14:26)

  • Zitat von Kralle

    (...) Die derzeitigen städtischen Planungen sehen vor, dass das erhaltene gotische Keller-Geschoss einen Pavillon mit dem Charme einer Mülltonnenbox übergestülpt bekommt, der der Alten Schule nicht mal im Ansatz das Wasser reichen kann (siehe Bild). (...)


    Bitte nicht! Dann soll das Kellergeschoss lieber ohne Überdachung bleiben.

    Knapp 4 Mio. Euro habe ich zwar auch nicht immer in der Brieftasche. Das sollte aber für eine Stadt wie Wismar machbar sein. Wie schon von Kralle erwähnt, mit Fördermitteln und Spenden. Einige wohlhabende Bürger könnten das auch allein schaffen. Siehe Herrn Hasso Plattner. Das Projekt darf noch nicht abgeschrieben werden. Der Pavillon ist sicher auch nicht ganz billig. Auch wenn er so aussieht. Das Geld sollte man sparen und als Grundstock für die Rekonstruktion nehmen. Wenn er einmal gebaut ist, wird der Pavillon auch nicht wieder so schnell beseitigt. Also besser direkt sein lassen.

  • Bitte nicht! Dann soll das Kellergeschoss lieber ohne Überdachung bleiben.


    Eine Überdachung der mittelalterlichen Gebäudereste ist zu deren Schutz und Erhaltung tatsächlich unabdingbar, von daher steht man in Wismar vor einem akuten Dilemma: Wiederaufbau der Alten Schule oder Bau eines ("verbesserten") Schutz-Pavillons. Besonders bemerkenswert ist, dass ein provisorischer Schutz-Pavillon eigentlich bereits existiert (siehe >> Bild), der o.g. Nachfolge-Pavillon soll aber mehr Glasanteile bekommen und öffentlich begehbar sein. Eine optische Verbesserung wird sich daraus aber keinesfalls ergeben. :augenrollengruen:
    Das eigentlich Ärgerliche an der ganzen Angelegenheit ist, dass die Wismarer mehrheitlich nicht den besonderen Wert der Alten Schule erkennen und nichts für deren Wiederaufbau tun. Auch in einer strukturschwachen, ländlichen Kleinstadt müsste doch ein wenig mehr 'drin' sein als nur ein Pavillon in Mülltonnenbox-Optik. :kopfschuetteln:

  • Das Farbfoto ist ja genial. Schade, dass sich die Wismarer Bevölkerung nicht mit einer Rekonstruktion anfreunden kann. Ich wäre bei einem sinnvollen Wiederaufbaukonzept gerne bereit zu spenden. Woran liegt denn die geringe Befürwortung in der lokalen Bevölkerung?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat von Kralle

    (...) der o.g. Nachfolge-Pavillon soll aber mehr Glasanteile bekommen und öffentlich begehbar sein. Eine optische Verbesserung wird sich daraus aber keinesfalls ergeben. (...)


    Nein, eine Verbesserung wird das wohl nicht. Und weil das offenbar wieder so ein begehbares Designer-Ding ist, wird es sicher auch unverschämt teuer. Die sollen den jetzigen Kasten einfach lassen und mit der Spendensammlung oder der Suche nach rekonstruktionswilligen Investoren beginnen. Ein Verein kann zudem auch von ortsfremden Leuten ins Leben gerufen werden. Zum Beispiel als erstes Reko-Projekt von Stadtbild-Deutschland. stickpoke:):whistling:

    Bei einer Spendensammlung wäre ich auf jeden Fall dabei. Den Wiederaufbau eines solchen Gebäudes gibt es nicht alle Tage.

  • Kann jemand schätzen, was es kosten würde, zunächst nur eine der Hauptfassaden der Alten Schule rekonstruieren zu lassen? Statt 4 Mio. für das ganze Gebäude vllt. deutlich unter 1 Mio. Euro?

    Ich meine, dass dies eine realistische Option wäre, dieses wertvolle Bauwerk wieder zum Leben zu erwecken, ohne die Stadtfinanzen und möglichen Spender auf Jahre völlig zu erschöpfen. Es wäre so ähnlich wie beim Rathaus in Wesel oder eher noch wie in Potsdam mit der Garnisonkirche, wo zunächst nur der Turm errichtet werden soll. Es geht hier ja letztlich um das Stadtbild und das Erleben des gotischen Viertels, da wäre mit der schmalen Hauptfassade schonmal ein Riesenschritt getan. Der Rest des Gebäudes könnte dann über die Jahre peu a peu ergänzt werden, vllt auch durch eine Bürgermauerung ähnlich dem Schiff der benachbarten Marienkirche.

    Was meint ihr?

    Bild der Fassade: http://www.abload.de/img/43348afrk5.jpg

  • Hallo erbse,

    deine Idee zunächst einmal eine der herrlichen gotischen Backstein-Giebelfassaden der Alten Schule wieder zu errichten, halte ich für geradezu genial.

    Die offenbare Schönheit dieser wieder erstandenen Giebelfassade wirkte dann als Initialzündung und würde bestimmt viele Betrachter begeistern und dazu bewegen, mit einer zweckgebundenen Spende zur Vollendung zur vollständigen Rekonstruktion beizutragen. Was man wirklich und wahrhaftig vor Augen sieht, nur das macht einen großen Eindruck und bewegt den Menschen. In diesem Zusammenhang ist auch die von dir angeregte Bürgermauerung eine tolle Idee, die Ihren Teil zum Gelingen beitragen könnte.

    2 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (21. September 2016 um 16:08)

  • Nur eine Fassade zu errichten ist statisch gesehen etwas schwierig, weil die wahrscheinlich bei Windlasten einfach umkippen kann. Sinn würde es meiner Meinung nach machen, die Giebelseite und dann noch jewils zwei bis drei Nischen der Traufseite, sowie in dieser Länge dann auch das Dach zu errichten, damit ein in sich stehender und ausgesteifter Baukörper, im Rohbau, aber trotzdem schon in sich witterungsgeschützt steht. Da das Ganze ja aus Backstein ist, ist ja entlang der Fugen ein entsprechend guter Schnitt zu machen, damit man dieses dann jederzeit fortsetzen kann. Ich würde das auch, soweit kann man dann Zugeständnisse machen, als zwieschaligen Mauerwerk mit Kerndämmung machen, für die spätere Nutzung.
    Somit hätte man nur einen Teil der Baumasse und damit der Kosten, aber eben, wie schon geagt eine Initialzündung. Wenn es um fach- und sachgerechte Planung geht, würde ich mich hier mal auch einfach dafür anbieten.

    Die Feder ist mächtiger als das Schwert...wenn das Schwert sehr stumpf ist und die Feder sehr spitz!

    -Terry Pratchett

  • Ich kann den Vorschreibern hier nur voll zustimmen. Eine Rekonstruktion der Alten Schule in kleinen Schritten, beginnend mit der Schaufassade zur Georgenkirche (vgl. Bild in Beitrag 206) wäre gewiss sowohl eine sinnvolle als auch langfristig erfolgversprechende Strategie.
    Dafür müsste aber eine landesweit aktive Bürgerinitiative mit Spendensammlung ins Leben gerufen werden, auch die stillgelegte Website zur Alten Schule müsste wieder neu eingerichtet werden.
    Vor ein paar Tagen wurde hier schon mal vorgeschlagen, ob man nicht über Stadtbild Deutschland dahingehend etwas unternehmen könnte, ein vom Verein organisiertes Rekonstruktionsvorhaben?? (der von mir oben erwähnte und von mir kontaktierte Wismarer Lokalhistoriker, der jahrelang ein Vorkämpfer für die Alte Schule war, wäre sicher auch mit im Boot und würde sich über bundesweite Mitstreiter sicher sehr freuen).

    Was meint Ihr? Oder spinne ich zu viel ?? huh:)huh:)

  • Ich finde die Idee großartig.

    Als meist stiller Mitleser würde ich natürlich auch einen bescheidenen Beitrag dazu leisten, aber da stellt sich mir auch gleichzeitig die Frage: Wie groß ist die Reichweite dieses Forums? Wie viele Nutzer hat es - sagen wir mal - monatlich, von denen man grundsätzlich einen kleinen Obolus erwarten könnte und wie könnte man das ganze unter die Leute bringen, um weitere Spenden zu akquirieren?