Wismar - Wiederaufbau des Gotischen Viertels

  • Alleine schon die Alte Schule wäre einer der wichtigsten Rekonstruktionsprojekte in Deutschland. Ich meine, hier darf man wirklich hoffen.

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  • Sehr erfreulich, dass Kiesow sich für den Wiederaufbau der Alten Schule ausspricht! Das Gebäude gehörte zu den markantesten Profanbauten der norddeutschen Backsteingotik. Für das wertvolle Stadtbild der Wismarer Altstadt wäre der Wiederaufbau eine bedeutende Ergänzung.

  • Zitat

    Symbolisches Schaumauern und eine Gedenkveranstaltung in der Georgenkirche erinnerten am 14. 4. 2009 an die Zerstörung des Gotischen Viertels.

    Wismar Etwa 100 Gäste nahmen gestern an der Gedenkveranstaltung in der Georgenkirche teil, um sich die Zerstörung des Gotischen Viertels in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 in Erinnerung zu rufen. Diese war „militärisch sinnlos, denn der Krieg war längst verloren“, unterstrich Landessuperintendent Dr. Karl-Matthias Siegert in seiner Ansprache. Er mahnte, sich „allem entgegenzustellen, was sich in diese verbrecherische Tradition stellt“. Damit meinte er „extremistische Denkweisen, die einfache Lösungen für komplizierte Probleme anbieten“. Intoleranz und Fremdenhass schaffe keinen einzigen Arbeitsplatz, machte er deutlich. Sein Menschenbild beruhe darauf, „dass jeder Mitmensch als gleichrangig betrachtet wird. Würde und Wertigkeit jedes einzelnen sind zu respektieren. Mit einer solchen Grundhaltung sehe ich eine gute Zukunft für das demokratische Gemeinwesen“.
    Von einer „Erinnerung für die Zukunft“ sprach Bürgermeisterin Rosemarie Wilcken (SPD). Sie lobte das Engagement der zahlreichen Spender, die den Wiederaufbau der Georgenkirche ermöglicht hätten. Das Gotische Viertel bezeichnete sie als „Ort der Identifikation und Symbol des Lebenswillens für unsere Stadt. So wie die Marienkirche jetzt geplant ist, wird sie eine innerstädtische Ruhezone“, sagte die Bürgermeisterin. Zugleich verschwinde ein städtebaulicher Missstand.
    Am Nachmittag machten sich einige freiwillige Helfer unter den Blicken zahlreicher Schaulustiger an ein ganz praktisches Stück Wiederaufbau. Sie mauerten Stein auf Stein auf die alten Fundamente des Kirchenschiffs von St. Marien, dessen Grundriss fast wieder vollständig geschlossen ist. „Zehn Meter fehlen noch an der Nordseite“, sagte Thomas Junggebauer, Mitarbeiter des Sachgebiets Kirchenbau bei der Hansestadt, der den Helfern mit Rat und Tat zur Seite stand. „Das Schaumauern soll unseren Willen zum Wiederaufbau zeigen“, machte er deutlich. Diesen Willen hat auch Martin Bettermann aus Fahren bei Neukloster, Mitglied im Förderverein St. Marien. „Ich finde es wichtig, dass das kulturelle Erbe erhalten bleibt“, sagte der Leiter der Jugendbauhütte, der aber „ganz privat“ mitmauerte. Klosterformatziegel nennen sich die verwendeten Steine im Fachjargon, wie Thomas Junggebauer erklärte: „Sie sind größer und schwerer als normale Mauersteine – wie sie im Mittelalter eben auch waren.“ Im Durchschnitt soll die wiedererrichtete Mauer 1,60 Meter hoch werden, erklärte er. Christian Krahlisch (15) aus Berlin, der gerade Urlaub in Wismar macht, krempelte spontan die Ärmel hoch, denn er fand es „interessant, ein Stück Geschichte aufzubauen“. Der Wismarer Shantychor „Blänke“ sorgte dafür, dass die Arbeit leicht von der Hand ging

    Aus http://www.seppweb.net/mitmau1.html

    Quelle: martinhimself.de

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Das Aufmauern ist eine tolle Aktion, man kann es kaum erwarten bis die Gewölbe erreicht werden.

  • Zitat

    Etwa 100 Gäste nahmen gestern an der Gedenkveranstaltung in der Georgenkirche teil, um sich die Zerstörung des Gotischen Viertels in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 in Erinnerung zu rufen. Diese war „militärisch sinnlos, denn der Krieg war längst verloren“, unterstrich Landessuperintendent Dr. Karl-Matthias Siegert in seiner Ansprache. Er mahnte, sich „allem entgegenzustellen, was sich in diese verbrecherische Tradition stellt“.

    Meint er die "verbrecherische Tradition" derjenigen, die das Gotische Viertel ganz konkret und militärisch sinnlos mit Fliegerbomben zerstört haben, oder denkt er jetzt eher abstrakt?

    Zitat

    Sein Menschenbild beruhe darauf, „dass jeder Mitmensch als gleichrangig betrachtet wird. Würde und Wertigkeit jedes einzelnen sind zu respektieren. Mit einer solchen Grundhaltung sehe ich eine gute Zukunft für das demokratische Gemeinwesen“.

    Ja klar, solche Sonntagsreden können in einer satten Wohlstandsgesellschaft ständig gefahrlos geschwungen werden, so lange man nur völlig ausblendet, daß einem am anderen Ende des Erdballs indische Mädchen die Hemden, mit denen man zu solchen Versammlungen stets sauber und adrett erscheint, für 50 Cent am Tag inmitten giftiger Dämpfe färben müssen.

    Wenn´s off-topic ist, löscht es einfach. Mir geht es aber einfach auf den Wecker, wenn solche Leute jede derartige Baumaßnahme politisch und metaphysisch überhöhen müssen.

  • Zitat

    In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 wurde der Gotische Winkel Ziel britischer Luftangriffe

    wobei sich wiederum fragt, was es zu diesem Zeitpunkt mit einem Angriff gerade auf den kunsthistorisch wichtigsten Kern Wismars auf sich hatte.. :augenrollen:

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  • Zitat von "Däne"

    Aus http://www.seppweb.net/mitmau1.html

    Quelle: martinhimself.de

    Das ist so bewegend. Vorallem weil ich ich weiß, wie sehr die Wismarer hinter all dem stehen. Welch Geschichtsbewusstsein es in dieser Stadt gibt. Die meinen alle ehrlich, was sie sagen und tun.
    Es geht hier darum, ein Stück Geschichte, etwas Kultur, etwas Identität zurückzugewinnen.
    Ideologische Debatten gibt es auch in Wismar. Doch sie sind anders. Sie sind zielführend.
    Die Stadt erfährt viel Liebe von ihren Bewohnern. Der hanseatische Bürgerstolz ist noch lange nicht erloschen.

    Ich kenne die Vorsitzende des Aufbauvereines für St. Georgen persönlich und habe sie im August besucht. Und bei der Gelegenheit auch einmal die Fortschritte in dieser zweiten Hauptkirche Wismars betrachtet. Es ist unglaublich, was da geleistet wurde und wird.

    Auf der Seite des Vereines ein paar Bilder der Wismarer Georgenkirche: noch vor wenigen Jahren

    Einzelfoto: 1990 - "die größte deutsche Kirchenruine"

    Bilder vom Förderkreis: aus den 90ern

    Heute: Luftbild (guter Überblick über das gotische Viertel)


    flickr - Blick auf den Chor vom Fürstenhof
    vom Hafen aus
    der Ostgiebel
    Gewölbe im Entstehungsprozess

    Weitere Aufnahmen von St. Georgen


    Ich empfinde tiefen Respekt gegenüber diesem Engagement. Ich fahre regelmäßig hin und tausche mich mit den Leuten aus, schaue mir den Fortschritt an. Mir trieb es beim ersten Anblick dieser Leistung die Tränen in die Augen.

  • Fantastisch oder? ^^

    Wismar ist ja für sich gesehen schon ein Erlebnis aber dass man sich hier um den Aufbau alter Strukturen bemüht, ist schon toll. Zumal sie hier auch in überschaubaren Bereichen möglich sind im Gegensatz zu den meisten anderen Städten, wo einfach viel zu viel zerstört wurde, als dass ein nachhaltiger und in sich geschlossener Wiederaufbau wahrscheinlich wäre.

    Zitat

    wobei sich wiederum fragt, was es zu diesem Zeitpunkt mit einem Angriff gerade auf den kunsthistorisch wichtigsten Kern Wismars auf sich hatte.. :augenrollen:

    Dazu will ich lieber nichts sagen, zumal es gar nichts ändert und überhaupt nicht zur Verständigung der Völker beiträgt. Aber ich gebe zu, dass ich aufrichtig und ehrlich hoffe, dass die britischen politischen Entscheidungsträger von damals für diese Verbrechen auf ewig in der Hölle brennen werden, so wie alle anderen Kriegsverbrecher es auch verdienen.

  • ja fantastisch.
    Ich finde auch das Aufmauern von St Marien gut, so wächst mit jedem Stein das Bewußtsein, und viele, die resigniert haben, schöpfen neue Hoffnung.Wie weit ist denn St Georgen mittlerweile insgesamt gediehen, auf den Bildern sah die Kirche wiederaufgebaut aus !?

  • Ich werde hier die Woche noch ein paar aktuelle Bilder vom Gotischen Viertel und dem Innenleben von St. Georgen einstellen, dann kommentiere ich das noch.

    Erstmal soviel: Hauptschiff/Chor mit Gewölbe, Pfeiler, Strebewerk, Fenster (allerdings keine Bleiverglasung) etc. ist weitgehend wiederhergestellt, jetzt macht man sich an Blendwerk, Dekor, Malerei, Inventar (Altar, Kanzel, Lüster etc.). Soll alles originalgetreu rekonstruiert werden, Teile des Inventars stehen schon bereit.

  • Zitat von "Der Herzog"

    ja fantastisch.
    Ich finde auch das Aufmauern von St Marien gut, so wächst mit jedem Stein das Bewußtsein, und viele, die resigniert haben, schöpfen neue Hoffnung.Wie weit ist denn St Georgen mittlerweile insgesamt gediehen, auf den Bildern sah die Kirche wiederaufgebaut aus !?

    die kirche ist inzwischen weitgehend wieder hergestellt. chor und querschiff sind öffentlich zugänglich (eingang in der im chornordseite), das hauptschiff ist noch abgesperrt, aber eingewölbt und die fenster neu verglast (wenn auch nur mit klarglas). der turmstumpf ist begradigt, aber noch teilweise eingerüstet (so war es zumindest noch im august, bei meinem letzten besuch). ob die seinerzeit nur provisorische bedachung ebenfalls rekonstruiert wird oder der ursprünglich geplante gotische spitzhelm oder eine andere variante gebaut wird (ich hatte vor einiger zeit mal von einem architektenwettbewerb gehört, aber nie informationen zu dessen ausgang und den prämierten entwürfen gefunden), ist mir nicht bekannt.

  • Zitat von "erbsenzaehler"

    Ich werde hier die Woche noch ein paar aktuelle Bilder vom Gotischen Viertel und dem Innenleben von St. Georgen einstellen, dann kommentiere ich das noch.

    Erstmal soviel: Hauptschiff/Chor mit Gewölbe, Pfeiler, Strebewerk, Fenster (allerdings keine Bleiverglasung) etc. ist weitgehend wiederhergestellt, jetzt macht man sich an Blendwerk, Dekor, Malerei, Inventar (Altar, Kanzel, Lüster etc.). Soll alles originalgetreu rekonstruiert werden, Teile des Inventars stehen schon bereit.

    zwei leser, ein gedanke...

  • Zitat

    jetzt macht man sich an Blendwerk, Dekor, Malerei, Inventar (Altar, Kanzel, Lüster etc.). Soll alles originalgetreu rekonstruiert werden, Teile des Inventars stehen schon bereit.

    Das sind in der Tat sehr gute Nachrichten. Ich wäre an weitere Informationen zum Inventar interessiert, vor allem auch bezüglich der Orgel.

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  • Brandmauer:
    Georgen wird keine Orgelreko im eigentlichen Sinn erhalten. Für die Kirche wurde 1990 beim Abbau der Schnitgerorgel von Hamburg Jakobi das Gehäuse gesichert, das als Ersatz für das kriegszerstörte Originalgehäuse in den 50er und 60er Jahren von Kemper Lübeck erbaut wurde. Nach meinem Wissen ist das Rückpositivgehäuse als Provisorium bereits in Georgen aufgestellt worden. Wie es generell weitergehen wird, ist mir noch nicht bekannt.
    Die Ausmaße des Gehäuses und das Werkprinzip Schnitgers (Hamburger Prospekt) bedingen einen Principal 16´ im Hauptwerk, einen Principal 8´ im Rückpositiv und einen Principal 32´ im Pedal.

  • Ich war letztes Jahr in Wismar (einige Tage lang), und die Stadt ist ganz fantastisch. St Marien ist noch als Turm und Fläche mit Pfeilerstümpfen eindrucksvoll, und St. Georgen hat mir einfach die Sprache verschlagen. Der Eindruck dieses Kirchenraumes, gerade auch so kahl, wie er jetzt dasteht, ist wirklich überwältigend. Spätestens seitdem bin ich absoluter Fan der Backsteingotik (Riga und Lübeck haben auch ihren Teil beigetragen...)
    Das gotische Viertel wäre ein spannendes Rekonstruktionsprojekt - das Areal ist nicht oder nur teilweise neu bebaut und es gibt noch Spuren der alten Substanz.

  • Bei aller Euphorie hier sollte man wohl bedenken, daß bisher nur die Rekonstruktion der Georgenkirche feststeht und größtenteils schon durchgeführt wurde. Andere Rekonstruktionen wie die der Marienkirche oder der Alten Schule sind m. E. noch keineswegs sicher, bei der Marienkirche nicht einmal sehr wahrscheinlich.
    Man kann da nur hoffen, unterstützen und wenn möglich spenden.

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  • Zitat von "Brandmauer"

    wobei sich wiederum fragt, was es zu diesem Zeitpunkt mit einem Angriff gerade auf den kunsthistorisch wichtigsten Kern Wismars auf sich hatte.. :augenrollen:

    Also das halte ich eigentlich für Zufall.
    Natürlich ist von der böswilligsten Absicht dieses Massenmördervereins auszugehen, aber im Falle Wismar lag nur ein kleiner Angriff eines einzelnen Pulks vor, der halt aus Jux und Tollerei irgendwo über bebautem Gebiet ein paar Bomben ausgeklinkt hat, wie zB auch in Rothenburg.
    Dass gerade das Gotische Viertel getroffen wurde, war zwar schlimm und durchaus nicht gegen die Intentionen des Erfinders, sogesehen keineswegs im juristischen Sinne unbeabsichtigt, die haben sich noch sicher drüber gefreut, jedoch nicht unbedingt vorhergesehen.
    Wäre dies über eine westdt Stadt erfolgt, so wären die Konsequenzen gar nicht so schlimm gewesen - Kirchen hat man dort in den allerüberwiegendsten Fällen wiederaufgebaut, und abgesehen von ein paar Bausünden, die nicht auffällig wären, da sie mittlerweile die ganze Stadt erfassst hätten, wär heute nichts zu sehen gewesen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.