Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • Von welchem Gebäude ist jetzt die Rede? Von der Egidienkirche oder von dem Gebäude neben dem Pellerhaus? Und wann waren diese Bauten je neugotisch?

    Hier ein Foto von 1907. Ich sehe da zumindest nichts neugotisches:

    http://img4.fotos-hochladen.net/uploads/bildsc…ocvs9pxz1km.png

    Vom Imhoffhaus (neben dem Pellerhaus).

    Was die neogootischen Elemente betrifft, beschränkten sich diese wohl nur auf ein einige Zierelemente, die man auf detaillierteren Aufnahmen des Gebäudes erkennt (z.B. oberhalb der Portale). Ich hab den oberen Post dementsprechend noch etwas editiert.

  • War der spätgotische Innenhof der Imhoff-Bau auch nach den Umbauten noch vorhanden? Wenn ja, dann hatte ich unrecht über den Wert des Gebäudes. Immerhin, der heutige Imhoff-Bau wird sowieso nicht abgerissen.

  • Eine Reko des Vorgängerbaus lohnt sich hier mE. aber gar nicht. Die 3 westlich anschließenden Bauten waren/sind so viel wichtiger! Und gerade die könnten wir in einigen Jahren alle wiederhaben!

    Man kann natürlich nicht alles rekonstruieren. Man muss zuerst die wichtigsten Projekte auswählen. Für mich wäre in Nürnberg nach dem Pellerhaus wohl das Toplerhaus dran. Es war urtypisch Nuernbergerisch, und auch als Eckhaus Stadtbildbestimmend.

  • Hallo, anbei zwei Bildmontagen, die die Pellerhaus-Fassade (Stand 1605 und 1944) mit den beiden Vorkriegsbauten links u. rechts nun farbig zeigen (Schwarzes Pellerhaus und Imhoff-Bau). Die Proportionen sind wohl stimmig. Bei den Fassadenfarben links u. rechts soll die Optik einer nackten Sandsteinwand gezeigt werden. Wie zuletzt auch 1944.
    Die beide Nebenbauten müssten sich architektionisch (und von den Farben) wohl zurückhalten, damit das Pellerhaus im Zentrum bleibt - und der Blick nicht abgelenkt wird.
    Schön, dass nach dem ruhigen Frühjahr wieder Leben in die Pellerhaus-Fassaden-Diskussion gekommen ist.
    Dass der jetzige Imhoff-Bau abgerisssen wird, ist wohl mehr als unwahrscheinlich. Jetzt lassen sich beide Versionen aber optisch vergleichen.

    Einmal editiert, zuletzt von gropeltop (19. Juni 2017 um 22:09)

  • In dieser Publikation wird der Pellerhaus-Platzhalter als "originelles Dokument" der 50'er Jahre bezeichnet. Ist das jetzt ein Lob oder eher Spott angesichts des festzustellenden Versagens, einen würdigen Ersatz in moderner Sprache gefunden zu haben?

  • Allein bei dieser Formulierung:


    Zitat

    Die Konfrontation der Tradition mit der selbst verschuldeten Zerstörung und der daraus erwachsenen kargen Gegenwart


    geht einem das Messer im Hosensack auf, wie bei uns gesagt wird.
    Was sind das bloß für gehirngewaschende Kümmerlinge, die so etwas von sich geben?
    Wie kann man IRGENDETWAS aus einem derartigen Munde noch ernstnehmen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Das ist ja eher eine psychologische Beschreibung des Gemütszustandes der Kriegsgeneration. Mit Architektur hat dieser Befund wenig zu tun, und ist hier auch völlig Fehl am Platz. Denn nach diesem Mantra dürfte man bspw. auch ein Auto nur dann originalgetreu reparieren, wenn der Unfall ein Fremdverschulden war. Wenn ich selbst die Schuld daran anerkenne (hier wird die Schuldfrage ja stets geklärt) darf ich das Fahrzeug nur notdürftig instandsetzen.

    Auf solche Diskussionen muss man sich nicht einlassen, die führen zu nichts außer Provokationen und endlosen Diskussionen. Für mich eine fehlgeleitete Projektion soziologisch-politologischer Zusammenhänge auf stadtgestalterische und denkmalpflegerische Herausforderungen, die es so nur in Deutschland gibt. In meinen Augen ein gruppendynamischer Denkfehler unter vielen Kunsthistorikern, denen die Bewältigung der Nazizeit überwiegend durch Manifestation in Bauaktiväten auszureichen scheint.
    Ist ja auch viel einfacherer als in der Wirtschaft, bei der nahezu alle Unternehmen, die in den Kriegsjahren prächtig verdient und Schuld auf sich geladen haben - und das betrifft handelnde Personen und ganze Unternehmenskulturen teilweise bis in jüngere Zeit - unbehelligt weiterexistiert haben. Ein Gebäude kaputt zu machen bzw. zu lassen und sich damit ethisch rein zu waschen durch Beseitigung "ideologisch belasteter Steine".... naja ich schweife ab. Man sehe es mir nach.

  • Zitat von nothor

    denen die Bewältigung der Nazizeit überwiegend durch Manifestation in Bauaktiväten auszureichen scheint.

    Bei allem Respekt vor dem trefflich formulierten und weitestgehend zutreffenden Beitrag - dieser Nebensatz scheint mir nicht richtig zu sein. Für solche Geisteskinder ist die "Bewältigung der Nazizeit" quasi Lebensinhalt oder gar Religion, während Architektur und Bauwesen für sie absolute Nebenfront sind. Jedoch können sie es nicht unterlassen können, auch ein unwichtiges Gebiet den Prämissen ihres grotesken Gedankenganges zu unterwerfen. Ich bin sicher, sie würden auch gegen Aufführungen von Beethovenscher oder Wagnerscher Musik bzw Goethescher Dramen zu felde ziehen, wenn ihnen das jemand vorgeben würde, bzw wenn derartige Aufführungen durch Kriegsfolgen verunmöglicht wären. Offenbar ist klassische Architektur zu sehr Minderheitenprogramm, offenbar spricht die Schönheit des Pellerhauses viel zu wenige Menschen an, sodass jene dem Bewältigungswahn verfallenen Verhinderer allzuleichtes Spiel haben.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es meldet sich der Planungsreferent des Bauamts der Stadt Nürnberg zum Pellerhaus zu Wort:

    Die Fassade des heutigen Gebäudes ist deswegen so schön, weil sie ein Zeugnis davon ablegen kann, dass moderne Architektur nicht einfallsloser Kubismus sein muss – also einfach nur Länge, Breite, Höhe. Das, was man seit vielen Jahren der aktuellen Architektur vorwirft und was meiner Ansicht nach die Wurzel dafür ist, dass überhaupt Gelüste aufkommen, Rekonstruktion zu betreiben, weil nämlich die Qualität vieler Neubauten einfach nicht diesen Detailreichtum, diese Filigranität hat.
    [...]
    Das ist alles komplett durchdacht und sehr sehr schön geworden und es ist heute noch sehr schön, was ja auch nicht jedes Gebäude behaupten kann, dass es nach 60 Jahren immer noch als schön empfunden werden kann.
    [...]
    Die Grundfrage ist eigentlich die: Darf ich ein Baudenkmal abbrechen, um einen Neubau hinzustellen, der ausguckt wie ein Gebäude, das es seit 70 Jahren nicht mehr gibt? Und wenn wir ein Gebäude heute dort stehen hätten, das elend, hässlich, in allen Teilen kaputt und kaum reparabel wäre, wäre ich ja ganz nahe bei den Kollegen von den Altstadtfreunden und würde sagen 'Ok, müssen wir einen Weg finden'. Wir haben aber ein Gebäude, das gar nicht wirklich schlecht ist, das im Inneren teilweise hochspektakuläre Treppenhäuser hat, wunderschön ist, also ein echtes Meisterwerk der 50er-Jahre – und das ist durchaus sanierungsfähig.

    Sanierung oder Abriss: Die ungewisse Zukunft des Pellerhauses -Bayerischer Rundfunk

    Hmmh, die Geschmäcker mögen zwar grundsätzlich verschieden sein, aber gewisse Maßstäbe der Beurteilung sind übergreifend. Wenn Essig lecker ist, Fettwänste ansehnlich sind, Nacktmulle hübsch sind, Schmerzen gut sind, das 50er-Jahre-Pellerhaus wunderschön(!) ist, dann ist da irgendetwas aus dem Lot geraten. Meiner Meinung nach...

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Der Mann redet halt so, wie es in diesen akademischen Kreisen opportun ist. Alles andere wäre eine Überraschung. Keiner will aussprechen, dass der Kaiser nackt ist. Man fürchtet den intellektuellen shitstorm.

    In dubio pro reko

  • ... das im Inneren teilweise hochspektakuläre Treppenhäuser hat, wunderschön ist, also ein echtes Meisterwerk der 50er-Jahre

    Das Treppenhaus befindet sich aber im Imhoff-Bau rechts nebenan...
    Oder gibt es im heutigen Pellerhaus auch ein hochspektakuläres Treppenhaus?

  • Das ist genau das Problem: Im Magazinturm gibt es kein repräsentatives Treppenhaus. Die zugegebenermaßen schöne Treppe des Imhoffbaues würde von einer Rekonstruktion unangetastet bleiben. Leider wird das aber in der Argumentation für den 50er-Jahre Bau immer zusammengeworfen.

  • Dann sollte man die Öffentlichkeit auf diese offensichtlichen Lügen, die schon mehr als einmal verbreitet wurden, dementsprechend aufmerksam machen.

  • Es ist - mal wieder gefühlt aller 6 Monate - an der Zeit, eine Gegenargumentation zu Herrn Ulrichs Thesen zu formulieren. Möchte da jemand mal einen Versuch wagen und hier posten?

  • Das Problem ist nicht so sehr die neue Fassade an sich. Ich gebe zu, dass es ein überdurchschnittliches Gebäude ist. (wie übrigens auch das neue Hildesheimer Pfeilerhaus). Das Problem ist dass hier vorher ein Meisterstück stand, das im Hof zum grossen Teil noch original erhalten war. Das ganze Pellerhaus müßte deswegen aus kunsthistorischen Gründen unbedingt wiederaufgebaut werden!

  • An dem Gebäude ist rein gar nichts "überdurchschnittlich", lasst euch diesen Unsinn doch nicht auch noch einreden.
    Das Ding hat die Ausdruckskraft einer örtlichen Kreissparkasse. Das einzig bemerkenswerte ist der historische Sockel.

    In dubio pro reko

  • Ulrichs Stellungnahme klingt aber ziemlich halbseiden, ich lese da zwischen den Zeilen heraus dass er das aktuelle Pellerhaus für entbehrlich hält. Denn: Er begründet den Wert des Pellerhauses zunächst nach dessen "Schönheit", eine Begrifflichkeit, die in der Fachwelt aus Kunsthistorikern ja verpönt-umstritten ist. Die Bedeutung eines Denkmals soll ja gerade nicht allein aus seiner Schönheit herrühren. Dann wird diese "Schönheit" aus dem direkten Vergleich mit heutigen Banalbauten hergeleitet - das ist aber anerkanntermaßen ja auch keineswegs die Messlatte, an der die Adresse Pellerhaus gemessen wird.
    Zuletzt natürlich der Kardinalfehler: Die Würdigung des angeblich tollen Inneren des Pellerhauses. Das Gewürdigte befindet sich allerdings im Imhoffschen Haus, das Pellerhaus ist in der Tat im Innern komplett frei von irgendwelcher Attraktivität. Und zuletzt wird der argumentative Ausweg zum Abriss + Reko geboten, in dem gesagt wird man könne darüber reden, wenn das Haus kaputt und kaum reparabel sei. Doch genau das ist ja der Fall, allein die Sanierung des Imhoffschen Hauses wird herausfordernd. Aber für die niedrigen Lagerhausetagen hinter der Pellerhausfassade hat noch niemand eine sinnvolle Funktion gefunden. Hier müssten wohl ganze Zimmerdecken herausgebrochen werden, um aktuelle Anforderungen an eine Büro- oder Veranstaltungsnutzung zu erfüllen.

    Ich mag mich irren, aber ich lese da heraus, dass ihm am Nachkriegspellerhaus nicht viel liegt. Anders als der törichte Denkmalschützer Bernd Vollmar, der sich im November 2016 hinreißen ließ das alte Pellerhaus aus der Architekturliteratur wegzudiskutieren und damit eklatante kunsthistorische Wissenslücken zeigte.

    Was leider gut geklappt hat waren die Nebelkerzen der Rekonstruktionsgegner zu Beginn der öffentlichen Diskussion, die das Augenmerk durch Diskussionen und Begehungen immer wieder auf das Imhoffsche Haus abgelenkt haben, um das es aber gar nicht geht: Die Treppe, der Bibliothekssaal, die beschworene Filigranität und Transparenz, das alles ist im Imhoffschen Haus verortet, und das sollte nicht zur Disposition stehen. Im Pellerhaus bspw. gibt es gar kein Treppenhaus außer dem historischen Treppenhausturm im Hof aus dem 16. Jahrhundert, und der ist nicht an das Lagerpellerhaus angeschlossen. Was also soll am heutigen Pellerhaus das "gelungene" wasauchimmer sein? Hier hat man alles falsch gemacht was man nur falsch machen kann.

  • An dem Gebäude ist rein gar nichts "überdurchschnittlich", lasst euch diesen Unsinn doch nicht auch noch einreden.
    Das Ding hat die Ausdruckskraft einer örtlichen Kreissparkasse. Das einzig bemerkenswerte ist der historische Sockel.

    Genau! Richtig überdurchschnittlich kann man sowas nicht nennen. An und für sich ist der Bau etwas weniger schlecht als Vieles was später entstanden ist (das neue frankfurter Salzhaus und das neue Emdener Rathaus finde ich da aber schon etwas besser, obwohl ich auch diese Bauten grottenschlecht finde), aber das kann hier ja bekanntlich nicht den Grund für die Unterschutzstellung sein. Nein, es ist eher so: verbohrte Ideologen haben hier damals schon bewusst versucht die Reste des angeblich "historisch belasteten" Pellerhauses auf ewig zu verschandeln. Nur deshalb steht den Schrott unter "Denkmalschutz". Oder doch eher unter "Mahnmalschutz"? Der Bau wird ja weit, weit besser geschützt als viele richtig wertvolle Altbauten, darunter sogar Highlights wie das bis vor kurzem älteste Haus Bayerns! :wuetenspringen: