Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • Und in deren Ausdruck ist das alte Pellerhaus dem Nachkriegsbau um Längen haushoch überlegen. Aber diese Leute wollen das nicht sehen, Scheuklappen auf und festhalten am alten tun sie genauso, wie sie es den Rekobefürwortern vorwerfen. Festhalten an der biederen Welt der 50iger, mannomann, das Nachkriegs-Nürnberg konservieren, so kann sich freilich nichts großartig Schönes mehr etablieren. :augenrollen:

    Ärgerlich, aber wenig überraschend, dass ein Leiter der Denkmalbehörde das so verargumentiert.
    Auch hier im Forum führen wir diese Kontroverse, wenn es beispielsweise um die Konservierung des Nachkriegs- Dresden geht, wodurch sich ebenfalls "nichts großartig Schönes mehr etablieren" kann.

  • (...) Bencker, bekennender Fan des 50er-Jahre-Stils, lobte das Vorgehen der Mayers als "Glücksgriff" (...)

    Aha. Da wird das Amt wieder für höchst persönliche und individuelle Belange/Vorlieben missbraucht. Wäre Bencker ein bekennender Fan der Renaissance, würde er wahrscheinlich für die Reko sprechen.


    (...) Angriffslustiger positionierte sich dann Bernd Vollmar gegen jedwede Rekonstruktion an dieser Adresse. Der stellvertretende Leiter des Landesamts für Denkmalpflege warf den Befürwortern in seinem Vortrag Selbstüberschätzung vor: "Man kann nicht das Rad der Zeit zurückdrehen in eine vermeintlich heile Welt,... (...)

    :blah: Man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen...

    So ein selten dämliches Gelaber. Mittlerweile weiß wohl ein jeder, daß die Rekonstruktion zur Architekturgeschichte gehört. Außerdem will niemand in eine andere Zeit, sondern nur ein wunderschönes Haus zurück, das einfach zu Nürnberg gehört.

    Genauso hohl ist die Aussage, daß sich Peller eine altmodische Renaissance-Fassade bauen ließ, obwohl an anderen Orten im Barock gebaut wurde. Das dürfte ja eher eine Geschmacksfrage gewesen sein. Ich höre auch noch ganz gern altmodische klassische Musik, obwohl es schon längst Techno und Hip-Hop gibt.

    Ganz ewiggestrig hängen die Herren Bencker & Vollmar an den altmodischen und piefigen 1950er-Jahre Häusern fest, wo in anderen Städten schon längst die Rekonstruktionswelle angekommen ist.

  • Ich wüsste vom feinen und gebildeten Herrn Vollmar außerdem gerne mal, in welcher deutschen Stadt um 1600 Barock gebaut wurde...

    Und, dass er gerade die Renaissancearchitektur des Baus als altmodisch bezeichnet, und nicht die doch recht umfangreiche spätgotische Zierde des Hofs, zeugt auch nicht zwingend von überragendem Sachverstand.

  • Der Herr Vollmar hat wohl Probleme mit seiner Herkunft. Das Pellerhaus war sehr wohl weltberühmt und ein Vorbild für unzählige Gründerzeitler.
    Hier scheint man wohl gerne ins eigene nest scheissen zu wollen.

  • Architektur der 1950er ist schon viel für weniger Schönes abgerissen worden - man muß sie ja nun nicht gerade an einem Ort erhalten wollen, wo man inzwischen das Geld und die Pläne für etwas weit Besseres hat?!
    Ich werde jederzeit für den Erhalt des 1950er-Bahnhofs in Wolfsburg kämpfen, aber das Argument, das 1950er Pellerhaus in Nürnberg unbedingt zu erhalten, erscheint mir doch ein bißchen dünn in Anbetracht der Tatsache, daß Nürnberg eine herausragende Renaissancestadt war und in der Nachkriegszeit Rekos einfach nicht gestemmt werden konnten, wegen der allgemeinen Wohnungsnot.

  • Hmm, mir stellt sich die Frage, was er mit Selbstüberschätzung gemeint haben könnte.
    Außerdem scheint mir dieser Gehirnakrobat auch von falschen Annahmen auszugehen.
    Wer will schon die Vergangenheit zurück? Eine vermeintlich heile Welt?
    Es geht hier um das Heilen von Kriegswunden! Diese geheilte Welt ist es, die die Menschen suchen.

    Wann begreifen diese Leute endlich, dass die alte Bundesrepublik nicht mehr existiert und sie selbst in einer Illusion leben. Der Illusion, sie hätten die Kriegsschäden durch einen 50er-Jahre-Bau geheilt.

    Nicht umsonst zeigen Rekonstruktionen bisher die besten Ergebnisse aller Bauprojekte in Deutschland. Die Menschen halten sich dort gern auf, ganz im Gegensatz zur langweiligen Postmoderne mit Stahl-Glas-Architektur und Schießschartenfenstern.

    PS: Das mit Wolfsburg kann ich auch nur unterstützen. Schon die Bahnsteigstützen sind Kult und einzigartig.

  • Und noch mal drei schöne historische Aufnahmen von Platz, Haus und Hof, wohl alle vor 1900 entstanden.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Die erste Aufnahme muss vor dem 14.11.1905 entstanden sein, denn an diesem Tage wurde auf dem Egidienplatz, direkt vor dem Pellerhaus, dem damals wohl schönsten Bürgerhaus der ehemaligen Freien Deutschen Reichstadt Nürnberg, das Denkmal für Kaiser Wilhelm I. enthüllt. Dieses Denkmal ist auf dem ersten der gezeigten Fotos noch nicht vorhanden. Das Kaiserdenkmal steht bis heute vor dem Pellerhaus, nachdem es der vorgesehenen Einschmelzung während des II. Weltkrieges entgangen und auch die Zerstörung der Stadt, von einigen Einschusslöchern ins Pferd abgesehen, unbeschadet überstanden hatte. 2010 wollte die Stadt Nürnberg das Denkmal entfernen oder zumindest versetzen lassen. Auf Grund von Protesten der Einwohner hat man aber diesen Plan seither nicht weiter verfolgt.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (24. November 2016 um 22:41)

  • Also wenn das Pellerhaus rekonstruiert wird, dann muß auch sein linker Nachbar rekonstruiert werden. Beide bilden so eine ansehnliche , pittoreske Zweiheit, sozusagen die kleinere schlichtere Schwester, neben dem großen prachtvollen Bruder. Beide stärken sich in der Wirkung ihrer Wesenhaftigkeit als Hausindividuen. Und weiter links dann gleich weiter machen.
    Rechts hätten wir den wuchtigen 50iger-Jahre Bau. Denke, der kann stehen bleiben, schön saniert, dann ist auch die 50iger Jahre Erhaltungsgilde bedient! Die üppige Pellerhausfassade bietet da schon genügend gestalterisches Gegengewicht. Das wird ein feines Ensemble.
    Eine Gesellschaft Historischer Agidienmarkt gründen unter dem Patronat der Altstadtfreunde und der medialen Vernetzungsunterstützung von Stadtbild Deutschland e.V.

  • Wenn folgende Veröffentlichung stimmt, ists aus mit der Reko. Die Altstadtfreunde scheinen durch ein Nutzungsrecht an den Räumlichkeiten "gekauft" worden zu sein.

    PDF auf nuernberg.de

    Entscheidend scheinen mir folgende Passagen zu sein:

    Zitat von PDF

    Das Pellerhaus ist ein eingetragenes Baudenkmal (Einzeldenkmal). Ein Abriss dieses Bauwerks wäre nur unter zwei Aspekten möglich:
    1. Die Substanz des Gebäudes ist so herabgewirtschaftet, dass bei einer Sanierung kaum mehr etwas von der ursprünglichen Bausubstanz vorhanden wäre.
    2. Die Erhaltung des Gebäudes ist so aufwändig, dass es für den Eigentümer wirtschaftlich nicht darstellbar ist.
    Hinsichtlich der Interpretation dieses Passus ist der Denkmalschutz der Ansicht, dass keiner dieser Punkte auf die Stadt Nürnberg und das Pellerhaus zutreffen.

    Zitat von PDF

    Die Altstadtfreunde sind bereit, das vorliegende Nutzungskonzept mitzutragen, sofern ihre oben aufgeführten Wünsche und Anregungen entsprechend Berücksichtigung finden.


    Besagte Wünsche sind:

    Zitat von PDF

    Der Pellerhof ist nach Abschluss der Sanierung für vielfältige Veranstaltungen wie Feste, Konzerte oder Theateraufführungen nutzbar. Die Altstadtfreunde haben ihrerseits ebenfalls Interesse an Räumlichkeiten im Pellerhaus.


    Ich hoffe jetzt auf Spitzfindigkeiten wie, sie wollen kein Abriss sondern nur eine Fassade vorhängen. Optimistisch bin aber kein bisschen.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Ich habe den Text jetzt auch gelesen. Ich sehe das nicht so negativ, sonder im Gegenteil eher positiv.
    Der Text ist eine Art Gesamtzusammenfassung aller Nutzungsvorschläge und eine Bewertung des Bauzustandes aus städtischer Sicht.
    Eine Rekonstruktion der Fassade wird mit keinem Wort erwähnt, könnte sich aber aus der Sanierung ergeben.

    Hier wird ganz klar verklausuliert gesagt, dass der jetzige 50er Jahre Baukörper im grunde Schrott ist und saniert werden muss.

    Zitat" Die bauliche Substanz ist abgewirtschaftet"

    Folgende Probleme gibt es: statische Probleme, zu niedrige Decken, Nutzungsbeschränkung auf 100 Personen, Brandschutz, Rettungswege, keine Aufzüge, TGA veraltet

    Was bleibt da noch an Qualität? Nämlich nichts!

    Die wichtigsten Sätze sind diese, die betreffen direkt die Fassade:

    "Sommerlicher und winterlicher Wärmeschutz unzureichend
    , ein energetisches Gesamtkonzept ist notwendig"

    und

    "daher ist in einem zukünftigen Konzept das Augenmerk verstärkt auf die statischen Gegebenheiten des Hauses zu legen. Für eine zukunftsträchtige Belegung des Gebäudes sind grundlegende Neuerungen und Modernisierungen am Gebäude notwendig."

    Wie will man das machen? Das dürfte im Bestand extrem aufwändig und teuer sein.

    "Daher ist in einem zukünftigen Konzept zu prüfen, ob diese Fläche als Büro- bzw. als Veranstaltungsflächen genutzt werden können."

    Das heist für mich, dass das Gebäude komplett überplant wird (positiv, da Veränderung). Bei der überplanung werden die Altstadtfreunde mit einbezogen (positiv). Es gibt bei der beschrieben Nutzung Fördergelder (positiv).
    Da könnte auch eine neue spendenfinanzierte Fassade ins Spiel kommen, die dann einen zeitgemäßen Wärmeschutz hat (siehe vergleichbare Neubauten Dom Römer, Stadtschloss etc.).

    Vielleicht wird es auch Sicht des Denkmalschutzes dann keinen Abriss geben sondern einen general Umbau mit neuer Fassade (Kompromis). So das jeder gewinnt. Oder ich lieg falsch und alles wird schlimmer als Zuvor;)

  • Ich hoffe du hast recht, aber:

    Was bleibt da noch an Qualität? Nämlich nichts!

    leider eben gerade die Fassade bleibt da noch. Ordentlich entkernen, energetische Sanierung von Innen, fertig.

    Zitat von Sir Moc

    Eine Rekonstruktion der Fassade wird mit keinem Wort erwähnt,

    Eben das macht mir ja Sorgen. Die Forderungen der Altstadtfreunde sind ja extra aufgezählt und die Reko fehlt. Dies und das unwidersprochene Fazit des Denkmalschutzes, dass die Voraussetzungen für einen Abriss nicht gegeben seien, lässt mich wenig optimistisch zurück.

    Nun, ich hoffe ich täusche mich.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Aber warum sollte die Stadt denn der Einschätzung des Denkmalschutzes widersprechen? Der Denkmalschutz ist Teil der Stadtverwaltung, und diese hat die Vorlage eingebracht! Es ist weder notwendig noch geboten, wenn die Stadtverwaltung einen Vorschlag zur Nutzung des Gebäudes macht, auf eine Fassaderekonstruktion einzugehen. Das würde bedeuten dass sich die Stadt innerhalb der Ressorts darüber nicht einig wäre, was zwar in der Sache aus Sicht der Rekofreunde spannend und erfreulich wäre, aber inhaltlich hochproblematisch. Stichwort "Aufruf zum Rechtsbruch" durch Abriss eines Denkmals. Soetwas kann nicht aus der Verwaltung kommen, sondern eher aus der Politik oder eben aus der Bürgerschaft / von Investoren.

    Die Vorlage zeigt vielmehr überdeutlich, wie problematisch der Bau ist und welch unkalkulierte Kosten anrollen könnten.

    Hochinteressant ist dass die Vorlage heute nicht behandelt, sondern vertagt wurde.
    Ich vermute, dass durch die nicht benannten Kosten kaum eine konstruktive inhaltliche Auseinandersetzung und Entscheidung möglich ist. Ziel der Vorlage war ja lediglich zu entscheiden, dass man dieses Konzept zur Grundlage einer Kostenermittlung akzeptiert.
    Weiterhin besteht ja auch die große Gefahr, dass bei einem Umbau /energetischer Ertüchtigung des Gebäudes selbiges seinen Denkmalwert verliert. Wir wissen ja wie problematisch die dünnen Fassadenscheiben von 50'er-Jahre-Bauten hinsichtlich Wärmeschutz sind. Lingster hat dabei völlig Recht: Wenn man komplett durchgreift um das Gebäude auf den neuesten Stand zu bringen wäre ein Komplettabriss des Innenlebens die Folge um Decken, Zuwegung, Wärme- und Brandschutz neu zu machen, nur die Fassade bliebe als Maske davor stehen. Das wäre aber vermutlich genau so teuer wie eine Reko, und der Denkmalwert wäre perdú.

  • Un hier einmal ein wenig die Geschichte des "Wiederaufbaus" des Pellerhauses und die Gründe für seine heutige Gestalt aufzuzeigen, möchte ich unten Erich Mulzer zitieren. In seiner Denkschrift "Der Wiederaufbau der Altstadt von Nürnberg 1945 bis 1970" aus dem Jahre 1972 geht Mulzer dezidiert auf die Wiederaufbauleistung (Ob man hier von einer Leistung im positiven Sinne sprechen kann erläutert er ebenfalls und kommt zu dem Schluss, dass die Stadt Nürnberg zwar Großes geleistet hat, jedoch ihre eigenen Vorgaben speziell zum Wiederaufbau städtischer Ruinen äußerst inonsequent umsetzte. der Wiederaufbau kann somit zwar als außergewöhnlich, allerdings nur teilweise erfolgreich gesehen werden) der Stadt Nürnberg und den speziellen Umgang mit dem Pellerhaus ein:

    "Neuartige Entwicklungen im denkmalspflegerischen Aufbau zeichneten sich 1953 ab, als das Grundstück des Pellerhauses in ein Neubauprojekt der Stadtbibliothek einbezogen werden sollte. Nach der bekannten offiziellen Konzeption hätte ein getreuer Wiederaufbau des Pellerhauses in Betracht kommen müssen: Die rückwärtige Fassade stand unversehrt bis zum Giebelansatz, die Hofarkatur war fast bis zur Hälfte erhalten, der Vorderbau umfasste noch große Teile von Eingangshalle und Erdgeschoss. Zahlreiche Ornamentsteine der Giebelfassade lagen jahrelang in den Trümmern, einige waren im Hof sichergestellt. Zusammen mit zwei verlagerten Zimmerausstattungen bestand also noch eine außerordentlich umfangreiche historische Substanz. Außerdem übertraf das Pellerhaus künstlerisch bei weitem alle bisher genannten Gebäude; es handelte sich um die einzige architektonische Leistung Nürnbergs von Weltrang. Trotz der Wiederherstellbarkeit auch einer derartig reich ornamentierten Fassade (heute u.a. belegt durch den Dresdner Zwinger, das Würzburger Falkenhaus oder den Wolffschen Rathausbau in Nürnberg) entschloß sich die Stadtverwaltung nicht zu einer Restaurierung, sondern schrieb zunächst einen Wettbewerb über die Gesamtbebauung aus. Die Juroren, darunter der Direktor des Landesamts für Denkmalpflege und mehrere namhafte auswärtige Architekten, verwarfen offenbar aus grundsätzlichen Erwägungen den mehrmals vorgeschlagenen getreuen Wiederaufbau und prämierten nur Entwürfe, die eine Einbindung der erhaltenen Teile in einen modernen Neubau vorsahen. In dieser Weise wurde das Projekt auch verwirklicht." (Mulzer, Erich, Der Wiederaufbau der Altstadt von Nürnberg 1945 bis 1970. In: Erlanger Geographische Arbeiten, hg. vom Vorstand der Fränkischen Geographischen Gesellschaft, Heft 31. Erlangen, 1972. S. 83f.)

    Ich habe die mir wichtig erscheinenden Textstellen einmal fett markiert. Diese Darstellung der Situation des Pellerhauses in den 50er Jahren von Erich Mulzer entkräftigt meines Erachtens die meisten gegen das Pellerhaus bzw. seine Rekonstruktion hervorgebrachten Elemente.

    Wichtig ist hierbei vor allem die bekannte offizielle Konzeption der Stadt Nürnberg. Mulzer schreibt auf Seite 75: "Über die Einstellung zur Denkmalpflege gibt es in den Verlautbarungen der Stadtverwaltung und des Stadtrates nur eine einzige, oft formulierte Meinung. Sie läßt sich in die Sätze zusammenfassen: Alle erhaltenen Baudenkmäler sorgfältig zu schützen und zu pflegen; alle beschädigten historischen Bauten sind, soweit sie noch regenerationsfähige Substanz besitzen, wiederherzustellen; völlig zerstörte Bautenjedoch sollen, gerade aus Respekt vor dem echten Baudenkmal, nicht als Kopien wiederentstehen, sondern endgültig verloren bleiben." (Mulzer, 1972, S. 75.)


    Weiterhin gibt er ein Zitat des Vorsitzenden des Aufbaukuratoriums, Dr. Friedrich Seegy, wieder:

    "Man ist sich einig gewesen darüber, daß das vorhandene Alte mit Treue und Liebe erhalten werden muß. Es ist kein Grund vorhanden, alte Substanz, die künstlerisches oder auch nur geschichtliches Interesse hat, zu vernichten. Die beschädigten historischen Bauten sind zu ergänzen und vor der völligen Vernichtung zu schützen." (Mulzer, 1972, S. 82.)


    Die Stadt Nürnberg erzielte enorme und beachtenswerte Aufbauleistungen und gab sich die Maxime, all das, wo beachtliche historische Bausubstanz noch vorhanden war, wiederaufzubauen (Hierunter fallen: Unschlitthaus, Rathaus, Baumeisterhaus, Herrenschießhaus (alle mit leichteren Beschädigungen); Kaiserstallung mit Luginsland, Heilig-Geist-Spital, Mauthalle (alle mit schweren bis sehr schweren Zerstörungen)). Lediglich Totalzerstörungen sollten nicht wieder errichtet werden. Allerdings blieb die Stadt in diesem Konzept, vor allem mit fortschreiten der 50er Jahre, sehr inkonsequent. So wurde beispielsweise der Peststadel, der wesentlich besser erhalten war als Mauthalle oder Kaiserstallung, nicht wiederaufgebaut. Ebenso geschah dies mit dem Pellerhaus. Der Wiederaufbau im Stile der 50er Jahre tat eben genau das, was nicht passieren sollte: Die völlige Vernichtung dessen, was das Haus ausmachte: Seiner Fassade und seiner Innenräume.

    Um also die Haltung der Stadt und ihre tatsächlichen Handlungen in Verbindung zu setzen: die Stadt war sich damals oft nicht treu und missachtete ihre eigenen Konzeptionen. Eine Wiederherstellung des Pellerhauses hätte nicht nur erfolgen können, sondern, wie Mulzer richtig schreibt, erfolgen MÜSSEN! Hierbei vor allem unter der Berücksichtigung der enormen noch vorhandenen historischen Bausubstanz. Ein eindeutiges Versagen der Wiederaufbaupolitik! (Dass sich heute offenbar niemand mehr eingestehen möchte, wer gibt schon gerne Fehler zu?)


    Um nun den Wert des historischen Pellerhauses zu verdeutlichen und der Denkmalpflege einen Spiegel vorzuhalten, mag Mulzers in diesem Zusamenhang wohl wichtigste Aussage dienen, die ich so unterschreiben würde: Das Pellerhaus war die einzige architektonische Leistung Nürnbergs von Weltrang! Diese Aussage kommt wohlgemerkt von Erich Mulzer, der die Altstadt wahrscheinlich besser kannte als jeder andere. Das Gewicht dieser Aussage sollte also jedem klar sein.
    Vergleicht man nun die Haltung der Stadt Nürnberg gegenüber zerstörten städtischen Bauten und ihrem Wiederaufbau sowie die Aussage Mulzers mit der Aussage Malys zum Pellerhaus:
    "Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly bekräftigte in seiner gestrigen Ansprache das Nein zur Rekonstruktion der Fassade. Er wolle nichts wegmachen, was selbst schon ein Denkmal ist und zitiert das Denkmalschutzgesetz. Die Zeit der Renaissance sei nicht wichtiger als die Baukunst der Nachkriegszeit. Sie erzähle ebenfalls ein wichtiges Stück Stadtgeschichte. Dieser geschichtliche Bruch, ergänzt durch den Hof gehöre eben zu Nürnberg."
    (marktspiegel.de/nuernberg/loka…-im-pellerhof-d20394.html), dann fällt auf, dass Herr Maly sich eventuell nicht ganz so gut mit der Geschichte des historischen Hauses auskennt und seinen baugeschichtlichen Wert offenbar absolut nicht erkennt.
    In diesem Zusammenhang auch völlig unverständlich die Aussage des stellvertretenden Leiters des Amtes für Denkmalpflege, Bernd Vollmar:
    "Er frage also, "ob man nicht doch mit dem Nürnberg zufrieden sein müsste, wie es geworden ist". Statt mit einer "marktschreierischen Touristenattraktion in Form einer Retrofassade" Alt-Nürnberg nachzuweinen, solle man lieber die gegenwärtige Altstadt attraktiv gestalten.
    Vollmar, gebürtiger Nürnberger und Architekturstudent noch unter Walter Mayer, kritisierte nicht nur den Wiederaufbau des Pellerhofs durch die Altstadtfreunde ("Wir wünschten uns, es wäre nicht passiert"). Er wollte auch die Wahrnehmung des Vorkriegs-Pellerhauses korrigieren. Prächtig sei es gewesen, aber nie weltberühmt – höchstens im lokalpatriotischen Wunschdenken "innerhalb des bratwurstbestückten Nürnberger Zinnrandes". Während um 1600 in anderen Städten schon barocke Formensprache einzog, ließ sich Peller noch altmodische Renaissance hinstellen." (nordbayern.de/region/nuernberg…erden-konkreter-1.5630500)


    Verstehe ich diese Aussage richtig, tut Herr Vollmar folgendes: Er stellt sich GEGEN seine eigenen vormaligen Kollegen, die den Wiederaufbau der Stadt leiteten und das Pellerhaus jahrelang als absoluten Top-Kandidaten für einen Wiederaufbau empfanden. Gemäß der Konzeption der Stadt wäre ein Wiederaufbau unausweichlich gewesen.
    Seine, tut mir Leid, das so zu sagen, seltendämliche Aussage, das Pellerhaus wäre niemals weltberühmt gewesen, ist nicht nur eine bodenlose Frechheit, sondern zeugt, auch und vor allem vor dem Hintergrund der Aussage Mulzers, von absoluter Ahnungslosigkeit, Engstirnigkeit, fehlender Sachverständnis und mangelnder Objektivität (Vor dem Hintergrund seiner Ausbildung unter Herrn Mayer).

    Ich denke es muss sich nicht nur in Nürnberg langsam etwas tun hin zu einem besseren Verständnis des Wertes von Rekonstruktionen und dem Wiederaufbau von zerstörten Häusern. Offenbar waren die Menschen der frühen 50er Jahre uns in ihrem Denken und Handeln weit voraus.
    Und wenn man die Haltung, die Aussagen, die offensichtliche Ignoranz gegenüber der Geschichte und Bedeutung von Stadtbildern oder einzelnen Häusern von Personen in leitenden Positionen sieht, dann muss sich ganz besonders hier etwas ändern, um unsere Städte in Zukunft nachhaltig und lebenswert zu gestalten, denn genau hierin liegt eine der immanentesten Funktionen von Städten.

  • Hier ein kleines Update zum Fortgang der öffentlich geführten Diskussion:

    Im Newsletter der Altstadtfreunde schreibt Enderle folgendes:

    Ich finde beide Artikel gut, insbesondere, dass Ulrich nicht die gewöhnlichen Floskeln augräbt, sondern sich der Rekonstruktionsdebatte von einer anderen Seite her nähert. Dabei kann ich überraschenderweise vielen seiner Aussagen zustimmen, wenn ich auch am Schluss zu einem ganz anderen Ergebnis als er komme.

  • Hallo zusammen,

    noch alles Gute für 2017 - Gesundheit ist das Wichtigste.

    Im Mai 2017 wird in Nürnberg die nächste "Blaue Nacht" stattfinden. Mein Vorschlag: Warum nicht die zerstörte Pellerhaus-Fassade an den jetzigen so in den Himmel gelobten Bau projizieren? Die Bevölkerung bekommt ein Gefühl für die Fassade - und wird auf diese Weise nicht bevormundet.

    Die erste Variante liegt bis auf den Eingangsbereich auf der dunklen Jetzt-Pellerhaus-Fassade.
    Die zweite Variante liegt auf der hellen Fassade. Alle Lampen im Gebäude sind an. Hier würden beide Fassaden gewissermaßen im Wettstreit liegen. Ein interessanter Kontrast.

    Beide Varianten sind als Entwürfe zu sehen.

    Wer bei der Stadt Nürnberg entscheidet über die Lichtprojekte? Wer müsste wie für die alte "Pellerhaus-Fassade" aktiv werden; den Antrag stellen? Was würde eine solche Projektion kosten?


    4 Mal editiert, zuletzt von gropeltop (15. Januar 2017 um 00:19)

  • Hallo Gropeltop, das ist eine Super-Idee.
    Bring den Vorschlag bitte mal bei den Nürnberger Altstadtfreunden zur Sprache, am Besten direkt anrufen!

    Am Aussichtsreichsten wäre es, sich an die CSU-Fraktion zu wenden, die befürworten das Projekt, haben aber leider nicht die Mehrheit im Stadtrat. Meiden würde ich mit dem Vorschlag den Baureferenten, die Denkmalpfleger sowie insbesondere den "Bund deutscher Architekten" (BDA) *lol*