Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • Genau, denn beim Pellerhaus würde ja nicht nur eine Fassadenrekonstruktion wie in Wesel vor das Bestandesgebäude gesetzt werden. Es gibt auch noch die, wenn einfachere, Rückseite. In Wesel stimmen ja die Geschosshöhen mit der rekonstruierten Rathausfassade nicht ganz überein, aber beim Pellerhaus sind sie komplett verschieden.

    Wenn vom jetzigen Pellerhaus nur die Fassade(n) geopfert würde(n), bliebe wohl nicht mehr viel vom Gebäude übrig. Innen gibt es ja architektonisch nichts bedeutendes; das Gebäude wurde viel mehr wegen der Fassade und des Umgangs mit dem Städtebau und historischen Erdgeschoss unter Schutz gestellt. Von daher kann man die Variante "Wesel" abhaken.

    Wenn man schon mit Zahlen operiert, braucht es Vergleichbares und vor allem Gegenüberstellungen und Kostenschätzungen:
    a) Renovation und Umnutzung des Bestandgebäudes aus den Fünfzigern
    b) Abbruch und moderner Neubau
    c) Abbruch und Neubau mit zwei rekonstruierten Fassaden
    d) Renovation und Umnutzung des Bestandgebäudes und Anfügung der rekonstruierten Fassaden

    Milchbüchleinrechnungen à la Verweser bringen überhaupt nichts!


    Milchbüchleinrechnung von Verweser:

    Kosten Fassadenrekonstruktion Rathaus Wesel: 3,2 Mio EUR
    Investitionsschätzung Sanierung heutiges Pellerhaus (samt Imhoff-Bau: 50 Mio EUR)
    >> Faktor 15,6, also beinahe 20, also beinahe 2000% stickpoke:)

    (wobei ich anfügen muss, dass Nothor geschrieben hat, dass auch dem Stadtrat noch keine Schätzungen vorliegen. Es stehen lediglich Zahlen zwischen 10 und 50 Mio EUR im Raum, und das für die Sanierung eines Gebäudekomplexes, dessen neue Nutzung noch nicht mal bekannt ist)

    Ich bin ja Mitglied der Altstadtfreunde, und werde über das Wochenende eine Anfrage an sie richten, ob sie in dieser Hinsicht schon tätig geworden sind. So wie ich die kenne, denke ich schon.

  • Eine Ergänzung: Mit dem Imhoff-Bau (rechts neben dem Pellerhaus) könnte ich meinetwegen leben. Es bliebe ein Beispiel für frühe Nürnberger Nachkriegsarchitektur. Und die BDA´ler sowie weitere Architekturexperten wären glücklich damit - und hätten auch einen Sieg davongetragen...


    Das finde ich ist ein ganz wichtiger Punkt, der mir im Nachgang zu den BDA-Veranstaltungen aufgegangen ist. Das von BDA und Denkmalschutz gepriesene Interieur ist v.a. im Imhoffschen Bau lokalisiert und wäre von einer Pellerhausreko nicht betroffen. Demzufolge könnte auch das Spielearchiv usw. dort bleiben. Mir ist so als würde niemand, der sich für eine Pellerhausreko stark macht, auch das Imhoffsche Haus in Frage stellen. Es ist auch der einzige Teil des Bestandskomplexes, indem überhaupt etwas Leben stattfindet.
    Die Kostenbetrachtung ist allerdings komplex. Denn wer heute von der Pellerhaus-Sanierung spricht meint wohl auch den Imhoffschen Bau gleich mit, der ja dieselben baulichen Mängel aufweist. Es ist also keine lupenreine Entweder-Oder-Betrachtung, d.h. selbst wenn ein es einen rein spendenfinanzierten Pellerhauswiederaufbau gibt, bleibt der Imhoffsche Bau ein Sanierungsfall. Der BDA hat aber in seiner zweiten Veranstaltung am 15.12. empfohlen möglichst wenig daran zu machen damit der Charakter erhalten bleiben kann (filigrane Fenster, alte Heizkörperverkleidungen, niedrige mit Acryl verglaste Emporengeländer usw.).

    Man möge mich berichtigen, wenn ich falsch liege.

  • Den Beitrag gerade gesehen. Puh.... Wenn Daniel Ulrich von einem fertigen Platz in einer fertigen Fassung spricht, dann fällt ihm eventuell die Lücke neben dem Pellerhaus schon einmal gar nicht auf. Naja, das sei mal dahin gestellt.

    Ich als Besucher der Stadt, die ich auch schon häufig mit Freunden, Bekannten, Verwandten besucht habe, kann nur meine Meinung und die der Personen wiedergeben, die ich mit an den Egidienplatz genommen habe. Wir haben uns dort ausschließlich aufgehalten, um dem Erdgeschoss des Hauses einen Besuch abzustatten und die Egidienkirche zu besichtigen. Der Platz an sich wurde bisher ausnahmslos von allen als unbedeutend, langweilig und trist empfunden.

    Ich bin übrigens auch oft mit Amerikanern in der Stadt unterwegs und muss ganz ehrlich sagen: auf die Idee, diesen das aktuelle Pellerhaus zu zeigen, würde ich im Traum nicht kommen!!! Burg, Tiergärtnertorplatz, Unschlittplatz, Weißgerbergasse und vll noch die Untere Wörthstraße sowie selbstverständlich die Kirchen werden hier angeschaut. Und das Echo ist immer dasselbe: Die Touristen sind von den alten Ecken begeistert, den Wiederaufbau empfinden sie durchweg als langweilig und vollkommen unspektakulär.

    Und ganz ehrlich: Immer diese Argumente "nicht Echt", "Disneyland", "Pseudo-Welt", "Geschichtsverfälschung": Gingen wir nach diesem Prinzip, dann wäre ja fast die gesamte Altstadt Geschichtsfälschung! Allen voran die Burg! Für mich bedeutet Rekonstruktion hier nichts anderes als ein Neubau, der nach alten Plänen (Soweit vorhanden) erfolgt. Und aus welchem Grund sollte dies nicht legitim sein? Warum sollte man etwas, das augenscheinlich gut, nein, sogar sehr gut, war, etwas, das über Jahrhunderte funktioniert hat und die Menschen hat staunen lassen, nicht wiederhaben? Ich lese ein Buch ja auch nicht nur einmal und sag' dann: "Puh, ein zweites Mal lesen, das bringt's ja nicht. Es ist zwar ein super Buch, aber ich habs ja schonmal gelesen. Also weg damit."

    Was Geschichtsfälschung angeht: Wie genau soll man in Nürnberg durch Wiederaufbau einer Fassade oder eines Hauses die Geschichte fälschen, verneinen, ausmerzen, rückgänig machen? Dazu müsste man alles, was bis Januar 45 existiert hat exakt rekonstruieren. Und zwar im gesamten Stadtgebiet!

    Zu den Innenräumen: Hier hat man wieder die Räume im Imhoff'schen Teil gezeigt. Irreführend für den Zuschauer.

    P.S.: Sorry, musste das mal los werden. Ich hoffe immer noch, dass der Rat der Stadt endlich die nötige Weitsicht und Erkenntnis hat, dass Nürnberg nur durch seine Geschichte in Zukunft als Stadt erfolgreich sein kann.

  • Leider hatte ich (mal wieder ) das Gefühl, dass die Modernisten dominiert haben. Nur die Altstadtfreunde waren die Vertreter der “Opposition“.
    Die sehr fachkundige Person am Anfang war schon der Knaller :
    “Naja es ist Geschmackssache. Aber es passt hier runterum rein das geht also ja...“

    Daniel Ulrich Nürnberger Baureferent über den rekonstruierten Innenhof: “kann man machen. Ich finds jetzt ned hässlich ...“
    “Kein hässliches Ergebnis aber auch kein Echtes...“ Also ein Bisschen mehr kunsthistorische Bildung könnte nicht schaden...
    Ansonsten war die Kommentierung vom BR eher gegen das Pellerhaus: der Mayersche Bau sei eine “Ikone der 50er Jahre Architektur stattdessen eine verloren gegangene Renaissancefassade bauen.“
    “ Im Übrigen ist der heutige Platz ein 50er Jahre Platz. Braucht er eine Renaissancefassade?“

  • Ich habe den Beitrag von Carina Bauer als relativ neutral empfunden.


    Ich auch. Kein Vergleich mit dem ZDF-Beitrag über den Barberini-Palast vor kurzem mit dem verstümmelten Interview.

    Herzliche Grüße

    Bilder von mir finden sich auch bei Wikimedia.

  • Das Pellerhaus ist - auch wenn ich natürlich die Rekonstruktion befürworte - ein ´schwieriger Kandidat´. Die Nachkriegsbebauung ist nicht augenscheinlich häßlich und mißlungen. Die Originalfassade dagegen ist für (nicht vorgebildete) heutige Betrachter vermutlich überladen und ´verzopft´.

  • Das Problem beim Pellerhaus ist ähnlich gelagert wie beim Salzhaus im Frankfurt.
    Beide Gebäude waren identitätsstiftend für die alte Stadt.
    Und von beiden Gebäuden sind wesentliche originale Bauteile erhalten, die eine Rekonstruktion mit Originalsubstanz möglich machen.
    Was die Entscheidung so schwer macht ist, dass die 50er-Jahre-Bebauung aufgrund des historisch und städtebaulich bedeutenden Vorgängers hochwertig bebaut und dadurch eben auch denkmalwürdig für die Wiederaufbauzeit ist.
    Trotzdem glaube ich beim Pellerhaus, dass eine komplette Rekonstruktion des Vorderhauses langfristig die einzig richtige Lösung ist. Wenn man gewillt ist, ein stimmiges, fertiges Bild zu schaffen und nicht immer dem historischen Bruch und dem Bauchschmerz der Zerstörung zu frönen.
    Ich als einfach strukturierter Geist finde, die Komplettierung des historischen Hauses mit der Rekonstruktion des Renaissance-Vorderhauses vom 1.OG bis zur Giebelspitze ist der richtige Weg. Auch für die Nürnberger.

  • Mich hat der Baureferent Ulrich sehr überrascht mit der Aussage, man solle eine denkmalgeschützte Fassade nur dann abreissen dürfen, wenn etwas nachkomme, das unvergleichlich besser sei. Der Türöffner schlechthin. Damit muss wohl das Pellerhaus gemeint sein! "Warum solle man etwas abreissen,was funktioniere." Das Pellerhaus funktioniert nur leider nicht.... Alles, was er danach gesagt hat war der Rechtskonformität seines Amtes als ebenfalls für den Denkmalschutz verantwortlicher Baureferent geschuldet. Schließlich haben Denkmalschützer damals als der Vorschlag der Altstadtfreunde aufkam hysterisch von einem Aufruf zum Rechtsbruch gesprochen. Das sollte einem in der Bauverwaltung hohem Verantwortlichen nun nicht passieren. Ich meine aber in seinen Aussagen zu erkennen, dass er das Pellerhaus gerne wiederauferstehen sehen würde.

    Diese Disneyland und Geschichtsfälschungsargumente sind ermüdend, weil langweilig, unsachlich, falsch. In der Forschung oder der Archäologie ist es Alltag, dass man ein altes Römerschiff, einen Wehrturm oder sonstirgendwas wenigstens aus Forschungszwecken wiederaufbaut - nicht um die Geschichte zu verfälschen, sondern um sie zu erforschen.
    Der Vergleich von Herbert May mit dem Berliner Schloss hinkt natürlich auch gewaltig, denn an dessen Bauplatz war keineswegs eine Baulücke, sondern dort stand der Palast der Republik! Dessen Abriss wurde noch nicht begonnen, da wurde der Wiederaufbau des Schlosses beschlossen. Ich bin erstaunt über die offensichtlichen Wissenslücken und hinkenden Vergleiche der Rekonstruktionsgegner.

  • Stimmt, ich habe mir den Beitrag nun auch angesehen. Die Gegener haben überhaupt kein historisches Hintergrundwissen?! Dann stellen sie sich auch noch den Medien und blamieren sich mit ihren falschen und teilweise naiven Aussagen. Ich habe mich richtig fremdgeschämt.

    Kann man denen bitte einen Baedeker von vor 1945 in die Hand drücken bitte! Echt traurig, wenn man sieht, welche Banausen, die eigentlich Verantwortung tragen sollten, es so überall gibt - aber das kann natürluch auch gewollt sein. Das Klischee wird wieder einmal bestätigt.

  • Der Farbton "Nürnberger Rot" für den Hof des Pellerhaus


    Der Wiederaufbau des Pellerhaus-Innenhofes ist wirklich beeindruckend und imposant. Man kann erahnen, was in der Nürnberger Altstadt am 2.1.1945 an Innenhof-Architektur verloren ging.
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    Welche finale Farbgestaltung wird/soll der Hof denn bekommen? Nach dem Stand von 1607 müsste auf die Sandsteinquader der Farbton "Nürnberger Rot" kommen. Und darauf wiederum weiße Kalklinien, um die Quaderung wieder hervorzuheben.
    Mein Foto zeigt den Farbunterschied deutlich. Die Quader des Treppenturmes tragen diesen alten Farbton. Direkt daneben sind nackte Sandsteinquader zu sehen, die der Witterung direkt ausgesetzt sind. Sandstein ist ein relativ weicher bzw. empfindlicher Stein. Es wäre schade, wenn es nach 30 Jahren wieder die ersten Reparaturen gäbe.

  • Nach dem Stand von 1607 müsste auf die Sandsteinquader der Farbton "Nürnberger Rot" kommen. Und darauf wiederum weiße Kalklinien, um die Quaderung wieder hervorzuheben.

    Wenn durch die Bemalung der Stein geschützt und nicht etwa angegriffen wird (was bei dem Streichen von Sandsteinelementen mit ungeeigneter Farbe ja zuweilen vorkommt) und dies der ursprünglichen Farbgestaltung entspricht, ist dies sicher keine schlechte Option.

  • Ich persönlich bin ja der Überzeugung, dass wenn man das Gebäude in all seinen historischen originalen Formen rekonstruiert, sollte man auch die Farben beibehalten. Und roter Buntsandstein ist auch nicht gerade das Unästhetischste.

  • Ich würde es begrüßen, wenn ein Teil der Sandsteinelemente, der nicht oder kaum der Witterung ausgesetzt ist, in natürlicher Ästhetik verbleibt. Der Sandstein steht diesem Hof einfach sehr gut, wie ich finde.

    Im Grunde fänd ich auch eine -gestalterisch klassische, eingepasste- gläserne Überdachung des Hofes nicht verkehrt, um ihn generell vor der Witterung und damit auch der Erosion zu schützen. Das würde ihn auch ganzjährig gut wirken und nutzbar machen lassen. Bei dem deutschen Klima ists ja sonst doch eher schwierig, bei Regen und Kälte ist auch so ein geschützter Hof nicht wirklich angenehm.

  • Unter dem Motto: "Das Ziel vor Augen" wird es dieses Wochenende wieder Führungen über die Baustelle geben. Dabei soll auch die künftige Nutzung des Hauses thematisiert werden. Die Stadt ist von ihrem Vorhaben abgerückt das Kinder- und Jugendhaus im Pellerhaus unterzubringen. Stattdessen wird dafür das Herrenschießhaus in Betracht gezogen, ebenfalls ein Renaissancebau. Die Nutzung des Pellerhauses ist damit wieder offen.

  • Zitat von noricum

    Derweilen wird es mit dem Nordgiebel sehr konkret.

    dann brauchmer wenigstens nimmer dafür nach Schlesien zu fahren...

    https://www.google.at/search?q=f%C3%…jynWeM:&spf=235

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.