• Fürth, das Rothenburg der Gründerzeit

    Das Gute liegt so nah. Warum nicht von Nürnberg mal nach Fürth schauen? Bekannt wegen Versandhaus Quelle, der Spielvereinigung Greuther Fürth und der ersten deutschen Eisenbahn, hat die Kleeblattstadt die höchste Denkmalsdichte aller deutschen Großstädte aufzuweisen. 17,84 Baudenkmäler kommen auf 1000 Einwohner; zum bayerninternen Vergleich: Nürnberg 5,06; Würzburg 6,08; München 6,33; Regensburg 11,72.

    Bei den Baudenkmälern in Fürth handelt es sich zu einem wesentlichen Teil um Gründerzeitarchitektur teils hervorragender Qualität, es gibt herrliche geschlossene Straßenzüge und Viertel. Im ehemaligen "fränkischen Jerusalem" haben auch viele Juden gelebt, die wirtschaftlich teils sehr erfolgreich waren und vornehme Häuser erbaut hatten. Eine Bombardierung Fürths erfolgte nicht.

    Fürth wird in der Region wegen seiner Rivalität mit dem größeren Nürnberg oft herabgesetzt, für mich unverständlich. Ich finde, es ist eine besonders schöne Stadt, und ein Geheimtipp allemal.

    Es geht los mit dem Rathaus (im Rathaus-Thread bereits benannt);

    auch das Stadttheater wurde in diesem Forum bereits einmal erwähnt; originale Neorokoko-Innenausstattung ist erhalten.

    Nebenan befindet sich das Amtsgericht:

    Das Zuckerbäckerstil-Logenhaus ist eines der schönsten seiner Art in Deutschland:


    Es gibt noch eine Reihe gründerzeitlicher und klassizistischer Villen (Auswahl):


    Eine wirkliche Sensation ist die Anlage um Hornschuchpromenade und Königswarterstraße. Hier fuhr die erste deutsche Eisenbahn, entlang entstanden Wohnhäuser, teils in offener, hauptsächlich geschlossener Bauweise, allesamt höchsten Anspruchs, die vom Format her mit europäischen Großstädten ihrer Zeit verglichen werden können. Und: nahezu einzigartig erhalten.

    Die Bebauung der Hornschuchpromenade endete mit einem eigentümlichen Jugenstil:

    Für den Jugendstil stehen auch die heutige Tucherbrauerei und das ehemalige Offizierskasino:

    Mehrfache Bestrebungen, Heilbad zu werden, spiegeln sich etwa in der Ludwig-Quelle, kurz vor dem ersten Weltkrieg erbaut. (Zurzeit wird ein neues Thermalbad gebaut.)

    Wen's interessiert, ein Blick auf den ehemaligen Flugplatz Atzenhof mit Bauten der 1920er und 1930er Jahre:

    Zum Schluß ein Blick in den Fürther Stadtpark:


    Es gäbe noch so viel Schönes ...

  • Sieht schon ganz nett aus ! Allerdings bezweifle ich, daß die Denkmaldichte
    etwas über die Schönheit der Stadt aussagt. Schließlich gibt es auch
    schon Betonklotz-Denkmäler aus der Nachkriegszeit. :(

  • Hab mich dank deiner Seite schon eher für Fürth interessiert aber nicht viel im Netz gefunden. Für Gründerzeitfans wie mich natürlich ein Traum, allerdings schmerzen solche Bilder jedoch sehr:

    Zitat von "baukunst-nbg"

    Auch die Gestaltung des Umfeldes ist typisch westdeutsch und nicht so behutsam renoviert wie in den ostdeutschen Städten mit Kopfsteinpflaster (oder hab ich nur falsch geguckt?)
    Trotzdem eine wunderschöne Stadt.

    Wie sieht's eigentlich in Nbg. mit Gründerzeitlern aus?

    Btw: Das Nürnberger Rathaus erinnert mich stark an die Alte Post in Hamburg.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Richtig. Die Bemühungen der von uns allen geschätzten Nachkriegszeit, um den Bahnhof herum ein Hochhausghetto zu errichten, haben zum Sparkassenhochhaus und dem sichtbaren "Bahnhofs-Center" geführt. Letzteres ist schadhaft, aber obwohl bei dieser Gelegenheit einige dutzend Kilo Sprengstoff die beste Lösung wären, wird der Klotz mit herausgeschmissenem Geld saniert.

    Statistische Zahlen wie Denkmalsdichte sind natürlich nicht direkt proportional zum (insbesondere subjektiven) Begriff der Schönheit. Doch ich glaube, daß man aus Fürth extrem viel machen könnte. Wie ihr wißt, wurde noch vor nicht all zu vielen Jahren Gründerzeitarchitektur als wertlos, häßlich und abrißreif betrachtet. Daher hat man sich auch wenig ums Stadtbild gekümmert. Im Osten hat man - dank Geldmangels - vieles nicht zerstören können, heute ist man wenigstens tendenziell vorsichtiger.

    Mittlerweile scheint hier aber ein Bewußtseinswandel eingetreten zu sein und die Stadt gibt einiges für die Restaurierung ihres Denkmalbestands aus. Am Kohlenmarkt wurde das technische Rathaus saniert, die Straße davor schön gepflastert. (Was mich aber in den meisten deutschen Städten extrem stört, sind die allgegenwärtigen häßlichen Verkehrsschildwälder, Mülltonnen, Schaltkästen etc., die IMMER im Bild stehen.)

    Insgesamt gesehen ist bemerkenswert an Fürth die Geschlossenheit des Altbestands, weniger einzelne Bauten, von denen es aber auch einige gibt.

    In Nürnberg gibt es natürlich auch noch Straßenzüge mit schönem Gesicht, aber wenige so kompakte wie in Fürth. Besonders in Johannis (Arndtstraße) und in Gostenhof (Petzoltstraße) kann man so einige Überraschungen erleben. Das müßte man mal gesondert untersuchen, ich krame mal in meinem Archiv.

  • Leider nicht. Es gibt wohl manchmal Führungen durch das historische Sudhaus von 1911. (Links das alte Sudhaus von 1887/88.) Durch die Fenster sieht man, auch auf meinem Foto andeutungsweise erkennbar, daß die Innenausstattung noch ziemlich unverändert vorhanden ist, einschließlich der an Ketten dekorativ aufgehängten, kugelförmigen Lampen. Zum Komplex (ursprünglich Humbser-Bräu) gehörte früher noch die Besitzervilla, die aber irgendwann abgerissen wurde, nur das Torhaus von 1897 (deutsche Renaissance) ist noch vorhanden.

  • Ich erweitere mal meine Fürth-Galerie von letztem Jahr mit Bilder von einem Spaziergang durch ein weniger herrschaftliches Viertel, aber sehr gut erhalten. Ein wirklicher Eindruck von der Gründerzeit. Das meiste ist hier zwischen 1860 und 1890 gebaut worden. Leider sind die Bilder teils verwackelt, da es schon recht dunkel war.

    Gartenstraße hinter dem Rathaus

    Blick zum Kohlenmarkt:

    Barock-Fachwerk hinter Schiefer; das höhere Haus in der Häuserzeile ist ein Neubau:

    Das linke Gebäude stammt von 1839:

    Ehem. Sudhaus der Grüner-Bräu, bez. 1928. Rechts anschließend Neubau aus den 1990ern (gut eingefügt, wie ich meine).

    Etwas eigenartig: von der Brauerei vermutl. durch Zusammenfassung der Fenster im EG und 1. OG umgebautes spätklassizist. Haus

    Schönes spätklassizistisches Haus (1868)

    Komplettreko im ehem. Gänsbergviertel:

    Blumenstraße:

    Mathildenberg, für mich eine der eindrucksvollsten Mietshauszeilen der Gründerzeit:

    Lochner'sches Gartenhaus, barock, eines der Fürther Vorzeige-Denkmäler:

    Theaterstraße:

    Ecke Theater-/Mathildenstraße:

    Mathildenstraße mit Glaserkern um 1990 auf Gründerzeit-Sockel:

    Mathildenstraße mit Jugendstil-Apotheke:

    Schillerstraße:

    Mathildenstraße gegen Osten:

    "Central-Garage" (ich vermute 20er/30er Jahre), nicht als Denkmal eingetragen. Ein eigentümliches Parkhaus mit Aufzug:

    Blick in die Ottostraße:

  • Danke für die schönen Bilder. Teilweise erinnern mich die Gründerzeitmietshäuser an Bamberg. Aber zum Teil wirken die Häuser auf den Fotos so "dreckig". Liegt das einfach am verwendeten Stein oder sind die bloß nicht restauriert?

  • Ich kann mich erinnern, daß im bayerischen Hörfunk mal ein längerer Beitrag speziell zu Fürth zu hören war und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß vieles in Fürth sehr renovierungsbedürftig und in schlechtem Zustand wäre. Ich werde auf jeden Fall mal selbst hinfahren und fotografieren, voraussichtlich in etwa 10 Tagen.

  • Sieht wirklich ein bisschen DDR-mäßig aus, oder (wie eben gesehen) Breslau und Liegnitz, nur mit niedrigeren Geschosshöhen. Dazu fällt mir eine Fernsehsendung zu Weimar ein, in der jemand sagte, wenn man wissen wolle, wie Weimar zu DDR-Zeiten ausgesehen hatte, solle man in die Partnerstadt Trier fahren. Das ist natürlich in gewisser Hinsicht böse, wenn man bedenkt, wieviel Geld aus dem Westen mit in die Sanierungen flossen :gg:

  • Wow... das ist wirklich mal ein einladendes Wohnviertel. Zwar etwas dreckig aber dafür noch mit richtig Flair. Sehr interessant ist das Parkhaus, hoffentlich bleibt es uns erhalten (schön ist es ja nicht, aber wo gibt es schon Zeugnisse von ganz früher Mobilisierung....?)

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat

    Sehr interessant ist das Parkhaus, hoffentlich bleibt es uns erhalten (schön ist es ja nicht, aber wo gibt es schon Zeugnisse von ganz früher Mobilisierung....?)

    Na z.B. in Heidelberg: da steht in der Plöck ein Parkhaus, in dem schon Hegel wohnte.
    Nein, im Ernst: das Hegel-Haus in Heidelberg wurde in den 70'igern abgerissen und die Erinerungstafel danach an das an seiner Stelle gebaute Parkhaus angebracht. Da hängt am Parkhaus jetzt eine Tafel: "Hier wohnte Hegel." :augenkrummblau: (Geschichtsfälschung!)

  • Zitat von "Philon"

    Na z.B. in Heidelberg: da steht in der Plöck ein Parkhaus, in dem schon Hegel wohnte.
    Nein, im Ernst: das Hegel-Haus in Heidelberg wurde in den 70'igern abgerissen und die Erinerungstafel danach an das an seiner Stelle gebaute Parkhaus angebracht. Da hängt am Parkhaus jetzt ein Tafel: "Hier wohnte Hegel." :augenkrummblau: (Geschichtsfälschung!)

    Unglaublich, wie dumm der Mensch sein kann. Was wohl unsere Nachfahren, die mangels Erdöls keine Parkhäuser mehr brauchen, über eine solche Gedenktafel denken werden... :gehtsnoch:

  • Zitat von "RMA"


    Unglaublich, wie dumm der Mensch sein kann. Was wohl unsere Nachfahren, die mangels Erdöls keine Parkhäuser mehr brauchen, über eine solche Gedenktafel denken werden... :gehtsnoch:

    Naja, Parkhäuser werden wir immer noch brauchen, aber irgendwann wird es hoffentlich so laufen, dass diese nur noch unter Plätzen oder Neubauten entstehen. Am Dresdener Neumarkt ist das ganz gut gelöst.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat von "Philon"

    Na z.B. in Heidelberg: da steht in der Plöck ein Parkhaus, in dem schon Hegel wohnte.
    Nein, im Ernst: das Hegel-Haus in Heidelberg wurde in den 70'igern abgerissen und die Erinerungstafel danach an das an seiner Stelle gebaute Parkhaus angebracht. Da hängt am Parkhaus jetzt ein Tafel: "Hier wohnte Hegel." :augenkrummblau: (Geschichtsfälschung!)

    :lachen:
    Auf jeden Fall hat das Unterhaltungswert. ;)

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Hätte nie gedacht, dass Fürth so schön ist. Da würde ich gerne auch wohnen. Es ist doch schön zu wissen, dass es in Deutschland noch solche Städte hat. Als Fan von Gründerzeitbauten komme ich dort bestimmt auf meine Kosten.
    Ich verstehe sowieso nicht, warum solche Städte wie Fürth, Augsburg oder Tübingen nicht noch mehr in den Vordergrund "gestellt" werden. Ein bisschen weniger Bescheidenheit würde ich denen empfehlen. Wenn man sich anschaut, wie großkotzig in meinen Augen hässliche Städte wie Stuttgart oder Köln überall präsent sind und für sich werben...

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • Zitat von "Antiquitus"

    :lachen:
    Auf jeden Fall hat das Unterhaltungswert. ;)

    Humor ist, wenn man trotzdem lacht?

    memet: Tatsächlich könnte man aus Fürth einiges machen. In den letzten Jahren hat man den Wert zum Teil erkannt und fängt an, die Substanz zu pflegen; allerdings gibt es auch ziemliche Bausünden bei Neubauten - da wird sogar auf Nürnberg geschielt, wo angeblich besser Rücksicht genommen wird. Aber ich mag Fürth einfach als persönlichen Geheimtipp sehr, egal was getan wird.
    Ich werde immer wieder Bilder machen, wenn ich durch Fürth komme. Es gibt auch noch vornehmere Ecken dort.

    spacecowboy: das kann ich bestätigen - Straßen und Häuser teils wie im Osten vor der Wende.

    @silesianospostato: Eine hervorragende Idee! Ich bin gespannt auf Deine Entdeckungen.

  • Folgende touristische Hinweistafel wurde jetzt an der A 73 aufgestellt:

    Erstaunlich die zur Euromed-Klinik gehörige Hotelpyramide - das ist ganz sicher (noch) kein Denkmal. Wahrscheinlich hatte man letztlich dann doch etwas Angst vor zuviel Historie. Aber eine Pyramide hat ja eine klassische Form.

    Jedenfalls ein gutes Motto, besser als die Nürnberger mit der wäßrigen, einfallslosen, altmodischen Bildunterschrift "nuernberg.de" aus dem Jahr 2000, mit Burg und Nürnberger-Versicherungstower drauf. Als ob nicht jeder Ort eine Internetadresse hat.

  • Ich kann mich den Charakterisierungen Fürths als "Geheimtipp" und "unterschätzt" nur anschließen. Ich war ja diesen Sommer da und fand es sehr sehenswert. Gut, es ist nicht gerade eine sehr farbenfrohe Stadt, aber ich mag das eigentlich manchmal sehr gerne, wenn eine Stadt farblich "wie aus einem Guss" wirkt...
    (Jaja, andere würden "monoton" sagen, aber da gibt es für mich einen feinen Unterschied).

    Im ADAC-Reiseführer Deutschland ist Fürth übrigens gar nicht enthalten, im Baedeker Deutschland wurde der Stadt gerade mal eine Drittelseite gegönnt. Das meine ich mit "unterschätzt".

    So, hier mal 20 Bilder von mir, die aus dem Sommer 2006 stammen: