Leipzig - Friedrich-Ebert-Straße 81, vulgo Märchenhaus

  • Ich könnte mir vorstellen, daß die Mitarbeiter des Bergezentrums Trebsen
    von Leuten in der Stadtverwaltung erst dann herbeigerufen wurden,
    nachdem diese Leute am Mittwoch in der LVZ gelesen haben,
    daß der Abriß ohne vorherige Abnahme der Fassade
    ein Nachspiel haben könnte.
    (Die Medien könnten darüber berichten,
    wie wenig der Denkmalschutz hierzulande seine Aufgaben erfüllt.)
    Nun können sie sagen:
    "Wir haben Teile der Fassade für die Nachwelt gerettet!"

  • Zitat von "madmellow"

    Aber zumindestens mussten dafür keine Gründerzeitler weichen sondern eine heruntergekommene Strassenbahnmeisterei.

    Deine "heruntergekommene Straßenbahniesterei" war meines Wissens das älteste Stahlbetongebäude Deutschlands aus dem 19. Jh, das eigentlich in das EKZ miteinbezogen werden sollte und für dessen Erhalt nach meinem Informationsstand vorher 2 Gründerzeitler weichen musste da die Reudnitzer Wagenhalle einen höheren Denkmalwert hatte.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Guten Morgen madmellow. Lies mal hier

    rakete

    Woher weißt Du eigentlich, dass die Ebert 81 nie im Besitz der LWB war? Nach meinen Informationen aus der Presse, gehörte das Haus sehr wohl der LWB. Wenn Du schon von Fakten sprichst, wäre es doch vielleicht mal ganz angesagt, ein paar Informationsquellen anzugeben...

  • Zu der Protest-Aktion und der Schrift-Diskussion:

    Ihr mögt ja alle recht haben, was die Historie der Frakturschrift und deren Fehlinterpretation durch linke Gutmenschen angeht. Aber Ihr wollt doch etwas erreichen mit Eurer Protest-Aktion. Und da würde ich lieber ganz pragmatisch denken: Auf alles, was die breite Akzeptanz einer Aktion beeinträchtigen könnte und nicht erforderlich ist, sollte man im Zweifel besser verzichten. Ihr wollt doch primär Bauwerke schützen und nicht die Geschichte der Fraktur richtigstellen. Also nehmt doch lieber eine Schrift, die keine falschen Assoziationen zuläßt; es geht doch darum, möglichst viele Leute ins Boot zu holen, also im Zweifel auch die mit den Wissenslücken - nur eine Anregung...

    (im übrigen: Wie erklärt es sich dann eigentlich, daß z.B. ausgerechnet bei einem Nazi-Schiff der Name am Bug in Fraktur, bei anderen aus derselben Epoche hingegen in lateinischen Buchstaben geschrieben war?)

    @ rakete

    ah, du bist ja noch da, hatte schon befürchtet, du hättest dich beim betrachten der abriss-bilder totgelacht...

    nach dem was spacecowboy und du nun berichten, liegt ja nun doch die schuld tatsächlich bei der erbengemeinschaft. sie hätten nicht abreissen müssen, haben es aber - alle alternativen ablehnend - doch getan. als ich mich vor einiger zeit über den eigentümer (damals wusste ich noch nicht dass es eine ganze Erbengemeinschaft ist) aufgeregt hatte, hast du die gemeinschaft in schutz genommen. als sich alle über die Stadt aufregten hast du diese in schutz genommen. das hört sich jetzt an als sei der abriss einfach eine art naturereignis, für das niemand etwas kann. Die "wm-version" erscheint nicht haltbar, aber die arme erbengemeinschaft konnte nicht anders als das haus abzureissen oder wie soll ich das jetzt verstehen?

  • Das Frustrierende an der Geschichte ist ja, daß die Informationen in diesem Forum, dem DAF, der Lokalpresse und die Behördenauskünfte sich derart widersprechen, daß es nicht möglich scheint, herauszufinden, was nun eigentlich wirklich los war. Die Bandbreite reicht z. B. von hundertprozentiger Abrißförderung bis zu Nullförderung für den Abriß. Ähnlich sieht es für die anderen Teilaspekte aus. Daran krankt auch raketes gutgemeinte Zusammenfassung von Seite 21: Ich möchte sie nicht infragestellen, aber verifizieren kann ich sie auch nicht. Eigentlich müssen wir doch feststellen: Wir wissen nicht, wer schuld ist. Sehr wahrscheinlich ist aber doch, daß man die Sache ohne Fußball-WM etwas ruhiger angegangen wäre, so daß die potentiellen Investoren vielleicht noch zum Zuge gekommen wären. Aber selbst das muß wohl Spekulation bleiben, solange keine belastbaren Fakten auftauchen, wer was wann zu wem gesagt bzw. geschrieben hat. Und da mit Sicherheit einige Beteiligte Interesse haben, vieles im Dunkeln zu lassen, werden diese Fakten wohl auch nicht mehr auftauchen.

    »»Schloßgespenst: Ich will hier wirklich keine Fraktur-Diskussion führen, aber die Gustloff ist eben nur ein Einzelbeispiel, für das man Gegenbeispiele anführen könnte. Die Präferenzen für die eine oder andere Schriftform gingen nachweislich durch alle politischen Lager. Man kann ja auch nicht sagen, daß, weil Himmler eine Brille getragen hat, Brillenträger fortan irgendwie an Nazis erinnern. Oder?

  • Ich finde es klasse, dass Friederich und einige Mitstreiter sich so in's Zeug werfen, Transparente entwerfen und aktiv für diese Bauwerke streiten. Es ist doch zweitrangig, ob jetzt die Helvetica, die Fraktur oder die Times als Schrift gewählt wurde für die Transparente, wichtig ist nur, dass es Leute gibt, die sich einsetzen und was tun!!! Ich wäre auch gerne bei dieser Demo dabei gewesen, wenn ich nicht so weit weg wohnen würde, aber ich leiste meinen Beitrag, indem ich spende (Deut. Stiftung Denkmalschutz). Der Anfang ist gemacht, und je mehr Leute das "Stadtbild Deutschland" kennen, werden auch mehr Leute für diese Sache streiten - dessen bin ich mir sicher!

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • @ Friederich

    Ein weithergeholtes Beispiel - aber egal; wie gesagt, es geht mir ja nur darum: Ihr wollt etwas erreichen, also verzichtet, auch wenn Ihr im "Recht" seid und eine bessere Allgemeinbildung habt, auf etwas, was andere abschrecken könnte, einfach nur um des Erfolges Willen, nichts weiter...

    Ich wünsche allen Leipzigern, die sich wehren, viel Erfolg! :)

    Und denkt daran, was für eine Karriere man in diesem Land noch machen kann, obwohl man sich in jungen Jahren gegen den Abriß von schönen Gründerzeitbauten gewehrt hat. :zwinkern:
    Für die humorfreien Benutzer: Nein, hier wird nicht zu Straftaten aufgerufen, es war ein Scherz...

  • spacecowboy:
    stand alles letzte woche in der alten tante lvz.

    @schlossgespenst:
    geschichte ist kein naturereignis. besonders bei einer vertrackten wie dieser wäre es nicht angemessen gewesen, einen "schuldigen" zu benennen. aber die verantwortung für den abriss trägt die erbengemeinschaft.

  • Ich habe soeben eine lange Email vom Stadtforum bekommen (obwohl ich kein Mitglied bin), in der es u.a. auch um den Abriss der Ebert 81 geht. Ich denke, es geht in Ordnung, wenn ich einige erhellende Erkenntnisse daraus hier veröffentliche.

    Zitat

    (3) Friedrich-Ebert-Str- 81 a/b

    Wegen der vielen Nachfragen nochmals eine Zusammenfassung der Ereignisse und Hintergründe:

    Die Stadtverwaltung hat ausschließlich für den abgebrannten Dachstuhl eine Abrißverfügung ausgesprochen (nicht für das Gebäude). Die Hauseigentümer (Erbengemeinschaft in den USA und Großbritannien) haben daraufhin ihren deutschen Anwalt in Frankfurt/M. mit der Organisation des Gesamtabrisses beauftragt. Das Stadtforum hat sich daraufhin um Rettung in letzter Minute bemüht. Wir haben einen Kaufinteressenten (Wahl & Partner) gefunden und an die Eigentümer vermittelt. Die Dresdner Bank (hat das Grundstück 1939 "arisiert") hat uns auf unsere Initiative hin dann ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Finanzierung zugesagt. Mit den Eigentümern haben wir einen Aufschub des Abrisses vereinbart, zunächst auch mit Erfolg. Daraufhin hat nach unseren Informationen die Abbruchfirma mit hohen Schadensersatzforderungen gedroht. Die Eigentümer haben dann einen illusorischen Kaufpreis genannt. Wir haben deshalb in aller Eile auch noch ein Verkehrswertgutachten erstellen lassen und von einem Statiker die Stadtfestigkeit des Bauwerks bestätigen lassen. Der Kaufinteressent hat dann ein Kaufangebot unterbreitet. Ohne dann mit diesem weiter zu verhandeln, haben die Eigentümer über ihren Anwalt dann doch den Abriß ausgelöst.

    Verständlich und wirtschaftlich nachvollziehbar ist das Verhalten der Eigentümer letztlich nicht. Sie haben das Grundstück 1999 als Wiedergutmachung für die "Arisierung" von 1939 nach langem Kampf zurückerhalten. Sie haben einiges Geld in das Rückgabeverfahren gesteckt und in die Verwaltung des leerstehenden Gebäudes (Hausmeister, Baugerüst über Bürgersteig, Grundsteuer etc.). Im Ergebnis wollten Sie ihre Unkosten ersetzt und darüber hinaus einen erheblich Betrag erzielen, den sie als Wiedergutmachung empfunden hätten. Dem hat der tatsächliche Wert des Grundstücks jedoch nicht annähernd entsprochen. Nun haben sie uns verbittert mitgeteilt, daß sie jetzt auch noch die Abrißkosten zu tragen haben. Letztlich war ihnen nicht begreiflich zu machen, daß Sie mit einem Verkauf ihre tatsächlichen und im Hinblick auf die Wiedergutmachungsidee auch bedauerlichen finanziellen Verluste wenigstens hätten minimieren können.

    Hier muß daher nochmals fairerweise ausdrücklich klargestellt werden, dieser Abriß geht auf das Konto der Eigentümer - auch wenn die Stadtverwaltung mit ihrer unsinnigen Planung für die Fr.-Ebert-Str. (Abriß der gesamten Westseite) maßgeblich am Niedergang der Ebertstr. beteiligt ist und wenn auch die Abrißverfügung für das Dach wohl der Auslöser des Totalabrisses war. Ebenfalls muß hier anerkannt werden, daß entgegen der Planungen der Stadtplaner zugleich die städtischen Denkmalpfleger sich in der Vergangenheit um das Haus gekümmert haben (Sicherung von Bauteilen; Kümmern um Sanierungsmöglichkeiten) - dies auf städtische Kosten. Die verwaltung hat uns auch ausdrücklich zugesagt, daß für den Abriß keine Fördermittel geflossen sind oder fließen sollen.

    Vor diesem Hintergrund sollte es dann auch verständlich sein, daß sich eine Demonstration vor diesem Gebäude (wie vielfach angeregt) nicht wirklich angeboten hat. Man hätte schwerlich dagegen demonstrieren können, daß ehemalige arisierte Mitbürger (unser Ansprechpartner in den USA ist 88 Jahre alt und war selbst Buchenwald-Insasse) hier auf Entschädigung gesetzt haben - wenn auch höchst bedauerlicherweise auf Kosten unseres Bauerbes.

    Ich konnte mir bislang beim besten Willen nicht vorstellen, warum die Erbengemeinschaft den Totalabriss angeordnet haben sollte, wenn sie doch ein Kaufangebot bekommen hat. Spekulierte sie mit dem Abriss - wie vom Stadtforum dargestellt - auf Entschädigung / Wiedergutmachung?

  • dann wäre ihr deutscher anwalt aber nicht gerade der hellste.
    fairerweise noch eine klarstellung zu plänen der stadt, die gesamte westseite der friedrich-ebert-strasse abreissen zu wollen: das südliche nachbarhaus der f-e-81 (beide westseite) - die rossbachsche villa - hat die stadt in erbärmlichem zustand gekauft, saniert und an einen gemeinnützigen verein "vermietet". zum glück wurde auch das südliche nachbarhaus dieser villa inzwischen saniert, so dass in ein paar jahren zwischen den beiden gebäuden wieder der elstermühlgraben fliessen kann, der die ranstädtische vorstadt aufwerten wird - was hoffentlich seinerseits einen investitionsschub für noch unsanierte altbauten der gegend auslösen wird.

  • Mir faellt ein, dass ich noch gar nicht meinem Kummer ueber den Abriss dieses einst so schoenen Wohnhauses Ausdruck verliehen habe.

    Das ist ein schmerzlicher Verlust, der durch die Kette von Missverstaendnissen, falschen Einschaetzungen, Zeitdruck und den leider nur zu bekannten undurchsichtigen Vorgaengen bei den einschlaegigen Behoerden noch schwerer faellt.

    Ich danke Euch allen fuer Eure engagierten Berichte.

  • Heute ist in der F.A.Z. (Feuilleton, Seite 37) ein ausführlicher Bericht zur Problematik in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] unter Berücksichtigung der hier besprochenen akuten Fälle erschienen. Für Abonnenten ist er unter

    http://www.faz.net/p/Rub013457531D514A289550C982F21BCDBF/Doc~E793663DC7A85474C9D2082E2523BDD67~ATpl~Ecommon~Scontent.html\r
    http://www.faz.net/p/Rub013457531D514A2 ... ntent.html

    einzusehen, für andere Interessierte lohnt sich vielleicht der Weg zum Kiosk.

  • Zitat

    …the bustling city known as the heart of German music and the largest railroad center in Europe.


    Immer wieder interessant, was die Amerikaner so für das wesentliche an [lexicon='Leipzig'][/lexicon] halten.

    Wie auch immer, die Geschichte mit dem Haus relativiert sich doch etwas, wenn man sie im gesamten historischen Context betrachtet.

    Woher weißt Du, daß Herr Fein nach [lexicon='Leipzig'][/lexicon] kommt? Das steht doch gar nicht in dem Artikel.