Leipzig - Friedrich-Ebert-Straße 81, vulgo Märchenhaus

  • Vielleicht bin ich ja so naiv? Und diesen unwissenschaftlichen 68er Schwachsinn von der »Schaftstiefelgotisch« kann ich von Berufs wegen wirklich nicht mehr hören.

    Jedenfalls stellt sich die regelmäßig wiederkehrende Frage, inwieweit man auf subjektive Assoziationen Rücksicht nehmen muß, obwohl diese offensichtlich objektiv falsch sind.

  • In der tat stellt sich hier mal wieder diese frage, und dieses mal würde ich sagen, im gegensatz zu vielen anderen begebenheiten, dass hier auf die subjektive wirkung doch stark geachtet werden sollte, und finde eine frakturschrift halt nich gerade angebracht...hm, ne, angebracht is vllt auch was hart....eher "nicht vorteilhaft"
    Achja, kannste mir das ma kurz erklären? »Schaftstiefelgotisch«

  • Zitat von "fonti"

    Friederich
    "Ihr meint, das könnte Fabian gemeint haben?"

    Meine Güte...tu doch nich so naiv. wat soll er denn sonst meinen. Mir is auch bekannt dass die frakturschrift von den nationalsozialisten ´41 abgeschafft wurde, finde sie recht interessant auch weils einfach ein historisches erbe is...aber subjektiv betrachtet erweckt sie schon manche assoziationen mit dem rechten lager. Generell bin ich immer dafür wenn man historische erben wieder mehr aufleben lässt und den leuten zeigt dass nich alles alte deutsche etwas mit den nazis zu tun hatte, aber glaube dass in diesem bsp die frakturschrift nicht gerade dienlich für die sache wäre...

    Leute, bleibt mal auf dem Boden. Ich hatte im Laufe meine Studiums auch einen Grundkurs in Typographie und gebrochene Schriften sind eine Schrift wie viel andere auch.
    Zu behaupten, diese hätten irgendwas mit Nazis gemein, ist absurd.
    Allerdings muss ich auch festestellen, dass es keinen Grund gibt, diese auf einem Transparent zu verwenden - vor allem, weil sie nachweislich für Ungeübte schlechter lesbar sind.
    Dass jemand wie Friederich, der sein Geld indirekt auch mit Schriften verdient, keine banale Arial oder andere sans-serif wählt, ist völlig verständlich, aber deswegen schon wieder das Rechts-Gezeter anzuleiern ist albern.

    Kümmert euch um das Haus, die Demo, die Stadt, aber lasst die Schrift Schrift sein...

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • »»fonti: »Schaftstiefelgotisch« ist der ideologische Kampfbegriff, mit dem Frakturschriften in Nazinähe gerückt werden. Mitunter, z. B. in Bezug euf die sehr schlichte Tannenberg, auch in der Variation »Schaftstiefelgrotesk«. Habe ich sogar schon von akademisch gebildeten Typographen gehört.

  • Hä? Die Tannenberg ist doch gar keine Groteskschrift, sondern eine gebrochene (mit 'nem Schuss Bauhaus ;) ).

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Eben wegen des »Schusses Bauhaus«. Sie ist der Sonderfall einer »gebrochenen Grotesk«, also eigentlich eine Bastardschrift mit gotischen Proportionen und (gebrochener) Grotesk-Linienführung. Gerade die Tannenberg ist eigentlich eine Schrift mit hohem Lesbarkeitswert auch in kleinen Graden; traut sich aber heute niemand mehr zu verwenden.

    Paradoxerweise findet Google 70 mal »Schaftstiefelgrotesk« aber Null mal »Schaftstiefelgotisch«.

    habe ich bisher immer für ein rein sächsisches Fragewort gehalten. Wie kommt denn ein berliner Schwabe (schwäbischer Berliner?) dazu?

  • Zwar befinde ich mich zur Zeit in Berlin, bin aber davon abgesehen und eigentlich Schwabe.

    Ich bin groß geworden mit dem Blick auf den Hohenstaufen - und das ist auch mein Maßstab.
    Warum ich "Hä" benutze, kann ich nach Jahren in virtuellen Sphären nicht mehr sagen; sollte dies spezifisch sächsisch sein - gerne.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Hä?! ist vermutlich gesamtdeutsch :gg: Jedenfalls kann ich mich an den gebetsmühlenartig wiederholten Satz unseres Mathelehrers erinnern:

    Das heißt nicht , das heißt Wie bitte?

    Und dieser Satz wurde in Oberbayern artikuliert :schockiert:

  • Hessisches Fragewort mit 2 Buchstaben: ? Das habe ich in Frankfurt gelernt.

    @ Friedrich

    Nein, ich werde nicht zur Demo gehen können. Das lässt sich leider nicht machen. Aber Anfang Mai bin ich für ein paar Tage in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]. Da können wir uns gern mal treffen.

    Zum Thema: Rechtfertigung des Bauordungsamt ggü den Abrissen. Hier ein Auszug aus der LVZ von gestern:

    Zitat

    Hans-Gerd Schirmer vom Bauordnungsamt wies die Kritik vom Stadtforum zurück, dass der Denkmalschutz in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zu leicht übergangen werde. „Wir hatten den Eigentümern sogar Fördermittel für den Erhalt angeboten. Sie beantragten aber schon vor Jahren den Abriss, den wir genehmigen mussten“, so der Amtsleiter. Die jüngste Abrissverfügung und Ermahnung der Stadt galt nur dem Dach, das durch einen Brand 2005 zerstört wurde. Allerdings hätten die Eigentümer das Recht gehabt, alles abzureißen. Schirmer betonte, die Kommune gebe sich viel Mühe beim Notprogramm zur Rettung von 20 stadtbildprägenden Gründerzeithäusern (die LVZ berichtete). In der Goldschmidtstraße 31, Leibnizstraße 1, Oststraße 2, Katharinenstraße 19 und Sebastian-Bach-Straße 3 hätten die Arbeiten begonnen oder stünden kurz bevor. „Für weitere sechs Häuser von der Liste haben wir bereits Fördervereinbarungen abgeschlossen.“ Beim Dittrichring 11, dessen Zwischendecken zusammenbrachen, versuche sein Amt, den wertvollen Eingangsbereich zu erhalten und damit eine Forderung des Stadtforums zu erfüllen.

    Forumssprecher Wolfram Günther stimmte Schirmer zu, dass die Schuld für die aktuellen Abrisse vor allem bei den Hauseigentümern zu suchen sei. Dennoch bleibe es bei der Demo am Sonntag 14 Uhr in der Zerbster Straße: „Dort sollen auf einen Schlag etliche denkmalgeschützte Häuser weg, was im Widerspruch zu aktuellen Bemühungen auch der Verwaltung steht.“

    Eine gute Nachricht kam von der Florana KG, die in Reudnitz ein Einkaufszentrum errichtet. Sie hat die 1851 erbaute Hofmeister-Villa soeben an einen Investor verkauft. „Der Käufer will die Villa herrichten und möglichst gleichzeitig mit dem Center eröffnen“, erklärte Florana-Geschäftsführer Heinz Nettekoven.

  • hallo zusammen!
    wäre eigentlich gut gewesen, wenn mal ein anderer leipziger hier die fakten aufgezählt hätte, die in den letzten tagen ans licht gekommen sind. also schön, mache ich halt wieder den buhmann:

    1. das gebäude ist nie im besitz der lwb gewesen. bis 1999 stritten sich zwei private parteien vor gericht. die eine davon kündigte 1996 der lwb-tochter ivg den verwaltungsauftrag, so dass das haus leergezogen wurde.
    2. seit 1999 hatten die neuen eigentümer das haus werder notgesichert, saniert oder verkauft.
    3. für eine sanierung hatte die stadt sogar fördermittel angeboten.
    4. wschon vor langer zeit hatten die eigentümer den abrissantrag gestellt, dem die stadt nach der rechtslage zustimmen musste.
    5. die aktuelle abriss-aufforderung durch die stadt bezog sich nur auf den ausgebrannten dachstuhl. aus eigenem willen haben die eigentümer von ihrem recht gebrauch gemacht, dabei das ganze haus abzureissen.

    manchmal hat es leider den anschein, als wären solche hintergründe vielen hier eher egal. aber ich meine, wer - in briefen oder bei demonstrationen - ernst genommen werden will, sollte sich auch ernsthaft mit der materie auseinandersetzen. es ist doch weder dem niveau, noch dem anliegen dienlich, wenn fakten einfach ausgeblendet werden, weil sie einem nicht in den kram passen. wer arbeiter, denkmalschützer oder irgendwelche fussballer verflucht, macht sich doch nur ernsthaft lächerlich.

    davon abgesehen: statt sich mit inbrunst hinter einen abgefahrenen zug zu werfen, fände ich es besser, konstruktive (d. h. realisierbare) vorschläge zu auszuarbeiten, wie künftig im umgang mit maroder altbausubstanz die weichen gestellt werden könnten. da dieses thema über die f-e-81 hinausgeht, werde ich meine ideen dazu auf den allgemeinen [lexicon='leipzig'][/lexicon]-seiten darlegen.

  • Da redet sich die Stadt [lexicon='Leipzig'][/lexicon] aber aus der Verantwortung heraus:

    Zitat

    Hans-Gerd Schirmer vom Bauordnungsamt wies die Kritik vom Stadtforum zurück, dass der Denkmalschutz in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zu leicht übergangen werde. „Wir hatten den Eigentümern sogar Fördermittel für den Erhalt angeboten. Sie beantragten aber schon vor Jahren den Abriss, den wir genehmigen mussten“, so der Amtsleiter. Die jüngste Abrissverfügung und Ermahnung der Stadt galt nur dem Dach, das durch einen Brand 2005 zerstört wurde. Allerdings hätten die Eigentümer das Recht gehabt, alles abzureißen. Schirmer betonte, die Kommune gebe sich viel Mühe beim Notprogramm zur Rettung von 20 stadtbildprägenden Gründerzeithäusern (die LVZ berichtete).

    Man hätte auch von Seiten des Bauordnungsamtes oder des Amtes für Denkmalpflege verfügen können, daß der Bau nicht abgerissen, sondern rückgebaut wird (unter Bergung sämtlicher Steinmetzarbeiten - und da gab es ja selbst Angebote von Dritter Seite - , um eine spätere Rekonstruktion des Gebäudes unter Verwendung der geborgenen Originalsubstanz zu ermöglichen). Aber offensichtlich hatte man es da eilig (WM), und einige Bürokraten wollten beweisen, daß sie am längeren Hebel sitzen (Kommentar dazu verkneif ich mir, da unter der Gürtellinie). Ich hoffe, daß nun einige Leipziger aufwachen und sich für den Erhalt ihrer Stadt einsetzen. Dann hätte dieser schlimme Verlust für die Leipziger Baukultur wenigstens eine gute Seite. Ziemlich sauer :sehrtraurig:

    Iktinos

    *der Ende der 90er an einigen Leipziger Gründerzeitlern als Zimmermann "herumgeschraubt" hat*

  • wie kam es eigentlich zu dem brand im dachstuhl, der ja anscheinend der auslöser (oder vowand) für den totalabriss war? ohne hier irgendwas unterstellen zu wollen, erinnert mich das doch irgendwie an die art "heiße sanierung", wie wir sie des öfteren in halle erleben durften.

  • es geht also mit dem "stimmt schon, aber trotzdem, man hätte doch irgendwie..." weiter. dass man rechtliche hebel hätte, um statt abrissen teurere demontagen zu erzwingen, ist nun mal nicht richtig. dann könnte man ja gleich abrisse verbieten. wie sollte man - und da schliesst sich der kreis - verstösse sanktionieren?

  • ich kann mich ja täuschen, aber verstöße gegen das denkmalschutz-gesetz kann man ja wohl strafrechtlich sanktionieren oder nicht? wieso gab es nicht eine explizite teilabrissgenehmigung, nur für den dachstuhl? warum wurde erlaubt das ganze gebäude abzureißen. wieso wurden für den abriss keine strengen auflagen gemacht, wie das allerorten üblich ist?

  • zum hundersten mal: privateigentum (und damit auch die verfügungsgewalt der eigentümer darüber) ist verfassungsrechtlich geschützt. wenn man einem eigentümer verbieten würde, sein haus abzureissen, müsste den früher oder später fälligen notabriss das gemeinwesen bezahlen (wobei das dadurch freiwerdende grundstück beim eigentümer verbliebe). dashalb würden abrissverbote nur darauf hinauslaufen, dass sich grundstücksbesitzer auf kosten der allgemeinheit ihrer maroden häuser entledigen würden.
    davon mal abgesehen: sanktionieren kann man so ziemlich alles. die kosten, bei einer weltweit verstreuten, in sich verstrittenen erbengemeinschaft die strafen gerichtlich einzutreiben, wären für die allgemeinheit allemal höher als der (materielle) streitwert.

  • dann erklär mir doch bitte folgendes:

    "Als ich heute Mittag noch einmal vor Ort war traf ich auf Mitarbeiter des Bergezentrum Trebsen. Sie sagten mir, dass sie von der Denkmalschutzbehörde beauftragt wurden, die noch auf dem Schutthaufen herumliegenden Fassadenreste zu bergen. Außerdem soll vor der Beseitigung des noch stehenden Restes des Hauses (zwei Achsen des Erdgeschosses, siehe Foto unten) die Fassade komplett abgenommen und ebenfalls eingelagert werden. Die Leipziger Baubehörde hat sich also am 4.Tag des Abrisses dazu durchringen können, ca. 2% der Fassade für die Nachwelt zu erhalten, die restlichen 98% sind bereits größtenteils abtransportiert und landen definitiv im Schredder."

    quelle: deutsches-architekurforum.de
    thread: Abriss von Gründerzeitbauten in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]
    poster: Baukasten
    (dort sind übrigens bilder zu sehen, wie bauarbeiter stuckreste sichern. )

    sag mir, warum dies nicht am 1. tag des abrisses möglich gewesen sein soll?

  • Aber sind das nicht die Fragen, die man vor Erteilung einer Abrißgenehmigung klären müßte? Ist es so vermessen, das von einer funktionierenden Verwaltung zu erwarten?

  • Zitat von "HalleLuja"

    wie kam es eigentlich zu dem brand im dachstuhl, der ja anscheinend der auslöser (oder vowand) für den totalabriss war? ohne hier irgendwas unterstellen zu wollen, erinnert mich das doch irgendwie an die art "heiße sanierung", wie wir sie des öfteren in halle erleben durften.

    Darüber hatten wir schon so manche These aufgestellt. Diesen Brand sollten wir nicht nochmal als Thema aufkochen. Da kann sich jeder seinen Teil denken.


    Zitat von "spacecowboy"

    Eine gute Nachricht kam von der Florana KG, die in Reudnitz ein Einkaufszentrum errichtet. Sie hat die 1851 erbaute Hofmeister-Villa soeben an einen Investor verkauft. „Der Käufer will die Villa herrichten und möglichst gleichzeitig mit dem Center eröffnen“, erklärte Florana-Geschäftsführer Heinz Nettekoven.

    JUHUUU! Diese Villa ist ein Schmuckstück! Da ich in der Nähe wohne bin ich glücklich, dass sie nun endgültig saniert wird. Mit römisch anmutenden Säulen vom ersten Geschoss bis zum Dach, hachja, das ist ein schönes Stück [lexicon='Leipzig'][/lexicon]. Nur einen Haken hat die Sache. Das Einkaufszentrum ist "Kaufland" und also nicht anderes als ein riesengrosser platter Supermarkt. In Kombination mit der Villa grauenhaft. Aber zumindestens mussten dafür keine Gründerzeitler weichen sondern eine heruntergekommene Strassenbahnmeisterei.